Versuch über das Unbestimmte

4,50 Stern(e) 4 Bewertungen

sufnus

Mitglied
Versuch über das Unbestimmte

Die liegende Acht
das verknotete Nichts
ein Selbstplagiat auf Gott & die Welt
jedes Ich zum Foetus gekrümmt
bis die Enden sich finden

Und der Startpunkt?
Wanderer wenn Du das liest
dann warst du zumindest einmal dabei
und weißt am Anfang war der Schrei

Was also bleibt?
Geschwärzte Passagen
vielleicht noch der Ruf in die Nacht
ihr Schwestern & Brüder kommt schnell
ich fühle es
niemand will mich ermorden
 
Zuletzt bearbeitet:

fee_reloaded

Mitglied
Was also bleibt?
Geschwärzte Passagen
vielleicht noch der Ruf in die Nacht
Ein wirklich schöner, feinfühliger Text über das Rätsel allen Seins, lieber sufnus.

Ich denke gerade darüber nach, ob weiße Flecken auf Landkarten im Rückblick nicht ähnlich schmerzen wie jene Passagen, die wir schwärzen würden...

Sehr berührt mich der Bildvergleich in der ersten Strophe. Der ist so schön gedacht wie er genial ist!
Und vom Schluss red ich erst gar nicht...

Sehr gerne gelesen!

Lieber Gruß,
fee
 

sufnus

Mitglied
Hey Fee!
Dein berufenes Lob freut mich, wie immer, ganz besonders.
Und Du hast, da bin ich jedesmal begeistert, einen besonders guten Riecher für das Innenleben eines Textes - in diesem Fall für die als etwas loses Ende aus dem Konvolut herausragenden geschwärzten Passagen. :)
Dein Gedanke, dass eigentlich die weißen, unerforschten (Seelen-)Gebiete besonders wichtig sind, gefällt mir wirklich gut - in den Johari-Fenstern wären das wohl die beiden rechten Fenster, also der blinde Fleck und die unknown unknowns. Diese weißen innerlichen Areale sind immerhin, zumindest theoretisch, einer Erforschung zugänglich, womöglich wird dadurch ein untergründiger, dumpfer biographischer Schmerz jäh und intensiv erfahrbar, aber es könnte auch die Chance auf Heilung geben.
Was ich bei den "geschwärzten Passagen" aber nun eigentlich im Sinn hatte, ist mir tatsächlich gar nicht so klar. Sind das Schwärzungen per Selbstzensur? Verdrängung? Oder wurde da von außen (?) etwas unkenntlich (?) gemacht?
Ansonsten bot sich bei den Passagen natürlich auch noch die Doppeldeutigkeit, im Sinne von Textpassagen versus Reise/Querung/Überfahrt an.
Und was das Unendlichkeitszeichen (Möbius-Band) angeht, das ja wirklich eine deformierte Null darstellt (eher verdrillt als verknotet - aber das verbuche ich mal als künstlerische Freiheit), fand ich das Bild so naheliegend, dass ich mir sicher war, dass das schön öfter mal in Gedichten verwendet worden sein müsste. Zumindest mit google hab ich aber zu meiner Überraschung nix gefunden. Sachen gibts.... :)
LG!
S.
 

fee_reloaded

Mitglied
Und was das Unendlichkeitszeichen (Möbius-Band) angeht, das ja wirklich eine deformierte Null darstellt (eher verdrillt als verknotet - aber das verbuche ich mal als künstlerische Freiheit), fand ich das Bild so naheliegend, dass ich mir sicher war, dass das schön öfter mal in Gedichten verwendet worden sein müsste. Zumindest mit google hab ich aber zu meiner Überraschung nix gefunden.
Und selbst wenn - ich fand die Gegenüber- bzw. Parallelstellung der Möbius-Schleife mit dem Bild des in sich zusammengekrümmten Fötus (also eines in einem Leben ruhenden Lebens) einfach nur genial und wunderschön! Und das hat für mich schon deshalb Alleinstellungsqualität. Noch nie habe ich Unendlichkeit schöner beschrieben gelesen! Ich muss beim Unendlichkeitszeichen auch immer an die keltischen Flechtwerk-Ornamente denken, die ja formal die Denkweise einer dahinfließenden, nicht in Einheiten unterteilten Zeitwahrnehmung wiederspiegeln. Cuncta fluunt - Anfangspunkt wird irgendwann Endpunkt und Zeit nehmen wir nur wahr, weil es die unendliche Veränderung gibt.

Wir alle wollen uns - zwecks Sinnstiftung - als Wanderer verstehen, die einer Bestimmung folgen; die ihr Leben mit dem Ziel einer "Erfüllung" durchschreiten. Die Schwärzungen habe ich als alles das gelesen, was du als mögliche Gründe anführst. Dinge, die wir gerne aus unserem Lebenslauf gestrichen sähen (ob jetzt aus Eitelkeit oder um nicht an einen alten Schmerz über ein Scheitern erinnert zu werden). Ja, auch die unbewusste Verdrängung ist eine Möglichkeit. Womit wir beim blinden Fleck wären (auch ein starkes Bild...die dem System "Sehen" immanenten "Ausfälle" der Wahrnehmung, die wir von uns selbst zwar "wissen", aber per Eigenwahrnehmung nicht sehen können ).

Ansonsten bot sich bei den Passagen natürlich auch noch die Doppeldeutigkeit, im Sinne von Textpassagen versus Reise/Querung/Überfahrt an.
Das Thema der Reise ist m. E. durch das Cicero-Zitat ohnehin deutlich gemacht. Und von da wars nicht weit zu den geschwärzten Textstellen in einem Lebenslauf...da war ich automatisch bei "Lebenswelten", wie in einem Atlas dargestellt; vermessen, kartografiert, im Nachhinein an manchen Stellen Küstenverläufe korrigiert.

In die Meere entlang der von dir gezogenen Küstenlinien bin ich gerne eingetaucht.

Liebe Grüße,
fee
 
Zuletzt bearbeitet:

sufnus

Mitglied
Hey fee!
Für diese nachfassende Tiefenbohrung nochmal ganz lieben Dank!
Ich grübele übrigens noch an einem vermutlich nichtig erscheinenden Problemchen herum, nämlich den beiden &-Zeichen bei Gott & die Welt und Schwestern & Brüder. Irgendwie gefällt es mir da besser als ein einfaches "und", aber die Schreibselung ist halt jetzt nicht einheitlich, weil es auch zweimal ein normales, ausgeschriebenes "und" gibt. Ich überleg gerade, ob ich die zwei ausgeschriebenen "undse" womöglich noch durch Umformulieren ganz loswerden kann. Das ist wahrscheinlich eine etwas transnormale Überpenibilität... naja... mal schauen, ob sich in der Angelegenheit noch was machen lässt (ob auf Gedicht oder Autor bezogen sei hier mal dahingestellt ;) ).
LG!
S.
 

fee_reloaded

Mitglied
Ich grübele übrigens noch an einem vermutlich nichtig erscheinenden Problemchen herum, nämlich den beiden &-Zeichen bei Gott & die Welt und Schwestern & Brüder. Irgendwie gefällt es mir da besser als ein einfaches "und", aber die Schreibselung ist halt jetzt nicht einheitlich, weil es auch zweimal ein normales, ausgeschriebenes "und" gibt.
Das habe ich nicht als Problem wahrgenommen und auch nicht als Inkonsequenz, da ich das & eher als das "und" begreife, das mehr tut als zwei Subjekte zusammenzuführen - es bildet aus ihnen eine Art "Begriff", einen "Namen", wenn man so will (wenn klar ist, was ich meine). Das normale "und" hingegen tut, was es im Sprachgebrauch normalerweise tut: grammatikalisch korrekt verbinden, anknüpfen, fortsetzen. Ich sehe da also keinen Änderungsbedarf.
 
Grüße sufnus,

auf originelle Weise den Pathos der Unendlichkeit und Ewigkeit plattgeschlagen, verknotet und mit dem Nudelholz drüber.
Es ist fast wie Brezelmusik.

Deine Gedichte haben alle irgendwie einen bestimmten O-Ton: Mensch! Mensch, nimm dich nicht so ernst! Nimm alles nicht so ernst, sei lieber etwas kleiner als nur einen Millimeter zu groß. Mag ich.

Solltest du je über einen Lyrikband nachdenken, nenne ihn "Ungefährliche Abschürfungen von oben".

lg Michael
 

revilo

Verboten
Versuch über das Unbestimmte

Die liegende Acht
das verknotete Nichts
ein Selbstplagiat auf Gott & die Welt
jedes Ich zum Foetus gekrümmt
bis die Enden sich finden

Und der Startpunkt?
Wanderer wenn Du das liest
dann warst du zumindest einmal dabei
und weißt am Anfang war der Schrei

Was also bleibt?
Geschwärzte Passagen
vielleicht noch der Ruf in die Nacht
ihr Schwestern & Brüder kommt schnell
ich fühle es
niemand will mich ermorden

Solche Gedichte berühren mich überhaupt nicht, rauschen gewissermaßen an mir vorbei… Ich hatte große Mühe nach der 1. Strophe überhaupt weiter zu lesen...... da stehen mir zu sehr Intellekt, Aussage und Botschaft im Vordergrund … Aber bitte schön, wer's mag … Mein Ding ist es nicht … Herzliche Grüße
 

sufnus

Mitglied
Hey revilo,
auch hier hast Du mit Deinem Nachfassen einen freundlichen Reminder für mich gesetzt; hier habe ich ja sogar eine ganze Reihe von Kommentaren verpasst. Jetzt daher:
- erstmal Dankeschön an die Fee! :) Deine "& vs. und"-Aufdröselung hilft mir weiter! :)
- und lieben Dank auch an charlotte! Käptn Peng ist mir tatsächlich noch nicht über den Weg gelaufen, aber ich finds gut, dass sich dank Dir jetzt unsere Wege (wenn auch einseitig) kreuzen. :) Ich mags! :)
- dito lieben Dank an Michael L. - mir schwebt als Titel für meinen ersten Lyrikband ja eher etwas vor wie "ABBACDC - Greatest Hits" oder so. :D
- und was Dein Geschmacksurteil angeht, lieber revilo... da tröste ich mich einfach mit der alten Fußballweisheit Mal verliert man, mal gewinnen die anderen.
LG!
S.
 



 
Oben Unten