Versuch über die Hände meiner Geliebten

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Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich liebte die Bewegung ihrer feingliedrigen Hände, die so ruhig waren und einem tiefsinnigen Körper entsprangen und ich liebe noch jetzt ihre braungoldenen Augen, obwohl sie, sanft über dem Nichts aufgeschlagen, mit jener Dunkelheit koinzidieren die Ursprung und Ziel all unserer Sehnsüchte ist. Sie (und nur sie) war meine Morgenröte des Gemüts, meine Erheiterung und Erleichterung inmitten eines von Melancholie getrübten Lebens, meine Lebendigkeit. Das Faszinierende, Fesselnde an ihren Bewegungen war, das sie Geistigkeit austrahlten, wie ein kluger, leichter, reicher Gedanke, aber es war keine wirkliche Philosophie, nur die ungetrübte Ahnung von etwas Tieferem - die Beweglichkeit als Nuance. Seitdem schaue ich den Leuten auf die Hände, aber alle anderen Hände wirken grob und wie ein fahrlässiger Fehler des Fleisches. Ich habe Hände gesehen, müde Hände, Feierabend-Hände, welke Hände, grobe Hände, Schweinshälften-Hände, Stacheldraht-Hände und Hände, die immer ein wenig zu tief im Zeigen verwurzelt, in ihre Symbolik verheddert waren, aber nie wieder solche wie die ihren. Die Zartheit ihrer Berührung war - alle Geheimnisse entspringen einer gewissen und ursprünglichen Gehemmtheit- eine poetische Hemmung vor dem Objekt, so, als gehörte ihr Tastsinn der Welt der Ideen an und hinge nicht an dem bisschen Stoff, aus dem unsere Körper gebildet sind. Und das war das ganze Geheimnis meiner Liebe, sie war ein Körper, ohne je auf der Ebene der Körperlichkeit heimisch gewesen zu sein, ein Idee, inmitten eines wachsenden Krebsgeschwüres an Leibern.
 
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