Liebe Vera-Lena,
vielen Dank für das intensive Lesen
.
da schlägst Du einige Purzelbäume zwischen dem Ich und dem Du, aber das ist vielleicht auch die Grundaussage dieses kurzen Textes.
Da hast du vollkommen recht
.
Es stimmt, dieser Vierzeiler wirkt sehr undurchsichtig, LyrIch & DU verschmelzen, es ist nicht wirklich logisch strukturiert - vielleicht weil einfach zu viel drinsteckt. Um ausdrücken zu können, was ich meine, hätte ich daraus eigentlich ein ganzes Sonett machen sollen ;-) - aber das Gefühl war in dem Moment so intensiv, dass ich es unmittelbar ausdrücken und nicht "aufblasen" wollte, und den Transparenzverlust akzeptierte. Um so mehr freue ich mich, dass ich dieses grundsätzliche Gefühl anscheinend rüberbringen konnte
) (An dieser Stelle vielen Dank an alle für die positiven Bewertungen. Das bedeutet mir sehr viel!).
Am ehesten verstehe ich die Schlusszeile:
Das hört sich sehr nach Sterbenwollen aus Liebeskummer an.
Wenn das Herz ausgewandert ist, was soll dann aus dem Rest werden. Wer soll es beleben, durchbluten mit Wärme erfüllen?
Das ist eine tolle Interpretation, die ich so nicht beabsichtigt habe (oder vielleicht nicht bewusst ;-)).
Ich wollte mit den letzten Sätzen in gewisser Weise die Aussage "Du hast mein Herz. Ich will es nicht zurück.", wie man sie häufig hört, verdrehen (Zugegebenerweise hieß der letzte Vers anfangs tatsächlich so ;-)). Aber "Du hast mein Herz" impliziert ein gewisses Aktiv-Sein seitens des DU, und "Ich will es nicht zurück" eine gewisse Kontrolle seitens des LyrIchs. Beides ist aber in so einer Situation nicht vorhanden, insofern wäre so eine Aussage sinnentlehrt.
Aber ich fange mal vorne an ;-). Wenn LyrIch & Du sich gegenüberstehen, zerbricht das Bild des DU immer wieder aufs Neue im LyrIch - er ist nun so fremd, so kalt, und das äussert sich in seinem Nicht-Verstehen: Das DU kann nicht verstehen, wie das LyrIch ihn immer noch, aus den Scherben heraus, als ganzes, also unversehrt sehen kann. Es ist sehr zweideutig: Zum einen zerbricht das DU zwar im LyrIch dadurch, dass das DU sich verhält, wie es sich verhält. Aber zum anderen kann das LyrIch anscheinend das Bild immer wieder zusammenfügen - warum das LyrIch das macht, ist dem DU unbegreiflich.
Aber das Herz des LyrIch hat gewählt: Es bevorzugt, dem DU "treu" zu bleiben, das DU immer noch "ganz" zu sehen - und gibt das LyrIch auf, lässt das LyrIch zerbrechen. Das Sterbenwollen wäre eine intensivierung dieser Aussage.
Ich hoffe, ich konnte dir etwas helfen. Meine eigene Interpretation ist ziemlich schwammig ;-), aber wie du schon richtig sagtest: "Worum es geht empfindet man auch ohne den Intellekt auf superscharf einzustellen." Deine Interpretation war zum großen Teil richtig, nur hast du die dritte Zeile anders gedeutet, als ich sie meinte: Ich meinte sie als eine Erläuterung des "Nicht-Verstehens" des DU (deshalb der Doppelpunkt), du deutest sie als Aussage des LyrIchs selbst. Das ist natürlich schon ein wichtiger Unterschied. Hast du eine Idee, wie ich es deutlicher machen könnte?
Lieben Gruß,
Julia