Vision

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G. Neville

Mitglied
In einem Meer aus Blut werdet ihr waten,
Im stinkenden Hades der Entehrten braten.
Schreiende Wut wird sein euer täglich Brot,
Kein wehrhafter Engel wird lindern eure Not.

Flammende spektralfarbene junge Gesichter;
Nackte Jünglinge tanzen wie verlorene Lichter
Auf einem länglichen glühenden Rost
Werden sie liegen gleich gebratener Kost.

Kühlender Regen wird ihnen verwehrt sein.
Ihr Blut wird verwandelt in süßlichen Wein.
Kruzifixe wird man in schwarzes Pech tauchen
Und lachend die gläsernen Pfeifen schmauchen.

Güldenes Licht wird sich tausendfach brechen.
Dämonen mit den Siegern um die Wette zechen.
Der Verlierer muss den Siegern die Töchter schenken,
Diese werden ihnen genüsslich alle Glieder verrenken.

Ein Kind leckt an einer Marzipankugel
Inmitten eines infernalischen Trubel.
Der heilige St. Georg mit dem Schwerte
Wird folgen der blutigen Fährte.

Eine einsame gärende Hetäre
Reinigt mit Blut bespritzte Altäre.
 
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lietzensee

Mitglied
Hallo Neville,
für mein Verständnis hängen viele Bilder in deinem Gedicht etwas schief. Oft scheint der Reim wichtiger zu sein, als stimmige Assoziationen. Die Sprache wirkt auch überladen. Ich würde raten, hier etwas abzurüsten und nur gezielte Highlights zu setzen. Die wirken dann um so mehr.

Ein Beispiel:
Kruzifixe wird man in schwarzes Pech tauchen
Und lachend die gläsernen Pfeifen schmauchen.
Was passiert dann mit den lackierten Kruzifixen? Da du den Gedanken nicht weiter führst, entfaltet die Zeile keine Wirkung. Man könnte glauben, die Dinger werden anschließend zum Trocknen an die frische Luft gestellt.
Wer raucht Pfeife? Das "man" aus der vorherigen Zeile lässt keine Bilder in meinem Kopf entstehen. Man hat auch keinen Anhaltspunkt, warum gelacht und geraucht wird. Wenn du "die" gläsernen Pfeifen schreibst, dann klingt das, als sollte der Leser die Pfeifen kennen. Aber das tut er nicht. Die Zeile hat keinen Bezug zum Rest des Gedichtes, weder logisch noch thematisch. "Pfeifen schmauchen" klingt zudem merkwürdig gemütlich für ein Höllengedicht.

Ich würde auch raten, Protagonisten klarer zu benennen und das dann durchzuhalten. In der ersten Strophe sprichst du jemanden mit "ihr" direkt an. In der zweiten Strophe redest du dann von Jünglingen in der dritten Person. Sind das weiter die, welche du mit "ihr" angesprochen hast?

Viele Grüße
lietzensee
 
G

Gelöschtes Mitglied 23450

Gast
Schauderhaftes gereimtes Gerede ... und das im Ungereimten


"Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen!" Helmut Schmidt


Rudi Esche
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Hallo G.,

die Kommentatoren und Bewerter werden Deinem Gedicht nicht gerecht.
Zunächst einmal genört es natürlich ins "Gereimte", dorthin habe ich es verschoben.
Zudem kennzeichnet der Titel es als Gedicht eines bestimmten Genres, nämlich der Prophetensprache, der Apokalypsen.
Und für solche Visionstexte ist es typisch, daß die Bilder oft nicht so zusammenhängen wie in einer Erzählung. Auch sonst können in dichter Dichtung die Verse in harten Sprüngen voneinander isoliert erscheinen, Bild auf Bild, wie z.B. bei Rimbaud oder Trakl.
Was passiert dann mit den lackierten Kruzifixen? Da du den Gedanken nicht weiter führst, entfaltet die Zeile keine Wirkung. Man könnte glauben, die Dinger werden anschließend zum Trocknen an die frische Luft gestellt.
Wer raucht Pfeife?
Gläserne Preifen sind Haschischpfeifen. Und wenn nicht, dann sind sie eine hübsche selbstbezügliche Metapher für transparente Symbolik.

grusz, hansz
 

G. Neville

Mitglied
Hallo hansz,
vielen Dank für die fachkundige Einordnung hinsichtlich des Genres - nämlich der Prophetensprache, der Apokalypsen.
Zu der Zeit, als ich diese Zeile schrieb, hatte ich mich mit der "Offenbarung des Johannes" beschäftigt. Und prompt fühlte ich mich auch wie ein kleiner Prophet. :) Denn wie heißt es so schön: Quellhort der Inspiration ist die Imagination.

In diesem Sinne

Beste Grüße
G.Neville
 

lietzensee

Mitglied
Zudem kennzeichnet der Titel es als Gedicht eines bestimmten Genres, nämlich der Prophetensprache, der Apokalypsen.
Und für solche Visionstexte ist es typisch, daß die Bilder oft nicht so zusammenhängen wie in einer Erzählung.
Das mag sein. Mir ist auch klar, dass nicht jeder Text eine stringente Handlung braucht. Manche Texte leben von freier Assoziation. Aber gerade dann müssen die einzelnen Bilder und Gedanken genau sitzen. Sie müssen den Text zusammenhalten, indem sie zusammen eine Stimmung geben, ein Bild durchschimmern lassen. Für mich scheitert dieses Gedicht genau daran. Das Ganze ist hier weniger als die Summe seiner Teile. Und schon die Teile haben Materialschäden.

Ich finde, da sind dir andere Texte besser gelungen, Neville.

Gläserne Preifen sind Haschischpfeifen.
Hasch "schmauchen"? Da kann ich dann wirklich nicht mithalten.

Viele Grüße
lietzensee
 
Zuletzt bearbeitet:

Mimi

Mitglied
Aber gerade dann müssen die einzelnen Bilder und Gedanken genau sitzen. Sie müssen den Text zusammenhalten, indem sie zusammen eine Stimmung geben, ein Bild durchschimmern lassen. Für mich scheitert dieses Gedicht genau daran. Das Ganze ist hier weniger als die Summe seiner Teile. Und schon die Teile haben Materialschäden.
Das sehe ich ähnlich...
Teilweise sind die Reime eher ungewollt komisch und im inhaltlichen Zusammenhang betrachtet völlig unpassend.
Eine einsame gärende Hetäre
Reinigt mit Blut bespritzte Altäre.
Das Bild ist wirklich schräg.... ist diese "gärende Hetäre" so etwas wie ein Hefeteig mit Brüsten und zwei Beinen, die sich als Putzfrau betätigt..?

Gruß
Mimi
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Aber gerade dann müssen die einzelnen Bilder und Gedanken genau sitzen. Sie müssen den Text zusammenhalten, indem sie zusammen eine Stimmung geben, ein Bild durchschimmern lassen.
Das von einem Kommentator, der noch nie ein Gedicht hier eingebracht hat?
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Teilweise sind die Reime eher ungewollt komisch
ein nicht unwichtiges Kriterium, liebe Mimi.
Und ein Paradoxon, das als Totschlagargument (zu-) klappt: Wenn Reime gewollt komisch sind, dann sind sie nicht komisch.
Die Apokalypsen (bzw. deren Parodien) haben seit Hoddis gerne eine Art Abzweigung ins Surreale, wo das, was komisch klingt, mit dem Nihilismus der Verzweiflung schwanger geht. Oder die Litanei der kaputten Entwicklungssackgassen ausufern läßt, nahe an der Satire, aber vielleicht eher als selbstwidersprüchliches Resignationsgeschwätz.

grusz, hansz
 

Mimi

Mitglied
Ist das Werk denn eine Parodie einer Apokalypse?

Der Autor hat sich, wie er selbst schrieb, von der 'Offenbarung des Johannes' inspirieren lassen... allerdings scheitert der Text meiner Meinung nach mit seinen konglomeratartigen apokalyptischen Sprachbildern an seiner eigenen Bezugslosigkeit und Sinnverlust.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Aber gerade dann müssen die einzelnen Bilder und Gedanken genau sitzen. Sie müssen den Text zusammenhalten, indem sie zusammen eine Stimmung geben, ein Bild durchschimmern lassen.
Das ist nicht "stichhaltig". Dieses Kriterum kann man nicht einmal auf Rimbaud anwenden.

Und "Stimmung" ... ?? - bevor ich hier hinschreibe, für wen "Stimmung" was ist, übe ich mich lieber in Zurückhaltung, sonst wird unfein.
Und "durchschimmernde" Bilder ... sitzen nicht genau.

grusz, hansz
 



 
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