Vom Nutzen der Wissenschaft

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gareth

Mitglied
Wär ich ein Mann der Wissenschaft,
dann würd ich meines Geistes Kraft,
zum Lob des Intellektuellen,
ganz in den Dienst der Menschheit stellen
und rasch zu drei der größten Fragen,
klar das Erforderliche sagen
und zwar so einfach wie es geht,
natürlich, dass man´s auch versteht.

Das Erste wär, ich würd beweisen,
dass nie ein Gott je existiert´,
jedoch von interessierten Kreisen
mit ihm stets unsre Angst geschürt,
um ungestört und nach Belieben
dann Macht in Ruhe auszuüben.
So haben sie´s seit je gemacht.
Höchst einfach, sicher und durchdacht.
Sobald die Menschheit das erkannt,
wär immerhin mal das gebannt,
was Papst und Waffenproduzent
ergriffen Religionskrieg nennt,
und niemals mehr müsst man begegnen
Pfaffen, die die Waffen segnen.

Danach gedächt ich zu belegen,
auf unbezweifelbaren Wegen,
wie sinnlos, grausam und vermessen
es ist, wenn Menschen Tiere essen.
Rasch klärte die Ernährungsfrage
ich rein auf Grund der Faktenlage:
Wir kriegen alles, was vonnöten
auch ohne jemanden zu töten.
So kämen wir nach langer Zeit
vielleicht zu wahrer Menschlichkeit
und könnten denen, die uns trauen,
dann aufrecht in die Augen schauen.

Als Drittes würde ich was leisten,
was immer schon die allermeisten
der Männer ohnehin behaupten,
jedoch nicht wussten, sondern glaubten,
und zwar, dass niemand, wenn er Mann,
die Frauen je verstehen kann.
Darüber gäb`s dann nie mehr Streit
auf Grund der Wissenschaftlichkeit.
Besonders hilfreich wär mein Schluss,
dass man sie nicht verstehen muss!
und doch, hört´ man auf meinen Rat,
recht lang an ihnen Freude hat.
Darauf, das sag´ ich ohne Scheu,
wär ich sehr stolz, denn das wär neu!

Ihr seht, es nützte Allen sehr,
wenn ich ein Wissenschaftler wär.
Doch wies ich eingangs schon drauf hin,
dass ich ja leider keiner bin.
Und demzufolge muss ich nun
vor unserm Herrgott Buße tun,
ihn bitten, wenn´s auch garnichts nützt,
dass er die Tiere vor uns schützt
und nächtens weiter sinnlos flehn,
dass er mir hilft, das Weib verstehn.

Siehst du, oh Mensch, wie hart es ist,
wenn du kein Wissenschaftler bist?
Das ist ja aber auch zum Weinen:
nie wirklich wissen. Immer meinen.
Stets muss man andre Leute fragen
und dann noch glauben, was sie sagen.
Es hilft allein, ich sagt´ es schon
der Weg der Qualifikation

Ich denk, wir haben uns verstanden:
nutz Deinen Geist, soweit vorhanden
und geh zur Universität.
Was mich betrifft, da ist´s zu spät.
 
L

Lotte Werther

Gast
Uff Gareth,

da hast einen redseligen, pardon schreibseligen Tag gehabt.
So viel gereimten Small-Talk um den Kern herum hab ich bei dir noch nicht gelesen.
Die Reime sind aber lustig und der Rhythmus darf ruhig dem Humor mal untergeordnet werden.
Die drei Strophen deiner Lösungsvorschläge finden meine Zustimmung. Und am meisten gelacht hab ich bei deinen Überlegungen zur Frage Mann - Weib.

Erheitert versichert dir das

Lotte Werther
 

blaustrumpf

Mitglied
Hallo, gareth

Der Text gefällt mir sehr gut. Was ihn aus der allgemeinen Spaßdichtung aber in meinen Augen besonders heraushebt ist eine Zeile:
nie wirklich wissen. Immer meinen.
Das ist so genau und gleichzeitig so schön in seiner Hilflosigkeit, dass sich mein Enthusiasmus nicht einbremsen lässt, mir die die weitere Analysefähigkeit raubt und die klickbereite Maus ganz nach rechtsaußen schubst. Zu Recht.

Schöne Grüße von blaustrumpf
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Endlich mal wieder ein Text, in dem das Wort "Weib" nicht als Schimpfwort genutzt wird.

...

Doch gib acht:

Die Wissenschaft glaubt von sich sehr,
dass sie stets überlegen wär
dem scharfen Sinn gemeiner Leute,
doch stürzt sie sich wir eine Pest
aufs Volk, wenn man sie eben lässt.
So sagt sie völlig überzeugt:
seht zu, dass ihr euch völlig beugt
vor unsern wunderbaren Zahlen,
es sei denn, vor den nächsten Wahlen,
und darum geben wir euch listig
ganz wissenschaftlich die Statistik
und sagen: Politik, dafür
gebt ihr uns ehm mal ne Gebühr
für jeden Eintritt in die Praxis,
so sei es eben und so mag sie's
als reine Wissenschaft der Zahlen
erleben bis zun nächsten Wahlen.
Und dann schau her: Ein Tier ist dreist,
weil es im Innern mich zerbeißt,
statt sich (ich würde es verehren)
mal vegetarisch zu ernähren.
Mit Hilfe meiner Wissenschaft
geb ich ihm etwas Fenchelsaft,
worauf es bebend mir entflieht
und hungrig dann von dannen zieht.
Der liebe Gott, ich gäb was drum,
wär ich's nicht selbst, es ist zu dumm,
denn gestern sprach die Liese flott
zu mir: O Bernd, O Gott, o Gott.
Weil ich sie eben nicht verstund,
sprach sie: Halt endlich deinen Mund,
sieh zu, dass du jetzt machen tust
das was du machen sollst und musst.
 

Herr Müller

Mitglied
Feine Meterware

Ich war stets glücklich, wenn eine Stelle kam, wo ich Luft holen konnte. Die Sätze haben es aber auch in sich. Das heißt aber nichts Schlechtes, sondern, dass selbige Teilsätze sich aneinanderreihen wie Perlen auf die Schnur gezogen. Vom Aufbau her perfekt, denke ich, so weit ich das einschätzen kann, vom Inhalt her kann man sich streiten.
Ob man die Dinge der Welt , des Lebens wirklich einfacher sieht, wenn der Kopf vollgestopft wird mit dem angeblichen Wissen der Welt? Aber es hat ja jeder seinen eigenen Kopf und die einzigen Menschen die noch was "begreifen" sind unsere Babys. :)

Herzliche Grüße
Herr Müller
 

LuMen

Mitglied
ein Sack voller Lebensweisheiten

Hallo gareth,

trotz einiger Längen - ich mußte wie Herr Müller ab und zu Luft holen - eine sehr amüsante (fast) "wissenschaftliche Abhandlung"!
Im Formalen nur ein einziger kleiner Fehler, jedenfalls soweit ich sehe: Die Pfaffen am Ende der vierten Strophe ordnen sich nicht richtig ein. Um wieder den Jambus aufzunehmen, müßte eine unbetonte Silbe vorangehen, ein "den" oder auch "solch".

Herzliche Grüße
LuMen
 

gareth

Mitglied
Uff, Gareth, ist gut gesagt,

Lotte Werther.
Es ist lang geworden das stimmt, aber es waren Tage! Tagenden! :eek:) Ich würde es gern gekürzt haben wollen, aber ich hab mich dann nirgends ran getraut. Wirklich wahr.
Herr Müller und LuMen haben die Länge am Ende dann gottseidank hingenommen und eine insgesamt positive Bilanz gezogen, worüber ich mich wirklich gefreut hab. Die "Pfaffen", LuMen, die sollten so ein bisschen herausknallen. Das ist so gewollt. Es wäre eine deutliche Schwächung meiner Abneigung dem beschriebenen Vorgang gegenüber, wenn da ein noch Wort vorher käme. Jedenfalls denke ich das.

Bernd hat sich zu einem neuen Werk, wenn nicht gar einer Gegendarstellung, inspirieren lassen. Was kann man sich noch wünschen?!

blaustrumpf danke ich wortlos!

Meine Haltung zur Wissenschaft an sich ist natürlich sehr viel differenzierter und vor allem kritischer :eek:) Allerdings gibt es m.E. tatsächlich keinerlei Alternative zu diszipliniertem (natur-)wissenschaftlichem Arbeiten, wenn es darum geht, neues Wissen zu erwerben.
Was meine drei "wissenschaftlichen Lösungen" angeht, über die man echt streiten kann!, so entsprechen die ersten beiden meinen lebenslang gewachsenen, wenn auch nicht konsequent gelebten, Überzeugungen (ich bin ein Verehrer Bach´scher Kirchenmusik und esse, mit abnehmender Tendenz, immer noch Fleisch), während die letzte reiner, aus der Verzweiflung geborener Unfug ist :eek:)

liebe Grüße, gareth
(gott, ist das jetzt lang geworden)
 

gareth

Mitglied
Grad bin ich nach langer Zeit noch einmal über das

"Uff Gareth" gestolpert, mit dem Lotte Werther, vielleicht doch zu Recht, ihren damaligen Kommentar eingeleitet hat. Einem Impuls (oder vielleicht auch ihren langjährigen Erziehungsbemühungen) folgend, habe ich nun den ganzen Einleitungsteil heraus geschnitten. Mir blutet das Herz :eek:) aber möglicherweise ist das Opfer angebracht, weil der Hauptteil eigentlich alles Wesentliche transportiert und die "Moral" am Ende ja noch erhalten bleibt :eek:).
Ganz sicher bin ich nicht, und da ich ohnehin nichts wegschmeißen kann, lagere ich die Einführung einfach hier ein.

Wie leicht kann man uns Menschen lenken,
wenn wir nicht willens sind zu denken,
zu falschem Handeln uns verführen,
wenn wir die Sachen nicht studieren,
die Mächtigen in jedem Land
seit je als nützlich sind bekannt.
Da gibt´s spezielle Disziplinen,
derer sie gerne sich bedienen,
wie jene von der Art der Massen
und wie sie sich verführen lassen
und jene auch, von Volkes Geld
und wie man´s nimmt. Ein weites Feld!
Doch sind sogar Ernährungsfragen
höchst wesentlich in uns´ren Tagen,
und so gibt´s manche Wissenszweige
bei denen ich zur Ansicht neige,
dass man mit ihrer Kenntnis leicht
beim Volk das, was man will, erreicht
und es mit bösem Willen dann
am Ende auch missbrauchen kann.

Doch hilft es nichts, sie nur zu nennen,
ich sage euch, man muss sie kennen.
So lehrt zum Beispiel die Geschichte,
dass uns studierte Bösewichte,
sehr abgebrüht und raffiniert,
in einen Krieg manipuliert,
und das ist eins nur von so vielen
verwerflichen Verführungszielen,
deshalb ist´s wichtig, wie ihr seht,
genau zu wissen, wie es geht.
Es braucht auf sämtlichen Gebieten
integ´re ethische Eliten,
die wissen, welche Tricks wem nützen
und dann die anderen davor schützen.
Dies rufe ich euch in den Sinn,
der ich kein Wissenschaftler bin.
Von dem, was jetzt wohl klar sein sollte
zu dem, was eigentlich ich wollte:
 

Pseudolin

Mitglied
Hallo Gareth,

ich finds klasse. In allen drei Teilen.

Nur die Einstellung zu den leckeren Tierchen teile ich nicht so ganz *G*.

Schön die Einleitung nun auch lesen zu können, die mir sonst verwehrt geblieben wäre.



Grüße Pseudolin
 



 
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