Vom Regen in die Traufe

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Julia N.

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Flip, flop, flip, flop. Meine ausgelatschten alten Sommersandalen schlurften mit mir zusammen über die Promenade und machten ihrem Namen alle Ehre. Ich ging mit Helga, Jürgen und ihrem Enkel Jan, die mich mit Erlaubnis meiner Eltern mitgenommen hatten, zum Strand. Heute war nach einer Woche Regen der erste warme Tag hier auf Lanzarote und ich freute mich auf Schwimmen im Meer, Sonnen und Relaxen, doch es sollte anders kommen.



Als wir vor einer Woche gelandet waren, goss es wie aus Eimern. Beim Begrüßungsgespräch im Hotel am nächsten Morgen waren nur zwei Familien dabei. Helga, Jürgen, Jan, meine Eltern und ich. Die Tante vom Reiseanbieter, wie ich sie nannte, erklärte uns, dass Lanzarote eine karge Insel sei. Es hätte seit Wochen nicht mehr geregnet, daher freuten sich hier alle Einwohner über diesen wohltuenden Wetterumschwung. Nur wir Touris freuten uns nicht. Wir änderten unseren Plan und fuhren eine Woche mit dem Mietwagen über die Insel und sahen uns Skulpturen von César Manrique an. Für meine Eltern war das eine willkommene Alternative, ich war erst 13 und fand es alles andere als interessant. Daher hatte ich mich nach einer Woche Helga, Jürgen und Jan angeschlossen, die auch zum Strand wollten.



Endlich ging es los, es lag ein angenehmer Duft von salzigem Meerwasser, gepaart mit Sonnenmilch in der Luft, herrlich. Der Weg würde laut Reiseführer nur fünf Minuten zu Fuß dauern. Da konnte doch wohl nichts mehr schiefgehen, oder?
Auf einmal kam uns ein braungebranntes Mädel mit Shorts und Trägertop entgegen.
„Einen schönen guten Morgen, ich bin Susi.“
Jürgen und Helga blieben interessiert stehen.
„Heute ist euer Glückstag, ich habe Lose für euch. Jedes Los ein Gewinn. Greift zu“, flötete sie gutgelaunt.
Nein, ich will zum Strand, dachte ich.
„Gerne“, sagte Jürgen und nahm ein Los.
Helga und Jan machten es ihm nach.
„Yeah, ich habe Flip-Flops gewonnen“, jubelte Jan.
Ach schade, ausgerechnet der gewinnt jetzt auch noch Flip-Flops, dabei sieht doch Jeder, dass ich die viel dringender nötig hätte, meine fallen doch schon auseinander, dachte ich.
„Ich habe einen Cocktail gewonnen. Jürgen, was steht denn bei dir?“, fragte Helga
„Ein Frühstück“
Auf einmal schrie Susi auf und klatschte begeistert in die Hände.
„Nein, das gibt es doch nicht. Ein Frühstück! Das ist der Hauptpreis, den könnt ihr euch im Hotel Sonnenblick abholen. Wollt ihr jetzt einfach mit mir kommen? Mein Pick-up steht gleich hier um die Ecke.“
Nein, auf gar keinen Fall, ich will zum Strand, dachte ich.
„Gerne“, sagte Jürgen und lief Susi hinterher.



Im Hotel Sonnenblick angekommen bekamen wir natürlich alle ein Frühstück und einen Cocktail. Wenigstens etwas, dafür sind wir eine viertel Stunde gefahren. Ich fragte mich, ob, wann und wie wir jemals wieder hier wegkämen. Jan war auch nicht mehr so gutgelaunt. Wir sahen wehmütig den anderen Gästen beim Planschen im Pool zu. Wenn es das Sprichwort ‚vom Regen in die Traufe‘ nicht schon gäbe, müsste es für uns erfunden werden. Ich versuchte mehrfach, Jürgen zu überzeugen, von hier wegzugehen. Leider vergebens. Er und Helga waren zwar schon etwas älter, bestimmt schon über 60, aber sie mussten doch trotzdem merken, dass das hier eine von diesen Touristenfallen war, oder etwa nicht?



„Das ist Kai Wolfsbach, der Manager des Hauses“, stellt Susi den großgebauten Mann mit Schnäuzer und Nickelbrille vor.
„Herzlich Willkommen im Hotel Sonnenblick. Ich hoffe, sie genießen Ihren Aufenthalt bei uns. Wir haben da wirklich sehr reizvolle Angebote für Sie. Möchten Sie einmal schauen?“, fragte Herr Wolfsbach und breitete einen Ordner auf dem Tisch aus.
Nein, keine Zeit, wir wollen zum Strand, dachte ich.
„Gerne“, sagte Jürgen und nahm sich den Ordner.


„Was bedeutet Time-Sharing?“, fragte Jürgen, nachdem er eine gefühlte Ewigkeit den Ordner studiert hatte.
„Das ist einfach erklärt. Sie kaufen das Recht, für eine bestimmte Zeit im Jahr ein voll ausgestattetes Appartement in unserem Hotel zu bewohnen. Sie zahlen einen Pauschalpreis und können dann so oft im Jahr dieses Appartement nutzen. Es muss natürlich dann auch frei sein“, erklärte Herr Wolfsbach.
Jürgen lächelte und flüsterte Helga etwas zu.
Ich schielte unauffällig zu Jan, der mit den Augen rollte. Wir wollten beide hier weg.
„Das klingt interessant. Ich würde mir gerne mal ein Appartement anschauen. Gibt es hier auch Mittagessen?“, fragte Jürgen.
„Das lässt sich einrichten“, stellte Herr Wolfsbach fest.
„Susi, führ die vier doch mal ein bisschen rum, ich komme nach dem Mittagessen nochmal, dann können wir die Formalien klären.“



„Herr Wolfsbach, da sind Sie ja wieder, das Essen hat uns allen vorzüglich geschmeckt“, erklärte Jürgen und rieb sich demonstrativ über den Bauch.
„Könnten wir vielleicht noch einen Nachtisch bekommen?“
„Aber natürlich. Lassen Sie uns doch jetzt mal über den Vertrag reden. Sie konnten sich jetzt sicher ein gutes Bild von unserem Hotel machen. Welches Paket kommt da für Sie in Frage?“
„Da meine Frau und ich demnächst in Rente gehen, könnte ich mir vorstellen, sehr oft hier zu wohnen, vielleicht das halbe Jahr“, antwortete Jürgen.
„Wie?“ Herr Wolfsbach wurde ein wenig blass um die Nase, das Gespräch lief wohl nicht wie gewohnt.
„Nein, so ist das nicht gedacht. Es muss sich für beide Seiten lohnen“, teilte er Jürgen mit.
„Wirklich nicht? Dann war das alles ein großes Missverständnis.“
Jürgen stand auf und ließ den irritierten Herrn Wolfsbach zurück. Wir anderen folgten ihm erleichtert.

„Puh, ist ja gerade nochmal gut gegangen“, stieß ich aus, als wir am Nachmittag den Strand erreichten. „Bin froh, dass wir jetzt endlich hier sind.“
„Hier, für dich.“ Jan reichte mir die gewonnenen Flip-Flops.
„Schenke ich dir, damit du deine alten Latschen mal aussortieren kannst“, fügte er grinsend hinzu.
Prima Andenken an diesen wundervollen ersten warmen Urlaubstag, fällt mir ein.
„Ein toller Ausflug, jetzt sind sogar alle satt“, fügte Jürgen noch hinzu.
 
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jon

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Hallo Julia,

die Geschichte hat mir gut gefallen, ich würde nur Details ausbessern.

Das erste ist der Titel: Ich sehe nicht, was der mit dem Text zu tun hat. Diese Redewendung steht für „raus aus der einen miesen Lage, sofort rein in die nächste miese Lage“. Die Lage, in die die Erzählerin (ich denke mir das Ich weiblich, was streng genommen durch den Text nicht begründet ist) reinkommt, erweist sich letztlich aber als gar nicht sooo misslich.

Aus der Rubrik Formales: Die „Löcher“ (Mehrfach-Leerzeilen) stören. Es wäre auch nicht ausreichend, sie auf Einfach-Leerzeilen zu reduzieren, weil ein so kurzer Text mit derart fließender Handlung nicht so zerpflückt sein sollte. Ab und an müsstest du deshalb umformulieren, damit die Leerzeilen entbehrlich werden.

Weitere Detail:

Flip, flop, flip, flop. Meine ausgelatschten alten Sommersandalen schlurften mit mir zusammen über die Promenade und machten ihrem Namen alle Ehre. Ich ging mit Helga, Jürgen und ihrem Enkel Jan, die mich mit Erlaubnis meiner Eltern mitgenommen hatten, zum Strand. Heute war nach einer Woche Regen der erste warme Tag hier auf Lanzarote und ich freute mich auf Schwimmen im Meer, Sonnen und Relaxen, doch es sollte anders kommen.
Unterstreichung 1: Das klingt zu gewollt „originell“. Die Sandalen schlurfen ja nicht und das Lyrische Ich tut es nicht auch (also von den Sandalen losgelöst), sodass man von zusammen reden könnte.
Das Wort ausgelatscht macht das Wort alt überflüssig – neue Sandalen sind nicht ausgelatscht.
Unterstreichung 2: Womit genau machen sie den Namen Sommersandalen Ehre?
Der dritte Satz ist zu verschachtelt. Das Gestrichene kann weg, der folgende Absatz erklärt ja, wie das LyrIch zu Helga, Jürgen und Jan steht. Oder man formuliert um.
Der letzte Teilsatz ist hochgradig entbehrlich und erzeugt nicht die Spannung, die du wahrscheinlich erzeugen willst. Im Gegenteil - dieses Anfänger-Vehikel nimmt der dann kommenden Wendung den Wind aus den Segeln. Ohne diesen Teilsatz teilt man als Leser die Hoffnung des LyrIch auf den Strand, mit den Vehikel weiß man de facto von vornherein, dass diese Hoffnung enttäuscht wird.
Idee:
Flip, flop, flip, flop. In meinen ausgelatschten Sommersandalen schlurfte ich über die Promenade. Ich war gemeinsam mit Helga, Jürgen und ihrem Enkel Jan auf dem Weg zum Strand. Heute war nach einer Woche Regen der erste warme Tag hier auf Lanzarote und ich freute mich auf Schwimmen im Meer, Sonnen und Relaxen.

Als wir vor einer Woche gelandet waren, goss es wie aus Eimern. Beim Begrüßungsgespräch im Hotel am nächsten Morgen waren nur zwei Familien dabei. Helga, Jürgen, Jan, meine Eltern und ich. Die Tante vom Reiseanbieter, wie ich sie nannte, erklärte uns, dass Lanzarote eine karge Insel sei. Es hätte seit Wochen nicht mehr geregnet, daher freuten sich hier alle Einwohner über diesen wohltuenden Wetterumschwung. Nur wir Touris freuten uns nicht. Wir änderten unseren Plan und fuhren eine Woche lang mit dem Mietwagen über die Insel und sahen uns Skulpturen von César Manrique an. Für meine Eltern war das eine willkommene Alternative, ich war erst 13 und fand es alles andere als interessant. Daher hatte ich mich nach einer Woche mit Erlaubnis meiner Eltern Helga, Jürgen und Jan angeschlossen, die auch zum Strand wollten.
Beim ersten Satz stimmen die Zeitformen nicht. Es müsste m. M. n. hatte gegossen heißen.
Unterstreichung 1: Hier könntest du die beiden Familien besser trennen. Idee: Helga, Jürgen und Jan und meine Eltern und ich.
Unterstreichung 2: Das sagtest du schon.
Wenn du oben das mit der Erlaubnis streichst, kann du es hier einfügen.

Endlich ging es los, es lag ein angenehmer Duft von salzigem Meerwasser, gepaart mit Sonnenmilch in der Luft, herrlich. Der Weg würde laut Reiseführer nur fünf Minuten zu Fuß dauern. Da konnte doch wohl nichts mehr schiefgehen, oder?
Es war schon vor dem ersten Absatz losgegangen, denn da schlurft sie ja schon über die Promenade.
Das herrlich würde ich deutlich mehr betonen. So: … es lag ein angenehmer Duft von salzigem Meerwasser und Sonnenmilch in der Luft. Herrlich.
Das Unterstrichene wirkt ähnlich wie das Vehikel oben. Das kannst du streichen.

Auf einmal kam uns ein braungebranntes Mädel mit Shorts und Trägertop entgegen.
„Einen schönen guten Morgen, ich bin Susi.“
Das mit klingt, als trüge sie es bei sich. Besser in.
Besser in einem Absatz, ohne Umbruch.
Ich würde beim Hochdeutsch/Standarddeutsch bleiben. Also Mädchen statt Mädel.

Ach schade, ausgerechnet der gewinnt jetzt auch noch Flip-Flops, dabei sieht doch Jeder, dass ich die viel dringender nötig hätte, meine fallen doch schon auseinander, dachte ich.
Das ist ein (1) Satz! Da wird geht einem beim Lesen glatt die Luft aus.

„Ich habe einen Cocktail gewonnen. Jürgen, was steht denn bei dir?“, fragte Helga
„Ein Frühstück.
Auf einmal schrie Susi auf und klatschte begeistert in die Hände.
Das klingt, als käme es anlasslos aus heiterem Himmel. Abgesehen davon: Warum schreit sie? ich würde sie nur klatschen lassen, das ist übertreibend genug.
Am Rande: Ein Stillehrer sagte uns (also einer Gruppe, bei der ich dabei war) mal, dass ein guter Texter ohne die Wörter plötzlich und auf einmal auskäme, er würde den Plötzlich-Effekt allein durch den Rhythmus hörbar machen. Das ist natürlich zugespitzt und hängt auch vom Erzählton selbst ab, aber wenn man versucht, diese Wörter nur im Notfall einzusetzen, achtet man mehr auf den Klang. Das übt.


Im Hotel Sonnenblick angekommen bekamen wir natürlich alle ein Frühstück und einen Cocktail. Wenigstens etwas, dafür sind wir eine viertel Stunde gefahren. Ich fragte mich, ob, wann und wie wir jemals wieder hier wegkämen. Jan war auch nicht mehr so gutgelaunt. Wir sahen wehmütig den anderen Gästen beim Planschen im Pool zu. Wenn es das Sprichwort ‚vom Regen in die Traufe‘ nicht schon gäbe, müsste es für uns erfunden werden. Ich versuchte mehrfach, Jürgen zu überzeugen, von hier wegzugehen. Leider vergebens. Er und Helga waren zwar schon etwas älter, bestimmt schon über 60, aber sie mussten doch trotzdem merken, dass das hier eine von diesen Touristenfallen war, oder etwa nicht?
dafür waren wir immerhin eine Viertelstunde gefahren
hätte es für uns erfunden werden müssen



Nein, keine Zeit, wir wollen zum Strand, dachte ich.
„Gerne“, sagte Jürgen und nahm sich den Ordner.
Diese Konstruktionen finde ich gut.

„Was bedeutet Time-Sharing?“, fragte Jürgen, nachdem er eine gefühlte Ewigkeit den Ordner studiert hatte.
Das ist unglaubhaft. Der Verkäufer würde Jürgen nicht einfach lesen lassen, er würde ihm dss Ohr abkauen und den Ordner dabei nur als optische Unterstützung benutzen. Ich verstehe das Problem, dass dieses Belatschern als wörtliche Widergabe nicht gut in den Text passt, aber das könntest du umgehen, indem du das LyrIch gedanklich abschweifen lässt.

„Susi, führ die vier doch mal ein bisschen rum, ich komme nach dem Mittagessen nochmal, dann können wir die Formalien klären.“



„Herr Wolfsbach, da sind Sie ja wieder, das Essen hat uns allen vorzüglich geschmeckt“, erklärte Jürgen und rieb sich demonstrativ über den Bauch.
Das ist die einzige Stelle, wo bei aktueller Textführung ein Sprung passiert, der eine Leerzeile rechtfertigen würde. Aber das würde unpassend wirken – eben weil die Erzählung ansonsten gut fließt. Ich würde hier mit ein, zwei Sätzen die Führung andeuten (das LyrIch und Jan könnten – wenn es dir ins Konzept passt – in dieser Zeit an den Pool gehen, Badesachen haben sie ja dabei). Dann das Essen erwähnen, damit auch da keine Leerzeile gebraucht wird.


„Wie?“ Herr Wolfsbach wurde ein wenig blass um die Nase, das Gespräch lief wohl nicht wie gewohnt.
„Nein, so ist das nicht gedacht. Es muss sich für beide Seiten lohnen“, teilte er Jürgen mit.
Hier darf kein Absatz gemacht werden, das ist ja quasi dieselbe Rede.

„Wirklich nicht? Dann war das alles ein großes Missverständnis.“ HIER KEIN NEUER ABSATZ
Jürgen stand auf und ließ den irritierten Herrn Wolfsbach zurück. HIER EIN NEUER ABSATZ Wir anderen folgten ihm erleichtert.
„Hier, für dich.“ Jan reichte mir die gewonnenen Flip-Flops. HIER KEIN NEUER ABSATZ
„Schenke ich dir, damit du deine alten Latschen mal aussortieren kannst“, fügte er grinsend hinzu.
Prima Andenken an diesen wundervollen ersten warmen Urlaubstag, fiel mir ein.
„Ein toller Ausflug, jetzt sind sogar alle satt“, fügte Jürgen noch hinzu.
Er kann das eigentlich nicht hinzufügen, es sei denn kommuniziert mit dem LyrIch auf telepathischem Weg.
 



 
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