Aufschreiber
Mitglied
Mein Schwiegervater sprach mich an: "Sag mal, ich hätte da ein Attentat auf Dich vor."
Das ist eine durchaus übliche Floskel, wenn er (was selten vorkommt) tatsächlich meine Hilfe in Anspruch nehmen möchte...
"Worum geht es denn?", fragte ich, sichtlich geehrt.
"Ach, mir ist da eine recht seltsame Sache untergekommen. Eine Bekannte erzählte mir, sie habe einen Briten kennengelernt, der sie nach Zeitzeugen aus der Nazizeit in unserer Region befragt hätte."
Ein wenig verständnislos muss ich wohl dann doch drein geschaut haben, denn ich bin jünger, als ich mitunter wirke. Ein solches Zeitzeugnis aber hatte mir bisher noch niemand angedichtet.
Wie sich herausstellte, war das auch in diesem Fall nicht geschehen, sondern eine andere meiner Eigenschaften sollte (aus)genutzt werden. - Meine Vorliebe für das Englische.
Die Geschichte - von der Historie einmal abgesehen - wie ich sie erfuhr, gab preis, dass der Mensch, welcher nach Zeuginnen oder Zeugen fahndete, ein Schriftsteller war - oder zu sein vorgab, welcher ein Buch - möglichst authentisch - niederzuschreiben sich anschickte. Wie sich zeigte, war dieser (an-)schickliche Vorgang quasi schon beendet und der Mensch suchte nun nach kundiger Information bezüglich einiger Geschehnisse, die er zwischen den Deckeln seines Werkes zu beleuchten gedachte.
Mein Schwiegervater, selbst nicht Zeuge der erwähnten Inzidentien, doch bekannt mit einer solchen, hatte diese bereits kontaktiert und ihr Einverständnis zur Lektüre und gegebenenfälligen Korrektur der fraglichen Passagen erlangt. Das verbleibende Problem, die werte Leserschaft mag es ahnen, bestand in der mangelnden Kompetenz beider, des Autors und der Lektorin, in der jeweils anderen Zunge.
Um meine Vorliebe wissend, hatte nun der Schwiegervater eine einfache Additionsaufgabe gelöst und annoncierte mir - meine Zustimmung eingeheimst habend - das Eintreffen einiger weniger Hundert Seiten aus dem Manuskript des bereits mehrfach im Hintergrund dieses Textes aufgetauchten vereint - königlichen Schreiberlings, dessen Namen er mir (aus eigener Unkenntnis) vorenthielt.
Nach einer mehrwöchigen Karenzzeit wurde mir auch, seitens des Postillions (hier nicht "d'amour"), ein Päckchen zugetragen, welches, mit der Forderung nach ultimativer Verschwiegenheit und gleichfalls dem strengsten Verbote jeglicher Intentions-überschrittlicher privater Ver- wend und besonders - Öffentlichung, einen Packen schreibmaschinell befüllter Papierplattlinge von sich gab, kaum dass die Aussenhüllen gefallen...
Freundlich-neugierig, wie ich nun einmal bin, begann ich, gemeinsam mit einem sehr tippfixen Freund, den Inhalt der Exzerpte in die deutsche Zunge (BSE-frei) zu translaterieren.
Über den Inhalt der blattfüllend getroddenen Äußerungen mag ich nur sagen, dass die Wechselfrequenz der subtabularen Schmalzcontainer den Charakter einer olympischen Sportart durchaus glaubwürdig imitierte. Auch der unverhohlene Deutschenhass war schlecht zu ignorieren ...
Dennoch, irgendwann hatten wir (ich diktierend, er tippend) uns durch die nicht unbedingt zusammenhängenden Textauszüge gekämpft. Die Seitenzahl lag, will mich mein Gedächtnis nicht hinterm Lichte ablegen, bei etwa achtzig.
Das mehrfach geprüfte Resultat wurde nun der alten Dame übergeben, die sich durch äußerst sachkundige und objektive (insofern, dass sie alle Schimpftiraden auf die Deutschen als solche überging und sich ausschließlich an die fragwürdigen Aussagen zu damaligen Ereignissen hielt) Kontrolle und umfassende Korrektur hervor tat.
Das Ergebnis erfuhr eine mindestens so akribische Rückübersetzung und wurde nebst originalem Schreibsel dem Herrn, dessen Name mir noch nichts sagte, rückgesandt.
Dieser, ob der erbrachten Leistungen - eigenem Ausdruck zufolge - "hochbeglückt", dankte unserem ungetroffenen Team tiefempfunden. Und sicherte uns ein Exemplar der Erstausgabe zu, welches wir - eingedenk der obengenannten Eigenheiten des Textes - mit Spannung antizipierten.
In der Zwischenzeit ergab sich auch erneute Gelegenheit zu einem Schwieger- Vater/Sohn -Dialog.
"Wie seid Ihr denn nun wegen der Übersetzung der Geschichte von diesem Briten verblieben?"
"Haben wir alles schon hinter uns. Übersetzt, korrigiert, wieder eingeenglischt und vom Autor dankend quittiert."
"Der Mann muss kein Unbekannter sein, wenn man der Dame Glauben schenken darf, die mich in diese Sache involvierte."
"Das muss ich gleich einmal ergründen."
Gesagt und nicht auf der langen Bank platziert... -> Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Ranulph_Fiennes) ist auch hier des Steffens Freund. Nun dachte ich, mein borstiger Hausgenosse ließe Pfeifgeräusche vernehmen.
Der Kerl ist ja wirklich kein "No-Name". Ein Schauer königlich-militärischer Marathon-Entdeckerehrung floss auf mich herabund füllte mir die Sehorgane. Unter diesen Umständen wäre ja eine (wie sich später zeigte auch noch handsignierte) Erstausgabe schon ein recht wertvolles Präsent.
Mein fingerfertiger Gehilfe fieberte der Empfängnis des Druckerzeugnisses nun natürlich ebenfalls in höherem Maße entgegen. Und er ward nicht enttäuscht - das Ding kam... Allerdings umfasste es auch einige hundert weiterer Seiten, die offenbar dazu dienten, den von uns in nächtlicher Fleißerei angerührten Teil zu verstecken. - Zu Recht, denn als wir diesen endlich ausgemacht hatten, war ein heftiger Kinnladenfall angesagt, denn keine - ich meine KEINE - der Richtigstellungen der älteren Dame hatte sich gegen die mitunter hanebüchenen Fehlaussagen behaupten können.
Das Fazit:
Ich besitze jetzt eine Erstausgabe des epochalen Werkes "The Silent Hunters" des Wikipediafüllers OBE Baronet R.T.W. Dingens, handsigniert - mit namentlicher Erwähnung meiner Person in der Danksagung.
Aber ich weiß auch, wie es mit der ausdrücklich beteuerten "aufwändig recherchierten" Authentizität der Papiersammlung aussieht.
Und ich kann nur eins sagen:
"Sorry, Welt, ich tu's nicht wieder."
Das ist eine durchaus übliche Floskel, wenn er (was selten vorkommt) tatsächlich meine Hilfe in Anspruch nehmen möchte...
"Worum geht es denn?", fragte ich, sichtlich geehrt.
"Ach, mir ist da eine recht seltsame Sache untergekommen. Eine Bekannte erzählte mir, sie habe einen Briten kennengelernt, der sie nach Zeitzeugen aus der Nazizeit in unserer Region befragt hätte."
Ein wenig verständnislos muss ich wohl dann doch drein geschaut haben, denn ich bin jünger, als ich mitunter wirke. Ein solches Zeitzeugnis aber hatte mir bisher noch niemand angedichtet.
Wie sich herausstellte, war das auch in diesem Fall nicht geschehen, sondern eine andere meiner Eigenschaften sollte (aus)genutzt werden. - Meine Vorliebe für das Englische.
Die Geschichte - von der Historie einmal abgesehen - wie ich sie erfuhr, gab preis, dass der Mensch, welcher nach Zeuginnen oder Zeugen fahndete, ein Schriftsteller war - oder zu sein vorgab, welcher ein Buch - möglichst authentisch - niederzuschreiben sich anschickte. Wie sich zeigte, war dieser (an-)schickliche Vorgang quasi schon beendet und der Mensch suchte nun nach kundiger Information bezüglich einiger Geschehnisse, die er zwischen den Deckeln seines Werkes zu beleuchten gedachte.
Mein Schwiegervater, selbst nicht Zeuge der erwähnten Inzidentien, doch bekannt mit einer solchen, hatte diese bereits kontaktiert und ihr Einverständnis zur Lektüre und gegebenenfälligen Korrektur der fraglichen Passagen erlangt. Das verbleibende Problem, die werte Leserschaft mag es ahnen, bestand in der mangelnden Kompetenz beider, des Autors und der Lektorin, in der jeweils anderen Zunge.
Um meine Vorliebe wissend, hatte nun der Schwiegervater eine einfache Additionsaufgabe gelöst und annoncierte mir - meine Zustimmung eingeheimst habend - das Eintreffen einiger weniger Hundert Seiten aus dem Manuskript des bereits mehrfach im Hintergrund dieses Textes aufgetauchten vereint - königlichen Schreiberlings, dessen Namen er mir (aus eigener Unkenntnis) vorenthielt.
Nach einer mehrwöchigen Karenzzeit wurde mir auch, seitens des Postillions (hier nicht "d'amour"), ein Päckchen zugetragen, welches, mit der Forderung nach ultimativer Verschwiegenheit und gleichfalls dem strengsten Verbote jeglicher Intentions-überschrittlicher privater Ver- wend und besonders - Öffentlichung, einen Packen schreibmaschinell befüllter Papierplattlinge von sich gab, kaum dass die Aussenhüllen gefallen...
Freundlich-neugierig, wie ich nun einmal bin, begann ich, gemeinsam mit einem sehr tippfixen Freund, den Inhalt der Exzerpte in die deutsche Zunge (BSE-frei) zu translaterieren.
Über den Inhalt der blattfüllend getroddenen Äußerungen mag ich nur sagen, dass die Wechselfrequenz der subtabularen Schmalzcontainer den Charakter einer olympischen Sportart durchaus glaubwürdig imitierte. Auch der unverhohlene Deutschenhass war schlecht zu ignorieren ...
Dennoch, irgendwann hatten wir (ich diktierend, er tippend) uns durch die nicht unbedingt zusammenhängenden Textauszüge gekämpft. Die Seitenzahl lag, will mich mein Gedächtnis nicht hinterm Lichte ablegen, bei etwa achtzig.
Das mehrfach geprüfte Resultat wurde nun der alten Dame übergeben, die sich durch äußerst sachkundige und objektive (insofern, dass sie alle Schimpftiraden auf die Deutschen als solche überging und sich ausschließlich an die fragwürdigen Aussagen zu damaligen Ereignissen hielt) Kontrolle und umfassende Korrektur hervor tat.
Das Ergebnis erfuhr eine mindestens so akribische Rückübersetzung und wurde nebst originalem Schreibsel dem Herrn, dessen Name mir noch nichts sagte, rückgesandt.
Dieser, ob der erbrachten Leistungen - eigenem Ausdruck zufolge - "hochbeglückt", dankte unserem ungetroffenen Team tiefempfunden. Und sicherte uns ein Exemplar der Erstausgabe zu, welches wir - eingedenk der obengenannten Eigenheiten des Textes - mit Spannung antizipierten.
In der Zwischenzeit ergab sich auch erneute Gelegenheit zu einem Schwieger- Vater/Sohn -Dialog.
"Wie seid Ihr denn nun wegen der Übersetzung der Geschichte von diesem Briten verblieben?"
"Haben wir alles schon hinter uns. Übersetzt, korrigiert, wieder eingeenglischt und vom Autor dankend quittiert."
"Der Mann muss kein Unbekannter sein, wenn man der Dame Glauben schenken darf, die mich in diese Sache involvierte."
"Das muss ich gleich einmal ergründen."
Gesagt und nicht auf der langen Bank platziert... -> Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Ranulph_Fiennes) ist auch hier des Steffens Freund. Nun dachte ich, mein borstiger Hausgenosse ließe Pfeifgeräusche vernehmen.
Der Kerl ist ja wirklich kein "No-Name". Ein Schauer königlich-militärischer Marathon-Entdeckerehrung floss auf mich herabund füllte mir die Sehorgane. Unter diesen Umständen wäre ja eine (wie sich später zeigte auch noch handsignierte) Erstausgabe schon ein recht wertvolles Präsent.
Mein fingerfertiger Gehilfe fieberte der Empfängnis des Druckerzeugnisses nun natürlich ebenfalls in höherem Maße entgegen. Und er ward nicht enttäuscht - das Ding kam... Allerdings umfasste es auch einige hundert weiterer Seiten, die offenbar dazu dienten, den von uns in nächtlicher Fleißerei angerührten Teil zu verstecken. - Zu Recht, denn als wir diesen endlich ausgemacht hatten, war ein heftiger Kinnladenfall angesagt, denn keine - ich meine KEINE - der Richtigstellungen der älteren Dame hatte sich gegen die mitunter hanebüchenen Fehlaussagen behaupten können.
Das Fazit:
Ich besitze jetzt eine Erstausgabe des epochalen Werkes "The Silent Hunters" des Wikipediafüllers OBE Baronet R.T.W. Dingens, handsigniert - mit namentlicher Erwähnung meiner Person in der Danksagung.
Aber ich weiß auch, wie es mit der ausdrücklich beteuerten "aufwändig recherchierten" Authentizität der Papiersammlung aussieht.
Und ich kann nur eins sagen:
"Sorry, Welt, ich tu's nicht wieder."