Vom Wert der Rumpelkammer

steyrer

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Rumpelkammern enthalten vorläufig aufbewahrungswürdige Gegenstände in beliebiger Anordnung, Museumsmagazine hingegen dauerhaft bewahrungswürdige in systematischer Ordnung. Es besteht somit ein Gegensatz von nicht organisierter Vergänglichkeit und planvoller Dauerhaftigkeit. Beide stehen im Austausch, denn bevor historische Alltags- oder Kunstgegenstände in Museen ausgestellt werden, büßen sie ihren Wert ein und werden, wenn nicht sogleich weggeworfen oder wiederverwertet, als potenzieller Abfall in Rumpelkammern gelagert. Dadurch werden die darin erhalten gebliebenen Gegenstände selten und damit potenziell wieder wertvoll. Dies ermöglicht ihre Musealisierung. Rumpelkammern sind somit Quellen für Museumsmagazine, aber auch Bestimmungsorte für unpassend oder peinlich gewordene ehemalige Museumsobjekte. Diese können später neuerlich in ihrer Zahl reduziert zu Museumskuriositäten werden.
Während veraltete Gegenstände gewöhnlich vergangene Lebensumstände repräsentieren, stehen Kuriositäten ausschließlich für sich, da sie als vereinzelte Gegenstände den Bezug zu ihrer Herkunft verloren haben. Dies erfordert Hypothesen, die gelegentlich zu überraschenden neuen Erkenntnissen führen. Nun wirkt allgemein ein Drang zum Verstehen von Unverstandenen, aber dieser erschöpft sich meist im Lösen von Zeitungsrätseln und diese haben Auflösungen, die zu akzeptieren sind. Das Spekulieren und Forschen über Kuriositäten verdankt sich zwar ebenfalls dem Drang nach Erkenntnis, allerdings stehen am Ende keine Auflösungen, sondern Hypothesen oder Theorien. Wer spekuliert oder forscht, wird, anders als ein Rätsellöser, Autoritäten widersprechen. Der respektlose Umgang mit Gegenständen der Rumpelkammer entspricht demnach dem Umgang mit widerlegten oder umstrittenen Erkenntnissen der Forschung, während das Museum den vorübergehend stabilen Zustand einer Hypothese oder Theorie darstellt. Rumpelkammern und Museumsmagazine folgen somit dem Prinzip kommunizierender Gefäße und fördern Erkenntnis und Fortschritt.
 
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lietzensee

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Hallo Steyrer,
dieser Text gefällt mir sehr gut. Den Inhalt ist clever und ich mag den rhythmisch rumpelnden Sound der Sätze. Der Text ist auch genau so lang, dass ich trotz der sperrigen Konstruktionen Spaß beim Lesen habe.

Besonders gefällt mir:
Nun wirkt allgemein ein Drang zum Verstehen von Unverstandenen, aber dieser erschöpft sich meist im Lösen von Zeitungsrätseln und diese haben Auflösungen, die zu akzeptieren sind.

Für den Leser wäre es allerdings eine Hilfe, wenn du noch ein oder zwei Absätze einfügen würdest.

Viele Grüße
lietzensee
 

steyrer

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Hallo lietzensee,
danke für die positive Rückmeldung! Ich habe jetzt noch einen Absatz eingefügt.

Schöne Grüße
steyrer
 



 
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