Von Breschnew, Mahen und Putzsucht

GerRey

Mitglied
Von Breschnew, Mahen und Putzsucht


Ich mag’s nicht, wenn mir
jemand ins Gesicht greift -
mochte ich schon von meiner
Mutter und Großmutter nicht!

Während ich bereits zum dritten
Mal die Pampe auf dem Gebiß
meines Oberkiefers hatte, um einen
Abdruck für den Zahntechniker
zu machen, wurde die Zahnärztin
nervös, während ihre Assistentin
ruhig geblieben war und die
Maße dreimal angerührt hatte.

Nach der ersten Runde, deren
Ergebnis die Zahnärztin mürrisch
begutachtete, wischte die
Assistentin mein Gesicht mit einem
Papiertuch um den Mund herum.

“Bekomme ich auch ein neues
Gesicht?”, fragte ich sie.

“Nein”, meinte sie, “ich säubere
nur die Stellen, wo sich die Maße
verklebt hat, weil ich Sie nicht
so auf die Straße lassen will!”

“Die Hoffnung stirbt zuletzt”, brummte
ich und hielt sie im Augenwinkel.
Fehlte noch, dass sie wie meine
Großmutter das Taschentuch mit
Spucke befeuchtete, um mir
den von Süßigkeiten klebrigen
Mund zu polieren. Aber die
Assistentin griff zum Wasserhahn.

Sie war eine Frau, Anfang
dreißig, hübsch, und darauf
pfleglich bedacht, wie sich
nach ihrem Erscheinungsbild
schließen ließ - aber das war
eher das Gewöhnliche an ihr.
Ihre Tugend schien die einer
Mutter zu sein, die die
schwarzen Schafe unter ihren
Kindern besonders liebt.

Nachdem die Zahnärztin die hart
gewordene Maße zum dritten Mal
von meinen Zähnen zog und
begutachtete, sprang ich aus dem
“Folterstuhl”, um neben ihr das
Ergebnis abzuwarten. Endlich
schien sie zufrieden. Die Assistentin
kam zu mir, stellte sich vor mich
und begann an meiner Brust
auf dem Shirt herumzuzupfen.

Ich hatte auch einmal eine
solche. Sie schnitt mir die Zehennägel
und stutzte meine Augenbrauen. Als
ich einmal protestierte, sagte sie:
“Ich will keinen, der aussieht wie
Breschnew*”.

Einmal waren wir zu Weihnachten in Brünn
in einem wunderschönen kleinen Theater
(Mahen-Theater - erbaut von Fellner und Helmer).
Davor besuchten wir einen Weihnachtsmarkt.
Der Junge und ich wollten Kartoffelpuffer.
Der Junge blieb ganz - mir fiel ein Stück
in den Ausschnitt, das einen unschönen Fettfleck
auf dem Revers meines Anzugs hinterließ.

Mit mir könne man nirgends hingehen,
hieß es.

Da hatte ich auch genug von der Zupferei in
der Zahnarztpraxis. “Ich wünsche den Damen
einen schönen Tag”, sagte ich - und war
schon zur Tür hinaus, bevor sie reagieren konnten.

*Generalsekretär der KPdSU von 1964 bis 1982


Rose Tattoo - Nice Boys Don't Play Rock 'N' Roll - Live at Wacken Open Air 2019
 



 
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