Von Menschen und von Bratendüften

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Im Park gehen die Stummen um
schlurfen in zerschundnen Leben
Ein Schluck, Gebrumm, ein
Schluck, Gesumm:

Ausgetrunken, hingesunken
Das bisschen Leben ausgegeben
für einen Wodka, einen Rum

Schlurfen die Toten in den Gassen
Versunken in dem Fuselrest
Erinnerungsschlamm, nicht mehr zu fassen
doch wissen sie noch um das Fest
Da war etwas mit Tannenbäumen
Darinnen war einmal ein Nest

Und in dem Nest lag einst ein Kind
Wie alle Kinder rein und weich
Ein Kind, perfekt, wo alles stimmt
Und voller Liebe, schon so reich
wie wenige am Ende sind
Ein bis zum Platzen angefülltes Kind
Mit Liebe, Lachen, Freudentränen

Den Städter bei den Händen nehmen
Im Suff die inmergleichen Sprüche

Geben bitte, bitte geben

Was sind noch Wünsche, was schon Flüche
Was heißt verwünschen, was vergeben
Und durch die Häuser ziehen Gerüche
von Zimt und Wein durchs traute Heim
Am Tannenbaum liest Opalein
Legenden uns bei Kerzenschein
von Menschen und von Bratendüften
 
G

Gelöschtes Mitglied 24777

Gast
Hallo Dionysos,

mich hat dieses Woche eine Grippe heimgesucht, aber ich hatte dein Gedicht trotzdem gelesen und eine Stelle ging mir ob ihrer Weisheit und auch Traurigkeit nicht aus dem Kopf:

Und in dem Nest lag einst ein Kind
Wie alle Kinder rein und weich
Ein Kind, perfekt, wo alles stimmt
Und voller Liebe, schon so reich
wie wenige am Ende sind
Ein bis zum Platzen angefülltes Kind
Mit Liebe, Lachen, Freudentränen
Dieser eine Vers erklärt die ganze Welt. Hast du den beim Schreiben auch so gefühlt, wie ich beim Lesen?

Sprachlich erkennen meine noch ziemlich trüben Augen noch einige weitere hervorragende Verse (z.B. Das bisschen Leben ausgegeben oder Was sind noch Wünsche, was schon Flüche). Aber in der letzten Strophe gibt es auch ein paar Downer, namentlich der Flüche - Gerüche "Reim" und das Opalein, welches ungewollt komisch klingt.

Insgesamt habe ich dein Gedicht aber gern gelesen, es vermittelt zur Weihnachtszeit einen gewissen Frieden.

Liebe Grüße
Frodomir
 
Hast du den beim Schreiben auch so gefühlt, wie ich beim Lesen?
Hi Frodomir,

nun wünsche ich Dir ja gerade für die besinnlicheren Tage erst einmal bessernde Gesundheit und Rekonvalszenz in Allem, was gerade kraftraubend ist.

Nun, der von Dir hervorgehobene Vers kreist so ein bisschen um das "goldene Ei" im Nest, das uns ja bereits ausgebrütet präsentiert wird. Auch für mich werden hier die ausgelegten Fäden des Gedichts in einer möglichen Antwort (weise und traurig) zusammengeführt.

Ich freue mich, dass die Lesezeit für Dich gut investiert gewesen ist.

Bezüglich des "Opaleins": Die Verniedlichung war NICHT dem Reim geschuldet (sonst hätte ich umgestellt) sondern war mir in einem besonderen Zusammenhang sehr wichtig: Die Verniedlichung bekommt hier eine durchaus bedrohliche Kulisse !

mes compliments

Dio
 



 
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