S
Stoffel
Gast
Von weißen Mäusen und rosa Kaninchen
Als mich Jutta wegen diesem blöden Arsch von Autovertreter verließ, war ich richtig fix und fertig. Ich tigerte oft bis in die Morgenstunden durch unsere Wohnung und nagte mir die Fingernägel dabei kurz. Anfangs fuhr ich Nachts in die Disco, wo wir uns damals kennen gelernt hatten, wo ich sie vermutete. Jutta hatte rote, dauergewellte Haare, redete viel und laut, was bei der Musik ganz gut war. Ich verstand jedes ihrer Worte. Doch ich traf sie dort niemals wieder an. Ich besorgte mir Kontaktlinsen, denn ich sah ohne Brille rattenscharf aus und es gab mir mehr Selbstbewusstsein. Ab dem Moment ging ich auch mal woanders hin. Aber mich sprach nie eine an, was mich noch mehr frustrierte. An diesem Morgen kaufte ich mir fünf Whiskycola-Dosen an der Tanke und fuhr nach Hause.
Irgend etwas war an diesem Morgen anders. Mein Bett war gemacht, die leeren Flaschen am Bett weg und die Fernsehzeitung war aufgeschlagen. Die Wohnung sah wieder richtig gemütlich aus.
"Jutta!" rief ich und hastete ins Bad. Vielleicht liegt sie in der Wanne und wartete auf mich? Aber niemand war da. Ich trank die fünf Dosen hintereinander weg und ging ins Bett.
Mein Schädel dröhnte wie verrückt, als ich aufwachte. Dennoch nahm ich das Gurgeln der Kaffeemaschine genau wahr. "Die Kaffeemaschine! Jutta!"
Auf dem Küchentisch standen eine Tasse Kaffee, ein Teller, auf dem Tomate, Apfel, Bananenscheiben und ein Wurstknäcke lagen. So, wie ich es von ihr gewohnt war.
Als ich mich setzte, hörte ich ein Huschen, Tippeln und Gequieke.
Über den Tassenrand hinweg, versuchte ich die Geräusche zu orten und sah mich um. Als ich nach dem Knäcke greifen wollte, hielt ich inne.
Da saßen fünf weiße Mäuse grinsend um meinen Teller herum.
"Moin!", sagte die eine und hob die Pfote zum Gruß. Ich haute mir auf den Schädel, das tat weh. Und die fünf Mäuse lachten. "He Kumpel, mach' dir keine Sorgen," sagte sie und ich wurde sauer. Ich hasste es wie die Pest, wenn ich nicht alles unter Kontrolle hatte.
"Spinnt ihr? Was heißt hier Kumpel? Ich soll mir keine Sorgen machen, wenn mir fünf weiße Mäuse das Frühstück machen?!"
"Nimmst du Milch und Zucker?" fragte Maus Nummer zwei und eilte zum Kühlschrank. "Nein, ich trinke schwarz!". Dann lachte ich. "Jutta hätte es gewusst. Bingo!"
Seit dieser Begegnung wurde alles anders in meinem Leben. Die fünf lasen mir fast jeden Wunsch von den Augen ab und ich genoss es in vollen Zügen. Sie erzählten mir den neuesten Nachbarschaftstratsch, und ich konnte mit ihnen so wunderbar über den Sinn des Lebens philosophieren, was ich mit Jutta nie konnte. Ich ging nicht mehr ans Telefon und die Post, die ich nicht lesen wollte, zerlegten die kleinen Nager im Handumdrehen.
Ich gab jeder von ihnen Namen. Menschliche Namen, denn sie waren menschlicher als Menschen. Sie verstanden mich. Wir feierten fast jeden Tag Parties, tranken gemeinsam literweise Sangria, tanzten zu lauter Musik und mir ging es einfach saumäßig gut. Endlich hatte ich richtig gute Freunde gefunden. Und wenn die Polizei kam und klingelte, beruhigten sie mich hinterher. Lange schon dachte ich nicht mehr an Jutta. Das Leben jetzt, war einfach besser. WER war schon Jutta? Ich hakte sie ab.
Es kam der Moment, als ich jemanden an meinem Glück teilhaben lassen wollte.
Ich rief meinen alten Freund Marvin an und der freute sich, als ich ihn zu meiner Party einlud. Und er war schon sehr auf die fünf Mäuse gespannt. Meine fünf Freunde richteten alles schön her. Marvin begrüßte mich herzlich und dann warf er sich in die Couch. "Wann kommen denn die Mäuse?" wollte er wissen. Ich lachte. "Na, die sind doch schon da Alter". Marvin sah mich an, als wäre ich meschugge.
"Na da, schau doch hin. Die haben es sich im Sessel bequem gemacht", sagte ich und stellte jede von ihnen mit Namen vor.
Er sah sich suchend um und behandelte meine fünf Freunde wie Luft.
"Sag mal, siehst du schon weiße Mäuse, oder was"? fragte er.
"Weiße Mäuse. Genau! Sag ihnen guten Tag, Marvin!"
Als Marvin merkte, wie ernst es mir war, hörte er auf zu lachen.
"Mein Gott, was ist aus dir nur geworden?" Fragte er und sah mich so merkwürdig an dabei. Das musste ich mir nicht bieten lassen. Ich packte ihn und warf ihn zur Tür hinaus. Ich war schon als Jugendlicher stärker, als er.
Ich war traurig. Was war das für ein Freund, der meine Freunde nicht mochte? Die fünf redeten auf mich ein. Sie würden ihn sowieso nicht mögen. Er würde mit seinem langen, schweren, schwarzen Ledermantel wie ein Kammerjäger aussehen. Zwei Tage später klingelte meine Mutter an der Tür. Besorgt sah sie mich an. "Junge, komm zu uns zurück. Da hast du alles was du brauchst." Marvin musste sie angerufen haben, das wusste ich genau.
"Ich kann nicht bei Euch leben. Ihr habt so viele streunende Katzen. Ich habe Angst um meine fünf Freunde." Sie ging wortlos. Am nächsten Tag holten sie mich ab und meine fünf Freunde winkten mir hinterher. Die weiße Zelle erinnerte mich an sie und seit diesem Tag sah ich sie nie mehr wieder.
Ein halbes Jahr später entließ man mich aus der Anstalt.
Nein, ich sah keine weißen Mäuse mehr. Ich kaufte mir erstmal eine Kiste Sangria und beim Türken etwas frisches Obst. Dann schnitt ich es klein und setzte meinen Sangria an. So wie es meine Kumpel immer taten. Ich wollte meine neugewonnene Freiheit feiern. Okay, die Musik drehte ich nicht mehr so laut auf, von den Bullen hatte ich auch die Nase voll. Als ich den Staubsauger leerte, rupfte ich die roten Haare aus der Staubsaugerbürste.
"Wo kommen die denn her?" dachte ich sauer.
Dann ging meine Party ab.
Der nächste Morgen war grausam. Mein Kopf wieder eine Melone. Ich lag nackt auf meinem Bett und hatte Flusen am Mund. Ich konnte mich an nichts mehr erinnern. Langsam sah ich nach links, in meinen Arm. In dem lag ein rosa Kaninchen, dass mich mit großen dunklen Augen ansah und lächelte. Ich lächelte zurück.
"Kannst du Kaffee kochen?" fragte ich.
Als mich Jutta wegen diesem blöden Arsch von Autovertreter verließ, war ich richtig fix und fertig. Ich tigerte oft bis in die Morgenstunden durch unsere Wohnung und nagte mir die Fingernägel dabei kurz. Anfangs fuhr ich Nachts in die Disco, wo wir uns damals kennen gelernt hatten, wo ich sie vermutete. Jutta hatte rote, dauergewellte Haare, redete viel und laut, was bei der Musik ganz gut war. Ich verstand jedes ihrer Worte. Doch ich traf sie dort niemals wieder an. Ich besorgte mir Kontaktlinsen, denn ich sah ohne Brille rattenscharf aus und es gab mir mehr Selbstbewusstsein. Ab dem Moment ging ich auch mal woanders hin. Aber mich sprach nie eine an, was mich noch mehr frustrierte. An diesem Morgen kaufte ich mir fünf Whiskycola-Dosen an der Tanke und fuhr nach Hause.
Irgend etwas war an diesem Morgen anders. Mein Bett war gemacht, die leeren Flaschen am Bett weg und die Fernsehzeitung war aufgeschlagen. Die Wohnung sah wieder richtig gemütlich aus.
"Jutta!" rief ich und hastete ins Bad. Vielleicht liegt sie in der Wanne und wartete auf mich? Aber niemand war da. Ich trank die fünf Dosen hintereinander weg und ging ins Bett.
Mein Schädel dröhnte wie verrückt, als ich aufwachte. Dennoch nahm ich das Gurgeln der Kaffeemaschine genau wahr. "Die Kaffeemaschine! Jutta!"
Auf dem Küchentisch standen eine Tasse Kaffee, ein Teller, auf dem Tomate, Apfel, Bananenscheiben und ein Wurstknäcke lagen. So, wie ich es von ihr gewohnt war.
Als ich mich setzte, hörte ich ein Huschen, Tippeln und Gequieke.
Über den Tassenrand hinweg, versuchte ich die Geräusche zu orten und sah mich um. Als ich nach dem Knäcke greifen wollte, hielt ich inne.
Da saßen fünf weiße Mäuse grinsend um meinen Teller herum.
"Moin!", sagte die eine und hob die Pfote zum Gruß. Ich haute mir auf den Schädel, das tat weh. Und die fünf Mäuse lachten. "He Kumpel, mach' dir keine Sorgen," sagte sie und ich wurde sauer. Ich hasste es wie die Pest, wenn ich nicht alles unter Kontrolle hatte.
"Spinnt ihr? Was heißt hier Kumpel? Ich soll mir keine Sorgen machen, wenn mir fünf weiße Mäuse das Frühstück machen?!"
"Nimmst du Milch und Zucker?" fragte Maus Nummer zwei und eilte zum Kühlschrank. "Nein, ich trinke schwarz!". Dann lachte ich. "Jutta hätte es gewusst. Bingo!"
Seit dieser Begegnung wurde alles anders in meinem Leben. Die fünf lasen mir fast jeden Wunsch von den Augen ab und ich genoss es in vollen Zügen. Sie erzählten mir den neuesten Nachbarschaftstratsch, und ich konnte mit ihnen so wunderbar über den Sinn des Lebens philosophieren, was ich mit Jutta nie konnte. Ich ging nicht mehr ans Telefon und die Post, die ich nicht lesen wollte, zerlegten die kleinen Nager im Handumdrehen.
Ich gab jeder von ihnen Namen. Menschliche Namen, denn sie waren menschlicher als Menschen. Sie verstanden mich. Wir feierten fast jeden Tag Parties, tranken gemeinsam literweise Sangria, tanzten zu lauter Musik und mir ging es einfach saumäßig gut. Endlich hatte ich richtig gute Freunde gefunden. Und wenn die Polizei kam und klingelte, beruhigten sie mich hinterher. Lange schon dachte ich nicht mehr an Jutta. Das Leben jetzt, war einfach besser. WER war schon Jutta? Ich hakte sie ab.
Es kam der Moment, als ich jemanden an meinem Glück teilhaben lassen wollte.
Ich rief meinen alten Freund Marvin an und der freute sich, als ich ihn zu meiner Party einlud. Und er war schon sehr auf die fünf Mäuse gespannt. Meine fünf Freunde richteten alles schön her. Marvin begrüßte mich herzlich und dann warf er sich in die Couch. "Wann kommen denn die Mäuse?" wollte er wissen. Ich lachte. "Na, die sind doch schon da Alter". Marvin sah mich an, als wäre ich meschugge.
"Na da, schau doch hin. Die haben es sich im Sessel bequem gemacht", sagte ich und stellte jede von ihnen mit Namen vor.
Er sah sich suchend um und behandelte meine fünf Freunde wie Luft.
"Sag mal, siehst du schon weiße Mäuse, oder was"? fragte er.
"Weiße Mäuse. Genau! Sag ihnen guten Tag, Marvin!"
Als Marvin merkte, wie ernst es mir war, hörte er auf zu lachen.
"Mein Gott, was ist aus dir nur geworden?" Fragte er und sah mich so merkwürdig an dabei. Das musste ich mir nicht bieten lassen. Ich packte ihn und warf ihn zur Tür hinaus. Ich war schon als Jugendlicher stärker, als er.
Ich war traurig. Was war das für ein Freund, der meine Freunde nicht mochte? Die fünf redeten auf mich ein. Sie würden ihn sowieso nicht mögen. Er würde mit seinem langen, schweren, schwarzen Ledermantel wie ein Kammerjäger aussehen. Zwei Tage später klingelte meine Mutter an der Tür. Besorgt sah sie mich an. "Junge, komm zu uns zurück. Da hast du alles was du brauchst." Marvin musste sie angerufen haben, das wusste ich genau.
"Ich kann nicht bei Euch leben. Ihr habt so viele streunende Katzen. Ich habe Angst um meine fünf Freunde." Sie ging wortlos. Am nächsten Tag holten sie mich ab und meine fünf Freunde winkten mir hinterher. Die weiße Zelle erinnerte mich an sie und seit diesem Tag sah ich sie nie mehr wieder.
Ein halbes Jahr später entließ man mich aus der Anstalt.
Nein, ich sah keine weißen Mäuse mehr. Ich kaufte mir erstmal eine Kiste Sangria und beim Türken etwas frisches Obst. Dann schnitt ich es klein und setzte meinen Sangria an. So wie es meine Kumpel immer taten. Ich wollte meine neugewonnene Freiheit feiern. Okay, die Musik drehte ich nicht mehr so laut auf, von den Bullen hatte ich auch die Nase voll. Als ich den Staubsauger leerte, rupfte ich die roten Haare aus der Staubsaugerbürste.
"Wo kommen die denn her?" dachte ich sauer.
Dann ging meine Party ab.
Der nächste Morgen war grausam. Mein Kopf wieder eine Melone. Ich lag nackt auf meinem Bett und hatte Flusen am Mund. Ich konnte mich an nichts mehr erinnern. Langsam sah ich nach links, in meinen Arm. In dem lag ein rosa Kaninchen, dass mich mit großen dunklen Augen ansah und lächelte. Ich lächelte zurück.
"Kannst du Kaffee kochen?" fragte ich.