Voodoo in Marbella

Klaus K.

Mitglied
Voodoo in Marbella

Wir saßen entspannt auf meiner Terrasse nach dem Golfturnier. Wir, das waren das Ehepaar Bonforte, der Major Killingham, Mrs.Buddock und ich. "Sundowner" und "Planters Punch" in den Händen genoss man den Sonnenuntergang jetzt im Frühjahr bei angenehmen 24 Grad. Wer hat, der hat. Gewonnen hatte das Turnier keiner von uns, aber das war egal. Es sind diese kleinen elitären Versammlungen danach, unter Freunden. Nicht für Herrn oder Frau Jedermann, zum Glück. Marbella, das trennt die Spreu vom Weizen, die Informationen, die dort fliessen, waren eben nicht für Krethi und Plethi bestimmt. Ja, es geht dabei meistens auch um Geld, denn wer hat, der hat. Wie macht man mehr daraus, richtig mehr, und das erfährt man eben eher nicht auf einer Parkbank.

Mein vor Ort einziger und bester Mitarbeiter erschien und fragte nach weiteren Drinks. Zudem sei das Essen - Hummer a l'armoricaine - in einer halben Stunde bereit. Er hieß "Monsieur Majotte" und kam ursprünglich aus Haiti. Er wurde von mir exzellent bezahlt, aber seine Leistung bezüglich seiner Kochkünste und bei der Kreation von Mixgetränken hatte sich längst herumgeprochen. Ein Glücksgriff also für mich, er war jetzt seit zwei Jahren bei mir und wir verstanden uns ausgezeichnet, da ich ihm auch vollkommen freie Hand ließ.
Ich hatte meine Gäste spontan eingeladen. Aber es ging mir dabei nur um Mrs.Bonforte. Also, ich gestehe, ich war mindestens vernarrt in sie. Mindestens, eher mehr als das. Ich war verrückt nach ihr.

Ein Bild von einer Frau, bildhübsch, schlank, aber nicht zu dürr, und dann diese Ausstrahlung! Der Blick, die Augen, der sanft geschwungene Mund, die samtige Stimme, das schwarze, kurzgeschnittene Haar. Und ihr Mann dann das komplette Gegenteil, klein, dick, Glatze, dazu ein absoluter Langweiler. Das Ehepaar war kinderlos und erst seit ungefähr drei Jahren miteinander verheiratet. Ich war ihr vom ersten Moment an verfallen und konnte meinen Blick kaum von ihr abwenden.
Zudem zirpte ich wohl wie eine Grille, wenn sie in der Nähe war.
Mein Repertoire war groß, ich versuchte mit allem was mir gegeben war zu beeindrucken. Ihr war das alles nicht unbemerkt geblieben, ich glaubte das zu verspüren. Auch jede kleinste Nuance eines Lächelns auf ihren wundervollen Lippen meinte ich dann zu erkennen. Sie war sich ihrer Wirkung auf mich bewußt, aber sie spielte nicht damit. Ein edler Charakterzug, der ihr perfektes Bild nur abrundete. Was für eine Frau!

Ihr Mann hingegen glich eher einem Betonklotz, er merkte offensichtlich nichts oder aber er ignorierte es einfach. Oder er war sich seiner Sache sicher, wußte, daß da nichts passieren konnte?
Genoß er es, daß man ihn wegen seiner Frau bewunderte? Wie kann es sein, daß die alte Weisheit "Die hässlichsten Männer haben die hübschesten Frauen!" meistens zutraf? Was hatten diese Typen an sich, daß ihnen die Frauen nur so zuflogen?

Als sich meine Gäste nach dem Essen verabschiedet hatten, ging ich zu Monsieur Majotte in die Küche.
"Hervorragend wie immer, Monsieur Majotte! Sie sind ein wahrer Künstler!"
"Vielen Dank! Ja, die beiden Damen waren auch schon bei mir und haben nach dem Rezept für die Sauce gefragt."
"Aha! Das ehrt Sie zusätzlich - Sie wissen, wie Frauen manchmal sehr eigen sein können, wenn es um diese Dinge geht!"
"Ja, sicher. Deshalb fragte mich Mrs.Bonforte auch, ob es denn keine Frau an Ihrer Seite gibt, die Sie diesbezüglich unterstützt.
Ich sagte ihr nur, daß mir dies nicht bekannt sei. Ich finde, das sollten Sie wissen."
"Möchten Sie damit etwas andeuten, Monsieur Majotte?"
"Sie gefällt Ihnen sehr. Dies ist auch mir nicht verborgen geblieben."
"Ja, das stimmt natürlich. Aber sie ist eine verheiratete Frau, da bin ich wohl zu spät gekommen."
"Wissen Sie, also auf Haiti ist dieses Problem auch bestens bekannt. Der Mann stört. Aber es gibt eine Lösung."
"Wie meinen Sie das, Monsieur Majotte? Eine Lösung? Soll ich den Ehemann etwa umbringen?"
"Auf keinen Fall! Sie nicht, das wäre fatal. Dafür gibt es in meiner Heimat eine bessere Variante. Voodoo, und es gibt keinen Täter. Voodoo kann sowohl positiv als auch negativ wirken. Das ist den meisten Europäern nicht bekannt. Das Anwendungsspektrum ist breit, es beinhaltet Krankheit bis hin zum Tod, elegante letale Unfälle. Aber auch glückliche Fügung, je nach Konfiguration. Und es ist kein Humbug, nur weil die sogenannte Wissenschaft es immer noch nicht einordnen und nicht erklären kann."
"Hochinteressant! Und was nützt mir dieses Wissen?"
"Ich bin Voodoo-Priester in meiner Heimat. In der vierten Generation. Wenn ich Ihnen also diesbezüglich behilflich sein kann...?"
"Könnten Sie denn den Ehemann von Mrs.Bonforte - sagen wir mal - irgendwie eliminieren. So, daß es ihn einfach nicht mehr gibt? Damit sie sozusagen frei wird?"
"Kein Problem. Warten Sie ab, es wird etwas dauern. Ich werde mir eine kleine Strohpuppe aus Haiti kommen lassen. Klein, dick, hässlich. Und dazu dann einige Nadeln. Sie werden begeistert sein! Und es gibt keinen Verdacht danach, weder gegen mich noch gegen Sie!"

Einige Tage vergingen, dann erhielt Monsieur Majotte ein Paket. Ich fragte nicht. Abwarten war angesagt. Zu allem Unglück hatte sich jetzt dann auch noch mein älterer Bruder angemeldet. Er "wollte mal wieder vorbeikommen". Mein Bruder! Ich sehe ja recht passabel aus, er hingegen war einfach nur potthässlich. Und er verdiente sein immenses Geld nur mit italienischen Trüffeln, die er einmal jährlich in Norditalien aufkaufte und dann in ganz Europa für ein entsprechendes Schweinegeld an Restaurants vertrieb. Auch nach Marbella. Er besaß Millionen.- Euro, nicht Trüffel.
Trüffel werden unter anderem von Trüffelschweinen gesucht und gefunden.Mein Bruder war bereits als Kind schon gehänselt worden, besonders wegen seiner Nase. Inoperabel. Aber ich muß das jetzt nicht weiter ausführen, der Zusammenhang mit seiner heutigen Profession erklärt sich von selbst.

Kurz vor seiner Ankunft rief mich dann Mr.Bonforte an. Seine neue Yacht sei eingetroffen und soeben in Puerto Banus, dem Hafen von Marbella, vertäut worden.
Ob ich wohl Lust hätte, die Jungfernfahrt mit ihm zu unternehmen? Ich sagte sofort zu, denn ich hatte seine Frau und ihn jetzt länger nicht gesehen. Und vor allem war entscheidend, daß sie dabei sein würde, seine neue Yacht interessierte mich überhaupt nicht. Wir trafen uns also wie verabredet und ja, sie war dabei. Aber sie wollte nicht mitfahren, sie wurde grundsätzlich immer seekrank, daher wollte sie an Land bleiben und sich dann später wieder mit uns treffen.
Wir stachen in See, noch ohne Segel, nur mit dem Diesel. Es war eine traumhafte Segelyacht, Luxus pur überall, und alles ließ sich vollautomatisch bedienen. Die Segel wurden durch Elektromotoren auf Knopfdruck gesetzt oder gerefft, die Ruderanlage einschließlich des Autopiloten war computergesteuert, Handarbeit war nicht mehr erforderlich. Zu allem Überfluss besaß Mr.Bonforte natürlich auch einen Segelschein und verfügte über jahrelange Erfahrung. Wir legten ab für die Testfahrt. Ich blickte zurück an Land. Dort auf dem Quai stand jetzt Mrs.Bonforte und neben ihr - wer war das, wer stand da direkt neben ihr? Das offene Cabrio im Hintergrund! Mein Bruder!
Hielt er sie im Arm? Hatte er seinen Arm um sie gelegt?
Eindeutig ja! Das konnte ich gerade noch erkennen, und dann.....da kam noch eine dritte Person dazu! Monsieur Majotte!
Und jetzt winkten sie uns zu! Ganz klein waren sie, ganz weit entfernt, und sie winkten!

"Verdammt! Der Motor geht plötzlich aus? Aber die Segel sind ja jetzt gesetzt und wir machen gute Fahrt, was meinen Sie? Moment! Was ist das? Warum geht das nicht! Verdammt, die gesamte Elektrik ist ausgefallen, einschliesslich des Autopiloten! Wir können nicht mehr navigieren! Das Funkgerät!"
Mr.Bonforte verschwand in der Kajüte. "Nichts! Nichts mehr! Die gesamte Elektrik ist tot! Wir segeln ohne Steuerung! Wo sind die Rettungsraketen?"
Er kannte sich aus. In der Ferne sah ich einen Frachter. Noch hatte ich keinerlei Bedenken, auch wenn das Land bereits nicht mehr auszumachen war. Mr.Bonforte hatte jetzt die Leuchtpistole in der Hand. Er feuerte eine Rakete in den noch hellen Nachmittagshimmel ab. Auf dem Frachter konnte man ganz entfernt zwei Personen erkennen. Sie winkten uns zu, eher belustigt. Mr.Bonforte feuerte eine weitere Rakete ab. Hörte man da ein Lachen, ganz weit entfernt?
"Verdammt! Die sehen eine Segelyacht ein paar Meilen vor Marbella und das interessiert die nicht! Notsignale interessieren die nicht! Wissen Sie, woran das liegt? Weil zuviel nutzlose Taugenichtse mit zuviel Geld hier zugedröhnt herumschippern und dann meinen, sie könnten Silvester jederzeit nachfeiern! Moment, Vorsicht, halten Sie sich fest!"
Die Böe hatte uns seitlich erwischt, und die Segelstellung war ja nicht zu verändern, verbunden mit dem kompletten Ausfall der Ruderanlage. Die Yacht drehte sich daher ruckartig in den Wind. Bei der nächsten plötzlichen und erheblich extremeren Böe gingen wir beide dann aber über Bord, denn sie kam erneut völlig unerwartet, nur diesmal erheblich stärker. Es dauerte gefühlt nur eine Sekunde, und es gab nirgendwo einen Halt.
Ich wurde zum Glück schnell gerettet - von der Besatzung des Frachters. Mr.Bonforte aber blieb auf See und wurde nie gefunden.

Mein Bruder hat jetzt geheiratet. Eine mir bestens bekannte hübsche Witwe. Monsieur Majotte zuckte nur mit den Schultern und meinte bei der Hochzeit: "Nochmal geht das nicht!"
 
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