Vorstellung

AllAN GAP

Mitglied
Wer ich bin

„Mein Name ist Ricol Clarkson. Ich bin ein schlanker, junggebliebener Enddreißiger. Meine große Fähigkeit ist das zielsichere Steuern meiner Behausung an jedem und jeden Ort der Welt und wann immer es gewünscht ist. Das bewerkstellige ich mit Schalthebeln und Steuerelementen, welche neben meinem bequemen und gut gepolsterten Sessel angeordnet sind. Das Leder auf dem Sessel ist abgewetzt und doch geschmeidig. Das sind die Folgen von vielen emotionalen Ausbrüchen, die meine täglichen Handlungen begleiten. Diese Spuren finden sich ebenso in meinem Haar wieder. Das wirr abstehende Haar weist bereits einige Fäden in grau und weiß aus. Seit meinem ersten Tag auf dieser Erde fliege ich so durch ein sehr aufregendes Leben.
Ich habe Glück gehabt, denn ich bin in einem Teil der Erde geboren, wo mir viele Ereignisse eine ständige Aktion abverlangen. Kunterbunter Trubel, aufgeregtes Lachen und Weinen, Haare raufen, Streiten und Versöhnen sind die begleitenden Umstände, die meine Anwesenheit prägen. Das geht jedoch bei Weitem nicht jedem meiner Art so. An dem Ort, wo ich mich zur Ruhe begebe, befinden sich noch viele andere meiner Spezies. Sie zeigen sich in vielen Farben und unterschiedlichen Größen. Doch derartiges, was mir so oft widerfährt, habe ich von einem meiner Kameraden selten oder nie erfahren können. Dabei gibt es fast nichts Schöneres als von der Erde abzuheben und schon im Flug die Weichen in Richtung Erfolg zu stellen.
Diesen Aufgaben stelle ich mich stets tapfer und mit viel Energie. Dabei riskiere ich nicht selten aus dem Gleichgewicht zu geraten. Häufig wurde ich schon mitsamt meinem gewaltigen Sessel, dem zentralen Punkt meiner Schaltzentrale regelrecht durchgeschüttelt. Wenn mein Leben richtig wild wird, schnalle ich mich an diesem Sessel mit seinen blauroten und besonders starken Hosenträgergurten fest.
In den Nächten jedoch, wenn meine Welt zur Ruhe kommt, trete ich aus meinem schützenden Domizil hinaus in die Dunkelheit und poliere das Äußere meines Lebensraumes auf Hochglanz. Ich versehe es immer wieder mit einer schützenden Lasur. Die Schale, meines Heims, in dem ich mich meistenteils aufhalte, will ich so recht lange attraktiv halten. All jene, die mit meinem Lebensraum in Berührung kommen, sollen über seinen unverwechselbaren Charakter staunen. Ich selbst lege die Messlatte dabei sehr hoch. Wenngleich sich die äußere Hülle meiner Behausung sehr glatt anfühlt, gibt sie dem Fragenden doch klare und eindeutige Antworten. Das hat ihm in allen Generationen, die ihm begegneten viele treue Freunde eingebracht. Ich liebe sie und sie lieben mich.
Dieses wunderbare Wechselspiel der Natur hat mich in der ganzen Zeit nie müde werden lassen. Freude und lachende Gesichter konnte ich aus den vielen Fenstern meiner Behausung an den Menschen, die mir begegneten, erkennen. Diese Ausgelassenheit spornt mich ohne Unterlass zur Fortsetzung meines einfachen Spiels an. Dabei habe ich auch immer besondere Lieblinge, welche ich zu Höchstleistungen antreiben wollte. Dafür benötige ich die einundzwanzig Fenster meines originellen Kastells.
Diese willkürlich und doch einem System folgend angeordneten Fenster geben mir die Möglichkeit gleichzeitig in alle erdenklichen Richtungen zu schauen. Mir offenbaren sich stets etliche Fassetten meines Spiels mit den anderen. Alles kann ich aus fünf verschiedenen Perspektiven und bis ins Kleinste beobachten. Ich kann wählen, ob ich meine Freunde auf einem Bild oder auf mehreren Bildern gleichzeitig sehen möchte. Dazu brauche ich meine Steuerhebel. Mit ihnen bewege ich mich gezielt in die richtige Position. Das Lächeln meiner Lieblinge sagt mir dann, ob ich die richtige Position angesteuert habe oder nicht. Manchmal höre ich auch ihr heimliches Rufen. Wenn sie meinen stabilen Cocoon in ihren Händen verstecken und mit ihrem Wunsch leidenschaftlich anhauchen. Bei der blonden Gabriella kann ich nie widerstehen. Für sie laufe ich am liebsten zur Höchstform auf. Sie ist die Tochter von Lilo, die vorher mein besonderer Liebling war. Lilo schaut heute nur noch sehr selten nach mir. Doch kann ich ihre vertraute Stimme noch sehr oft hören.
Wenn ich die Wünsche Gabriellas erfüllen kann, wirbeln meine Arme mit ungeahnter Energie im Halbkreis durch meine, in diesem Augenblick eng werdende, Behausung. Mein Kopf dreht sich in Windeseile zu der gewünschten Seite mit der richtigen Anzahl von Fenstern und lenkt mein von ihr in Schwung versetztes Gebäude zielsicher in die einzig richtige Lage. Just entlocke ich ihr enthusiastische Schreie des Jubels und endlosen Frohsinns. Sie hüpft dann meist übervoll von Glück von mir weg durch den Raum, in dem wir uns befinden. Ihre Arme und Hände schlagen in Kopfhöhe wilde Kapriolen. Sie klatschen freudig und voll Begeisterung vor ihrer Brust zusammen, als wollte sie mir applaudieren, während ihre blonden Haare von der Drehung ihres Kopfes in dicken Strähnen vom Kopf abheben und tanzend durch die Luft treiben. Kurz darauf kehrt sie zu mir zurück und rückt ihren Spielstein, des Spiels zu dem er gehört, auf die so sehnlichst herbeigewünschte Position. Dann knufft sie mit dem Ellbogen ihren Nachbarn, es ihr gleich zu tun.
Dabei schaut sie so verschmitzt, das ich meine, ich habe mein Spiegelbild vor mir. In diesem Moment wird es mir warm und gleichzeitig kalt vor Glück, das sich Millionen kleiner Poren meiner Haut nach außen stülpen und heißkalte Schauer über den Rücken jagen. Es braucht seine Zeit bis ich mich von dem Gefühl dieser Euphorie erholt habe. Dabei rückt mein Heim in die Hand eines Mitstreiters Gabriellas und wird erneut durchgeschüttelt.
Meine schönsten Erlebnisse während der Begegnungen mit meiner jungen Freundin sind jedoch jene, die mich in die Lage versetzen, sie durch die Seite meiner Behausung mit dem einzelnen Fenster zu sehen. Das stabile Gebäude, welches mich umgibt ist auf jeder Seite gleich schwer. Auf der Seite mit dem einzelnen Fenster ist deshalb eine Mechanik angebracht. Diese erlaubt es mir, das hereinscheinende Bild bis ins unermessliche zu vergrößern.
Wenn Gabriella, beim womöglich letzten Wurf des Spiels, die Wand meiner Behausung küsst und ganz sanft das Wort, „Eins!“ an sie haucht, dann ist für mich der Augenblick höchster Konzentration erreicht. Ihre lieblich fordernde Stimme im Ohr, gebe ich mich nicht damit zufrieden zu warten, bis ich falle. Ich lenke meine Behausung bereits in ihrer Hand in die richtige Stellung, um das Ergebnis ganz genau zu erzielen.
Der Moment ihres Triumphes, ihres Sieges treibt ihr jedes Mal kleine Tränen in die Augen. Diese Tränen wirken wie blitzende Diamanten, welche urplötzlich der Natur entwachsen sind. Sie ist so glücklich, dass sie für mich dann wie eine sich öffnende Rose, die sich in all ihrer farbenfrohen Kraft über mir ergießt, aussieht.
Dieses Bild nehme ich mit in meine Träume, wenn im Anschluss das Spiel wieder verpackt wird und sich der bunte Deckel über mir und meiner Behausung, dem Würfel verschließt.“
 



 
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