Walblau

4,50 Stern(e) 4 Bewertungen

fee_reloaded

Mitglied
Seit langem schon steht im Regal
aus Holz geschnitzt ein kleiner Wal.
Oft blickt sein linkes Aug mich an -
so sanft wie es nur blicken kann,
(und je nach Staubschicht wirkt sein Blau
an machen Tagen fast wie grau).

Mein Gatte fragt nach seinem Nutzen
(abseits von dem, ihn gut zu putzen)
und meint gelegentlich: "der fängt
den Staub, an dem hier keiner hängt!
Die Reichweite jedoch scheint klein -
ein Wal, der blau macht, muss es sein."

Und drum, so meint er noch, sei klar,
was hier die Fehlanschaffung war.
Das Bücherbord mir zu veredeln,
müsst wegen ihm mehr Staub ich wedeln!
Mein Wal und ich - wir wissen aber:
das ist bloß Gattenwalgelaber!

Schon morgen senkt sich das Vergessen
samt Staub auf Walblau. Aus! Gegessen!






.april_2024
 
Zuletzt bearbeitet:

Stavanger

Mitglied
Hallo!
Lustiges Gedicht, komme aber ins Stolpern bei:
"alles bloß Gattenwalgelaber!"
Oder soll man bei "alles" die zweite Silbe betonen, was ja auch ganz ulkig wäre?
Schönen Gruß:
Uwe
 

fee_reloaded

Mitglied
Danke, Uwe,

für den Hinweis. Manchmal hab ich wohl Tomaten auf den Ohren...hab's schon korrigiert. :)

Liebe Grüße,
Claudia
 

molly

Mitglied
(und je nach Staubschicht wirkt sein Blau
an machen Tagen fast wie grau).

Hallo Claudia,
Dein Gedicht gefällt mir, bei mir ist es ein kleines Nashorn.

Viele Grüße
Monika
 

petrasmiles

Mitglied
Was hab' ich für ein Glück (?)
Mein Mann ist da noch nostalgischer drauf als ich, und wo ich aus Erbarmen das Fetzelchen entsorgte, damit es sich nicht schämen muss, wenn man es erblickt, da wird das Männerauge feucht (wenn manchmal auch nur innerlich), der Krams, er bleibt. Meiner auch.
Wunderbare Zeilen, liebe Claudia!

Liebe Grüße
Petra
 
Hallo Fee,

das ist ein wunderbares Schmunzelgedicht ganz nach meinem Geschmack. Wandelt mE auf den Spuren Erich Kästners.
Gestern stand ein Bericht über ihn in unserer Tageszeitung. Ich hatte vor einiger Zeit zwei Gedichtbände von ihm gekauft und dachte beim Lesen des Zeitungsartikels: Warum schreibt heute eigentlich fast niemand mehr so? Humorvoll, quasi erzählend im Gedicht? Die meisten gefeierten Gedichte heutzutage sind getragen von Schwermut und sind alles andere als erzählend.

Aber deines hier nicht :). Sehr schön!

Noch eine Frage zur Form: Die ersten drei Strophen haben je 6 Verse, die letzte Strophe nur zwei. Hat diese Form einen bestimmten Namen oder entspringt das einfach nur der Dichterfreude? (Ich habe bis jetzt immer darauf geachtet, dass alle Strophen gleich lang sind und wüsste deshalb gerne, ob das von der Form her „erlaubt" ist.)

LG SilberneDelfine
 
Zuletzt bearbeitet:
P.S. Dass ein Sonett z. B. nicht aus gleich langen Strophen besteht, weiß ich natürlich ;) Aber es interessiert mich, warum in deinem „nicht feste Form-Gedicht" sozusagen ein „Bruch" ist in der Strophenlänge bzw. in der Anzahl der Verse.
 

fee_reloaded

Mitglied
Meiner auch.
Wunderbare Zeilen, liebe Claudia!
Danke, liebe Petra! Wie schön - das freut mich für euch! :)

Als mein Mann und ich zusammenzogen, kamen wir beide - was Deko oder Sammlungen angeht - aus verschiedenen Welten. Bei ihm daheim war Praktikabilität beim Staubwischen hoch angesehen und Deko eher die Ausnahme.
Und schon meine Oma hatte eine teure Vitrine mit teurem Porzellan, NIppes und Reisesouvenirs und auch bei uns daheim stand an jeder Ecke und auf jedem freien Fleckchen der Stilmöbel die eine oder andere kleine Bronze oder ein englisches Porzellan-Objekt (alles Objekte mit nostalgischem Wert, weil von diversen Reisen mitgebracht oder Freunden in der Ferne geschenkt bekommen). Ich bin also eine Art "Museums-Umgebung" gewohnt (eine Freundin von mir meinte einmal, sie fühle sich in einem solchen, als sie bei mir zu Besuch war....allerdings bestaunte sie hingebungsvoll die Inhalte der Vitrinen und die kleinen Arrangements hier und da und meinte es positiv). Ich finde Wohnungen ohne NIppes oder Ziergegenstände unangenehm kahl - man fühlt sich eben in einer Umgebung wohl, die einem vertraut ist...

Anfangs fiel das Wörtchen "Staubfänger" noch relativ oft in unserem gemeinsam gegründeten neuen Haushalt, doch inzwischen fällt auch auf meine Sammlungen sein liebender Blick und Einrichtung und Dekoration sind offiziell meine Verantwortung und werden viel gelobt.
Was hab' ich für ein Glück (?)
;)

Liebe Grüße,
Claudia


Liebe @SilberneDelfine - danke schon mal für dein schönes Lob und die intensive Befassung mit meinem Gedicht! Ich bin etwas in Zeitnot im Moment, werde also später auf deine Frage antworten. Auch dir liebe Grüße erstmal!
 

fee_reloaded

Mitglied
Warum schreibt heute eigentlich fast niemand mehr so? Humorvoll, quasi erzählend im Gedicht? Die meisten gefeierten Gedichte heutzutage sind getragen von Schwermut und sind alles andere als erzählend.
Eine gute Frage, die ich mir so ähnlich auch schon ein paar Mal gestellt habe, liebe SilberneDelfine.

Ich weiß es nicht. Ich beobachte aber, dass dieser Umstand oft auch beinahe auf meine Beurteilung von Gedichten einen - von mir gar nicht erwünschten - Einfluss nimmt. Ich muss mir dann immer sehr bewusst sagen, dass alle Gedichte aller Gattungen - wenn sie gut gemacht sind - , gleichwertig "gut" sind.
Aber irgendein kleiner Impuls in meinem Inneren verhält sich im ersten Moment so, als wären humorige oder balladenhafte Erzählgedichte nicht mehr "in" und irgendwie weniger "wert" als die ernsthaften, gequälten oder verkrypteten.

Dabei ist das erwiesenermaßen Blödsinn - ein Robert Gernhardt zum Beispiel bediente alle Sparten, ganz ohne Rücksicht auf Verluste, und das in erkennbar gleichberechtigter Geltung.
Und Wilhelm Busch und Erich Kästner schrieben beide auch ernste und gesellschaftskritische Gedichte. Ersterer hatte allerdings das Problem, dass er sein Geld mit den humorigen Sachen zu Beginn seiner Karriere verdiente und dann mit den ernsten Gemälden und Texten an der (Humor-)Erwartungshaltung des Publikums scheiterte. Außerdem bezeichnete er selbst (aufgrund überzogener Ansprüche an sich selbst) seine Bilder-Geschichten herablassend als "Chosen" (=Sachen) und maß ihnen keinen großen künstlerischen Wert bei.
Aus heutiger Sicht könnte man sagen: er hatte mit etwas großen Erfolg, mit dem er selbst seine eigenen Erwartungen gefühlt nicht erfüllte. Traurig eigentlich - noch dazu, wenn man berücksichtigt, wie dieser Erfolg noch bis heute andauert und das auf breiter Ebene.

Die Haltung, dass nur ernsthafte Kunst von Bedeutung sei, rührt auch von dort her. Ernsthafte- und Unterhaltende Kunst wurden von Anfang an in diesem Wertigkeitsgefälle wahrgenommen und etabliert. Der akademische Maler/Künstler, der seine Kunst studiert hat, im Gegensatz zum Unterhaltungskünstler, der sich nicht an den strengen Kriterien misst. Dass er das vielleicht bewusst nicht tut, um dadurch eine gewisse Freiheit und mehr Nähe zu einem weiteren Publikum zu haben, wird bei dieser Beurteilung m.E. nicht berücksichtigt. Ebensowenig, dass auch diese Kunst eine gewisse Fertigkeit erfordert und Qualitäten hat, die akademische , ernsthafte Werke gar nicht liefern können - einfach, weil es da um etwas Anderes geht.

Ich finde, man kann und sollte das gar nicht vergleichen. Wenn etwas gut gemacht ist und in mir etwas auslöst - sei es humorig oder ernsthaft - , dann ist es gut (oder sogar ausgezeichnet). Unabhängig von E oder U.

Noch eine Frage zur Form: Die ersten drei Strophen haben je 6 Verse, die letzte Strophe nur zwei. Hat diese Form einen bestimmten Namen oder entspringt das einfach nur der Dichterfreude? (Ich habe bis jetzt immer darauf geachtet, dass alle Strophen gleich lang sind und wüsste deshalb gerne, ob das von der Form her „erlaubt" ist.)

Ich befürchte, ich bin, was Gedichte (gereimt oder ungereimt) angeht, reichlich "respektlos". ;)
Mir ist wichtig, dass die Form den Leser ein wenig lenkt - also eine Aufgabe erfüllt, die dem Inhalt zugute kommt.
Oder der Rhythmik eines Textes. Im Bestfall beidem.

Im konkreten Fall soll die letzte Strophe mit nur zwei Versen einen (hoffentlich) pointierten Abschluss bilden. Das kann aus meiner Sicht eine nochmals sechszeilige Strophe so nicht leisten. Die würde nur wieder einen neuen Gedankengang eröffnen (wenn klar ist, was ich meine) und dann wäre das Gedicht einfach zu Ende. So aber macht der Zweizeiler richtig "zu".

Ich mache das aus dem Bauch heraus und je nach Gedicht bzw. dessen Inhalt im Zusammenspiel mit der Form (Strophen-Einteilung) anders. Und ich versuche schon, eine Form zu finden - allerdings eine, die sich dem Inhalt und meiner Absicht beugt. Also eher ein "form follows function". Erlaubt sollte m.E. sein, was gefällt, nicht willkürlich wirkt UND (s)einen Zweck erfüllt.
Hätte ich beispielsweise als Abschluss eine Art Conclusio formulieren wollen, wären vermutlich vier bis sechs Zeilen sinnvoller gewesen, so aber war die kurze Pointe am besten als Zweizeiler zu verpacken.

Ich hoffe, du kannst mit meinen Erklärungen etwas anfangen. (sorry, sie sind - wie immer - etwas lang geworden :cool:).

Herzliche Grüße,
fee
 
Liebe Fee,


Ich hoffe, du kannst mit meinen Erklärungen etwas anfangen. (sorry, sie sind - wie immer - etwas lang geworden :cool:).
ich kann damit sehr viel anfangen, vielen Dank!

Vor allem werde ich mir jetzt selber nicht mehr so den Kopf darüber zerbrechen, ob man es so machen „darf". Ich werde mir dann einfach an dir ein Beispiel nehmen.

LG SilberneDelfine
 
Aber irgendein kleiner Impuls in meinem Inneren verhält sich im ersten Moment so, als wären humorige oder balladenhafte Erzählgedichte nicht mehr "in" und irgendwie weniger "wert" als die ernsthaften, gequälten oder verkrypteten.
Das erklärt mir übrigens zumindest, warum sich so viele Forumuser auf die letztgenannten Gedichte stürzen, kommentieren und bewerten und die erstgenannten humorigen oder balladenhaften Erzählgedichte eher im Forum „verstauben." Ich nehme an, dass noch mehr User so denken, und ich konnte es mir vorher einfach nicht erklären, weil ich persönlich die humorigen immer schon lieber mochte. Ich dachte immer, das sei einfach nur Geschmackssache und dass ich wohl einen seltsamen Geschmack haben müsse.

Dabei ist das erwiesenermaßen Blödsinn - ein Robert Gernhardt zum Beispiel bediente alle Sparten, ganz ohne Rücksicht auf Verluste, und das in erkennbar gleichberechtigter Geltung.
Ich habe auch von ihm einen Gedichtband. Außerordentlich gut gelungen und unterhaltsam finde ich das Gedicht „Marleens Sommer", ein Zitat aus dem Gedicht: „Ich habe gepflegt/auf den Pudding gehauen/aber irgendwie/aber irgendwie/ aber irgendwie wurde mein Bauch nicht braun." Zitatende (aus dem Gedichtband „Im Glück und anderswo").
Das ist so genial komisch!

Ich finde es eigentlich schwieriger, solche Gedichte zu schreiben als ernsthafte.

LG SilberneDelfine
 
Zuletzt bearbeitet:

fee_reloaded

Mitglied
Ich finde es eigentlich schwieriger, solche Gedichte zu schreiben als ernsthafte.
Finde ich auch - wirklich gute humorige oder Erzählgedichte zu schreiben, erfordert schon wirkliches Können und ein feines Gespür für Humor.

Vielleicht ist es ja auch die Menge weniger guter Gedichte dieser Gattung, die diesen Impuls des "Weniger wert-Findens" begründet, denn davon gibt es ja (nicht hier im Forum aber in anderen) wirklich viele (und man erkennt das "weniger gut" rascher als bei den ungereimten Texten).
Das liegt m.E. an einer Täuschung: Erzähl- und Humorgedichte wirken aufgrund ihres Inhalts und der gefälligen Lesbarkeit so "leicht", so "spontan", so "volksnah" (mir fällt kein besseres Wort ein im Moment) und daher leicht zu schreiben - sie sind es aber eben nicht, wenn es wirklich gute sind. Da steckt nicht weniger Arbeit drin als bei den ernsthaften Gedichtkollegen.

Ich ärgere mich übrigens mmer über meinen im vorigen Post von mir erwähnten Impuls bzw. die Tatsache, dass ich ihn überhaupt verspüre - aber das ist wohl meiner Zeit auf der Kunstuni geschuldet...da hat man auch versucht, uns einzutrichtern, nur das Akademische, Penible, mit großem Ernst behaftete wäre das einzig Wahre. Ich habe das aber schon damals stark angezweifelt. Kunst darf auch etwas mit Freude zu tun haben und nicht jeder künstlerische Prozess muss ein schmerzhafter voller Entbehrungen und Ringen mit düsterer Materie sein. Eine gute Karikatur zum Beispiel - um wieder zum Humor zu kommen - ist unendlich viel schwieriger zu leisten als ein gefälliges kleines Stillleben. Sie kann soooo rasch peinlich werden.

Bei der humorigen Sparte fällt einfach viel rascher auf, wenn es nicht wirklich gelungen oder durchdacht ist. Schon allein deshalb finde ich diese Sparte mit der ernsthaften gleichauf, was die Schwierigkeit angeht. Und da wie dort gibt es wirklich tolle und wirklich maue Texte.

"Im Glück und anderswo" ist, glaube ich, der einzige Gedichtband von Robert Gernhardt, den ich noch nicht habe. Ich glaube, der wird jetzt dann fällig. ;)
Danke für den Tipp. Und für deine spannenden und wichtigen Fragen und Gedanken!!!!!

Liebe Grüße,
fee
 



 
Oben Unten