wandbilder

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hab wieder ein wechselbild vor augen
mein südwandfenster voll getrockneter tropfen
weißwolkig heute mit blutbuchenflimmer
windgeschmeidig erproben birken
und schwalben meinen endlosen neid

starrsinn plagt mich beim blick
auf fachwerk und geharkte vorgärten
dort zielt amor auf eine scheinmarmosvenus
und den gekrümmte rücken der schusterwitwe
eine ricke mit zwei kitzen hält sich
im schatten junger kiefern

doch
am kriegerdenkmal kacken spatzen
auf den stahlhelm des gefallenen helden
 
D

DerKleinePrinz

Gast
Guten Tag Karl Feldkamp,

dein Gedicht gefällt mir sehr gut und doch bin ich mir nicht sicher, ob ich das Recht dazu habe, diese Meinung abzugeben, da ich mich nicht in der Lage sehe, deinen Text richtig zu deuten.
Zuviel bleibt mir verborgen. Ich kann weder das südwandfenster oder den endlosen neid richtig einordnen, noch weiß ich, was eine schusterwitwe ist.

Mir kommt dein Gedicht vor wie eine bisweilen traurige Impression, die du bei einem Dorfspaziergang einfingst. Soetwas gefällt mir gut. Aber so richtig anpacken kann ich deine Zeilen bisher noch nicht, ich hoffe, es gelingt mir noch.

Liebe Grüße
DerKleinePrinz
 
Hallo Kleiner Prinz,
das Wandbild ist des LyrIchs Fenster in der Südwand seines Hauses, durch das es sein Dorf beobachten kann. Und eine Schusterwitwe ist die Witwe des Schusters.
Der Neid des starrsinnigen LyrIchs gilt den geschmeidigen Birken und Schwalben...
Wird es jetzt deutlicher???
Gruß
Karl
 
D

DerKleinePrinz

Gast
Ja Karl, ich danke dir. Ich vermute ja immer irgendwelche Symbole hinter den Worten, das kann einem manchmal den Blick nehmen.
So aber gewinne ich eine hellere Sicht auf dein Gedicht, welches mich nun tatsächlich aus dem Südwandfenster schauen lässt.
 
hab wieder ein wechselbild vor augen
mein südwandfenster voll getrockneter tropfen
weißwolkig heute mit blutbuchenflimmer
windgeschmeidig erproben birken
und schwalben meinen endlosen neid

starrsinn plagt mich beim blick
auf fachwerk und geharkte vorgärten
dort zielt amor auf eine scheinmarmorvenus
und den gekrümmten rücken der schusterwitwe
eine ricke mit zwei kitzen hält sich
im schatten junger kiefern

doch
am kriegerdenkmal kacken spatzen
auf den stahlhelm des gefallenen helden
 

Perry

Mitglied
Hallo Karl,

dein Blick aus dem "Südwandfenster" (Fenster nach Süden?) offenbahrt bzw. reflektiert einiges vom Seelenleben des LI.
Dass junge Birken und Vögel seinen Neid proben (hervorrufen?, scheint einer Sehnsucht nach Jugend zu entspringen.
Warum der Blick auf Vorgärten nebst "Inventar" Starrsinn hervorruft erschließt sich mir nicht.
Mit dem Kacken der Spatzen auf das Denkmal des gefallenen Helden (könnte der Schuster gewesen sein) verbinde ich ein eher gespaltenes Verhältnis zur Vaterlandsliebe.
LG
Manfred
 

Carina M.

Mitglied
Lieber Karl,

mir gefallen deine Zeilen, ohne Wenn und Aber.

Für mich haben deine Texte einen hohen Wiedererkennungswert. Als ich gestern die ersten Zeilen deines Textes auf der Startseite las, wusste ich sofort, das kann nur von dir sein. Mein Gefühl hat mich nicht getäuscht.

Lieben Gruß,
Carina

PS Mein Südfenster schenkt mir nur einen Blick auf Bäume und auf dem Waldweg gegenüber kommen selten Menschen vorbei. Allenfalls um ihre Hunde auszuführen oder ein paar Jogger.
 

laudabilis

Mitglied
Hallo Karl,

ich habe diesen Text sehr gerne gelesen und bewertet. Auch mich treibt das Thema Dorf seit einiger Zeit um, obwohl ich im Grunde meiner Seele im Grunde ein geborener Stadtmensch bin. In meiner Kindheit, als ich noch nicht selbst befugt war, meinen Lebensmittelpunkt zu bestimmen, hatten mich Vater und Stiefmutter aber einst für einige Zeit zu Verbannung aufs Dorf verurteilt.

LG,
laudabilis

@Perry
Die Antwort auf die von dir formulierte Unklarheit ist doch eigentlich nahe liegend. Fast keimfrei geharkte Vorgärten als Ausdruck von Lebenssinn und -einstellung müssen doch den Starrsinn jedes nur halbwegs freiheitlich gesinnten Menschen hervorrufen.

LG,
l
 
Hallo Manfred,
danke für deinen umfangreichen Kommentar. Deine Anfrage zu der Bedeutung der Vorgärten in meinem Gedicht, hat laudabilis ganz in meinem Sinn beantwortet.
Das LyrIch fürchtet sich vor Altersstarrsinn... daher auch der Neid gegenüber Geschmeidigerem..
Herzliche Grüße
Karl
 
Liebe Carina,
danke für deine Zeilen.
Habe mich darüber gefreut.
Ich schaue auch auf Wald und einen Weg, auf dem Hundebesitzer ihre Tiere ausführen. Allerdings liegen davor noch große Teile des Dorfes...
Herzliche Grüße
Karl
 
Hallo laudabilis,
danke für deinen für mich erfreulichen Kommentar.
Ich bin vor knapp einem Jahr aus der lauter Stadt in die Stille eines Dorfes geflohen. Ich möchte mich aber hüten, die dörfliche Idylle mit dem Paradies zu vergleichen. Meine Beobachtungen und Gedichte verhelfen mir, - so hoffe ich - zu möglichst realistischen Einschätzungen der Verhältnisse und Lebensweisen auf dem Lande...
Herzliche Grüße
Karl
 

Thylda

Mitglied
Lieber Karl

Mir gefällt der Kontrast von Natur zum Garten mit Baumarktornamenten. Grün und Grün sind eben nicht Dasselbe. Die Spatzen stört es nicht, ihr Beitrag wertet nicht ;)
Nettes "Stillleben".

Liebe Grüße
Thylda
 

Fleur de Sol

Mitglied
Hallo Karl,

mir gefällt gerade das Kontrastprogramm ... der Schluss ist vortrefflich gelungen, erinnert er mich doch bildhaft an sozialistische Grotesken; sehr gern gelesen!

Alle Liebe
Fleur
 



 
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