Wartezimmerromanze

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James Blond

Mitglied
Öfters zwar, jedoch nicht immer, beginnt's in einem Wartezimmer:
Sie sitzt da, ihr iPhone haltend, und er, den eignen Sitz gestaltend,
spreizt sich männlich aufgeplustert, derweil sie seine Schuhe mustert.

Nach etwas stiller Warterei ist er schließlich dann so frei,
beim "Frollein" höflich anzufragen, welches Leid sie hergetragen,
gesteht ihr kühn, als wär's ein Segen, er sei hier der Liebe wegen.

Sie, errötend und noch schweigend auf ihren linken Knöchel zeigend,
der, vermutlich leicht verstaucht, bedingt, dass sie nun zärtlich haucht:
"Spar dir bloß dein Schmalzgeseier und mach hier nicht auf dicke Eier!"

Er, als Herr der heiklen Lage, besitzt die Gunst der Gegenfrage:
"Schneller doch als alle Praxen kurier' ich selbst noch zarte Haxen!
Würden fuffzig Eier reichen, den Schmerz am Knöchel aufzuweichen?"

Nach dieser Sympathiebekundung blickt sie auf des Knöchels Rundung
und willigt kurzentschlossen ein: "Doch ein Gummi muss schon sein!" —
So rückt man auf ein kleines Stück im Wartesaal zum großen Glück.
 

Sandra Z.

Mitglied
Hallo James Blond,

normalerweise kann ich mit Lyrik so gar nichts anfangen, aber Deine Gedichte finde ich einfach köstlich!
Liebe Grüße, Sandra
 

sufnus

Mitglied
Hey Sandra Z.,
da muss ich kurz mal nachhaken. :) Die meisten Gedichte von James (inklusive dieses Beispiels) sind ja ganz typische Vertreter einer metrisch gebundenen und endgereimten komischen Lyrik.
Gerade im Deutschen ist diese Art von Gedichten ungeheuer populär und verbreitet.
Insofern wundert es mich, wenn Du diese Art von Texten die durchaus sehr "typische" (populäre, häufig geschriebene, viel verlegte) Lyrik darstellen, so gerne magst und zugleich sagst, Du könnest mit Lyrik im Allgemeinen nichts anfangen. Hat man Dir etwa diese unüberschaubar große Vielzahl von Gedichten in einem Style, wie ihn James pflegt, bis dato vorenthalten?
Das müsste man ja dann doch dringend mal ändern, damit Du in Zukunft sagen kannst: Lyrik? Mag ich sehr! (bis auf diese ernsten neumodischen Sachen, die man überhaupt nicht versteht und den altbackenen Kram von vor über zweihundert Jahren). :)
LG!
S.
 

James Blond

Mitglied
Yoho, ihr beiden, habt dank für eure kommentierten Reaktionen!

Da stimme ich sufnus gerne zu: Die komische Lyrik ist - selbst über die zurückliegenden Jahrhunderte gesehen - eigentlich kein rares Zimmerpflänzchen. Zu reizvoll ist für notorische Lästermäuler der Absturz aus den Höhen der lyrischen Sprache in die alltäglichen Niederungen unserer Existenz, als dass sie auf solches Banausentum verzichten könnten.

Wer komische Lyrik textet, weiß sich in guter Gesellschaft, allen Morgensterchen, Roths, Ringelnätzchen, Büschchen, Jandels, Ehrhardts, Gernhardts usw. sei's gedenkt & gedankt. Nicht von ungefähr haben sich die drei "Lyrik Brothers" - einst auferstanden aus den Abgründen dieses Forums - zum Ziel gesetzt, ihre komischen Reime auf die Bretter der Kleinkunstbühnen zu tragen. Mit Erfolg.

Nur — und da gebe ich auch Sandra gern Recht, spiegelt sich diese Popularität kaum (mehr) auf den Seiten der Leselupe. Hier geht es zumeist recht "anspruchsvoll" und zuweilen leider auch verbissen zu, wenn die erwartete Resonanz ausbleibt. Gut, dass es auch hier noch einige Unentwegte gibt, die sich die Mühen nicht anmerken lassen, unter denen ihre Gedichte erstellt wurden, denn komische Lyrik ist nicht einfach: Wirkt sie "geschraubt" oder "erzwungen", ist sie einfach nicht mehr komisch. :)

Liebe Grüße
JB
 

Sandra Z.

Mitglied
Hallo Sufnus, Hallo JB!

vielen Dank für diese Einführung in die "Welt der Lyrik"! Ich hatte ja keine Ahnung ... :D

Ich muss zu meiner Schande gestehen, nachdem ich Goethe, Schiller & Konsorten einigermaßen verdaut hatte, verspürte ich kaum noch Lust auf "Gereimtes" und habe mich in der Oberstufe auf "spannendere" Themen fokussiert. Das war wohl eine fatale Fehlentscheidung, wie ich nun erkennen muss, und ich freue mich sehr, dieses Genre doch noch für mich entdeckt zu haben!

Viele Grüße, Sandra
 



 
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