Warum möchte ich Schriftsteller werden?

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Papiertiger

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Mit 20, als Zivildienstleistende erzählte ich einem Rentner, mit dem ich Spaziergänge machen musste, von meinem Berufswunsch: Schriftsteller. Passenderweise saßen wir bei schönem Wetter draußen vor einem Kaffeehaus. Der wohlhabende Mann, der ausschließlich Abiturienten als Zivis wollte und sich mit diesen gerne auf Englisch unterhielt (er war Deutscher, wollte aber offenbar etwas geistige Stimulation durch die Anwendung der Fremdsprache erlangen), hielt mich für einen naiven, dümmlichen Spinner, da war ich mir sicher. Und irgendwie war das auch ein eher peinlicher Berufswunsch. Lehrer wäre ich auch gerne geworden, aber das Studium fühlte sich an als würde ich noch immer Schüler sein und ich wollte so gerne so schnell wie möglich Geld verdienen und meinen Idolen folgen: Harald Schmidt, den Figuren aus „Star Trek: The Next Generation“ (egal, ob als Erfinder, Forscher oder Technikgenie oder als Schauspieler oder Drehbuchautor, hauptsächlich ein Berufsumfeld mit Fortschritt, Sinn und Menschlichkeit). Noch lieber wäre ich ein Rockstar geworden wie Kurt Cobain, James Hetfield, Neil Young, Bruce Springsteen. Musik machen zu können, zeichnen oder Schauspiel empfand ich immer als eine Art übersinnliche Fähigkeit, als Zauberei. Für mich persönlich unerreichbar. Schreiben hingegen war realistisch. Mit Worten ganze Welten erschaffen – so wie es ein Douglas Adams, ein Stephen King oder ein J.R.R. Tolkin konnten. Oder Comics schreiben wie Stan Lee, Frank Miller oder Alan Moore, Matt Groening oder Don Martin.

Wer schreibt, der bleibt. Ich blieb lange ein Träumer, fand die Idee Schriftsteller zu sein spannender als das eigentliche Schreiben. Immer wenn ich meine, in Gedanken so opulenten Ideen, zu Papier bringen wollte, merkte ich, wie schwierig sich das gestaltete. Meine Gedanken sprangen von einer Idee zu anderen. Prokrastination oder auch Aufschieberitis. Schreiben kannst du ja später noch. Solltest Du nicht zuerst einen richtigen, nützlichen Beruf erlernen? Kafka war Jurist. Dürrenmatt war irgendwas Technisches, meine ich. Thomas Mann war Vollzeitautor, aber irgendwie auch nicht so spannend wie Douglas Adams, David Chase oder Max Goldt.

Noch einige Jahre warten, träumen und verschieben. Dann wird mich ein junger Zivi besuchen, mit mir spazieren gehen und ich kann ihm erzählen, dass ich gerne Schriftsteller und Lehrer geworden wäre, gerne geheiratet und ein Leben voller Abenteuer und Einfluss gelebt hätte, ein Leben auf Augenhöhe mit Hemingway, George Orwell und Marc-Uwe Kling.

Aber Nein! Es gilt, das Benedict Cumberbatch als Dr. Strange in seinem Marvel-Debüt lernen musste. Wie wird man Arzt? Durch Lernen und Üben! Also: jammere nicht, zerfließe nicht in Selbstmitleid, sondern übe. Drei Dinge braucht ein Autor (ich meine diese Weisheit habe ich vom Drehbuchautor von „Basic Instinct“ Joe Eszterhas) aufgeschnappt: viel lesen, viel Schreiben und ganz viel Sitzfleisch. Ich kenne Menschen, die rennen von einem Kurs Kreatives Schreiben zum nächsten. Ich selbst habe locker 20 Schreibratgeber gekauft und gelesen. Aber letztlich führt kein Weg daran vorbei, selbst zu schreiben. Möglichst jeden Tag. Und gerne mit Deadline und Zeitlimit – letzteres habe ich mir von Ray Bradburry (Die Mars-Chroniken, Fahrenheit 451) abgeschaut. Betrachte das Schreiben als Arbeit. Und bei der Arbeit wirst Du Deinen Job ganz schnell verlieren, wenn Du in der Arbeitszeit keine Leistung bringst. Kunst kommt von Können. Vor der Kunst steht das Erlernen und Verfeinern des Handwerks.

Vor einigen Tagen hörte ich zwei Kurzgeschichten aus Stephen Kings Anthologie „Nachtschicht“. Das Vorwort und die ersten beiden Geschichten haben sich direkt in meinem Gehirn eingebrannt. Was für eine schöne Sprache! Was für ein Talent, mit Worten Bilde zu zeichnen. Das fühlt sich schon edler an als einfach einen Film zu konsumieren, aber der Vergleich ist Unsinn. Jede Kunstform hat ihre Daseinsberechtigung. Ich jedenfalls möchte Schriftsteller werden. Weil es eine der größten Freuden in meinem Leben ist, mit Sprache zu hantieren (wobei mir das Reden leichter fällt als das Aufschreiben von Geschichten), das Schweifenlassen meiner Gedanken, das Erfinden und Eintauchen in Welten.

So, meine 30 Minuten Schreibsitzung sind jetzt rum. Mein Weckton ist passenderweise ein Song von Iggy Azalea namens „Work“, indem die australische Rapperin beschreibt, wie sie sich abgestrampelt hat, um ihren Traum von einer Musikkarriere in die Tat umzusetzen.
 

revilo

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Ich war auch mal Zivi, hatte eine wunderschöne Freundin, wollte eine Lehre als Buchhändler machen und ne Buchhandlung aufmachen.. mehr schlecht als recht kopierte ich in langen Nächten Gedichte von BUK und trank dazu reichlich Aldi- Whisky ......am nächsten Morgen war mir kotzübel und ich reiherte in den Papierkorb.......am Nachmittag besuchte mich meine nächste wunderschöne Freundin.....ich wollte mein Zeugs zum Besten geben, schnappte die Kladde, konnte aber nix entziffern...........ausgesprochen peinlich......vermutlich wurde es deswegen nix mit dem Schriftsteller......Danke, dass du diese Erinnerung bei mir erweckt hast.......
 



 
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