Hi Otto!
Das Gedicht beginnt mit einem für mich recht unverbrauchten Bild, wobei die Möglichkeit, auf angelaufenes Glas Herzchen (usw.) zu malen, ein Badezimmerkinderspiel ist, so alt ist wie die Verfügbarkeit von heißem Wasser zum Baden.
Nach diesem wirklich herzigen Einstieg werden die Bilder m. E. bis zur Mitte des Gedichts nach und nach etwas konventioneller, wobei der Ozean als Synekdoche für für die sehnsuchtsweckende Blauäugigkeit des lyrischen Du's die stärkste Sprach-Herkömmlichkeit bedient und zugleich einen Kipppunkt darstellt, ab dem der Text diese Rhetorik nach und nach ablegt (im wörtlichen, nochmaligen Zitat der Begrifflichkeiten).
Es ist ein Vorgang, der mich fast an eine Entkleidung erinnert und obwohl der Tonfall eher elegisch anmutet, fühle ich als kleinen und nur sehr zart angedeuteten Nebeneffekt dieser Remineszenzen in Teil 2 beinahe ein erotisches Momentum. Das ist ziemlich raffiniert, viel raffinierter als die relativ "üblichen" Sprachbilder auf Anhieb zu erkennen geben.
Mir scheint, diese Raffinesse hat viel mit der großen Liebe zum Detail zu tun, die Du diesem Text hast angedeien lassen. Ein Text möchte von seinem Autor geliebt und nicht nachlässig schnellschnell dahingewixt werden, letztere Herangehensweise, die einer Mischung aus Ungeduld und Faulheit entspringt, wirkt sich fast immer stark qualitätsmindernd aus.
Nur ein kleiner Detailbeleg für Deine Achtsamkeit im Anfertigen dieses schönen Gedichts sind die Tilden mit denen Du anstelle der üblicheren Gedankenstriche den (s. o.) etwas konventionellen Ozean flankierst. Schon liest sich das ganze viel wertiger, und man lauscht beglückt dem ozeanischen Tildenrauschen.
LG!
S.
