Was darf Satire?

Rainer Heiß

Mitglied
Was darf Satire?
Die meisten von Euch werden wahrscheinlich schon von der These gehört haben, dass Satire auch Randgruppen humorvoll karikieren dürfe, ja solle. Die Nichtberücksichtigung einer Randgruppe durch Satiriker sei, so die Behauptung, eine Form der Ausgrenzung und dementsprechend diskriminierend.
Auch wenn ich dem Ganzen in der Theorie (bis zu einem gewissen Grad) zustimme, habe ich meine Probleme damit: Türkenwitze? Behindertenwitze? Gibt es eine Grenze? Wenn ja: Wo ist sie zu ziehen?
Akzeptanz fanden z.B. die Cartoons über Behinderte von Callahan, aber eben nur, weil er selbst im Rollstuhl sitzt.
Daher meine Bitte: Schreibt mir Eure Meinung zu dem Thema!
Grüße, Rainer
 

Andrea

Mitglied
Ist das nicht zu einfach?

"Satire darf alles" - wir geben einfach alles frei zum Verriß, und wenn sich jemand dadurch verletzt fühlt, ist er das selber schuld..

So zumindest klingt es. Aber wenn vielleicht das Medium der Satire alles darf, liegt dann die Grenze nicht bei den SatirikerInnen?

Satire darf Institutionen, Gruppen, Charaktereigenschaften etc. pp. angreifen. Sie darf, muß kritisieren, denn das ist ihre Bestimmung (deshalb ist es ja Satire und nicht Humoristisches). Grundsätzlich würde ich es aber ablehenn, einzelne Personen anzugreifen. Dann aber schreit etwas in mir: Was ist mit Dieter Bohlen? Mit Verona Halöle Feldbusch? Mit dem Bundeskanzler? usw. usf. Gelten diese Personen nicht mehr als Individuen, darf man also auf ihnen herumhacken?

Satire darf kritisieren, aber nicht wirklich ernsthaft verletzen. Dann ist es keine Satire, sondern Beleidigung. Nur hat Fumma schon recht - worüber der eine noch lachen kann, treibt den nächsten in den (virtuellen) Selbstmord. Also darf die Satire letztendlich alles, was das Taktgefühl und die Sensibilität der AutorInnen erlaubt.
 
R

Ruth-Marion Flemming

Gast
Eine schwierige Frage! Satire darf sicherlich nicht alles. Sie hat ebenso Grenzen wie die gegenseitige Achtung der Menschen im Umgang miteinander. Diese Grenzen der Satire liegen zweifellos vergleichsweise tiefer, sollten aber in jedem Fall an der Gürtellinie enden. Leider läßt sich nun die jeweilige Gürtellinie nicht mit Maßband oder Stoppuhr ermitteln. Hier ist deshalb wieder der gegenseitige Respekt gefragt, eine Entscheidung, die jeder sich selbst gegenüber zu verantworten hat. Eines allerdings ist für mich klar: Wer in der Öffentlichkeit steht, vor allem wer sich danach drängt, der muß auch mit auf seine Person bezogene Satire rechnen, ein Bundeskanzler zum Beispiel nicht ausgenommen. Denn davon leben schließlich die Satiriker. Ins Spiel kommt jedoch jetzt wieder die Gürtellinie.
 

Frank Zimmermann

Junior Mitglied
Satire

Eine Satire ist, so definiert es der Brockhaus:
"eine Literaturgattung, die durch Spott, Ironie, Übertreibung bestimmte Personen oder Sachverhalte kritisieren oder verächtlich machen will. (...)"

In dieser Definition liegt meiner Meinung nach die Antwort auf die Frage, die übrigens eine unzulässige Vermischung der Satire mit dem Witz vornimmt. Entscheidend ist die Intention der Satire. Da ich mir allerdings nicht vorstellen kann, warum man Behinderte kritisieren oder verächtlich machen sollte, wüßte ich auch nicht, was sie in einer Satire zu suchen hätten. Natürlich kann man Ausländer verächtlich machen, dann vertritt man allerdings eine politische Auffassung, die von meiner sehr weit entfernt ist, weil man gleichzeitig eine Verallgemeinerung vornimmt, die ebenso dumm wie plump ist; "alle Ausländer, alle Frauen, alle Schriftsteller sind...", solche Aussagen können eigentlich immer nur in die Hose gehen.
Wenn ich allerdings eine konkrete Person mittels einer Satire kritisieren will, dann sollte mich auch eine mögliche Behinderung oder seine/ihre Staatsangehörigkeit nicht daran hindern dürfen; allerdings bleibt auch hier fraglich, ob ich ausgerechnet jenes Identitätsmerkmal als Zielscheibe für meinen Spott auswählen sollte...
 

maskeso

Mitglied
Alles

Restlos. Satire an sich ist nie das Problem - es ist die dahinterstehende Intention und vor allem ob sie erkannt, bzw. wie sie aufgefasst wird.
Wenn man etwa bigotte Moralvorstellungen einer heuchlerischen Gesellschaft angreifen will, dann sind in meinen Augen durchaus auch 'Witze' über Minderheiten drin. Das Problem (ein großes!) liegt jedoch darin, dass diese Minderheiten dann eben NICHT das Ziel der Satire darstellen. Wird das erkannt, so ist sie für mich legitim.
 
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Ruth-Marion Flemming

Gast
Im „Nebelspalter“ vom 7. November 1996 ist eine „Verlautbarung“ zu finden, die sich genau auf unser Diskussionsthema bezieht. Angesprochen sind zwar im wesentlichen Journalisten/innen, doch dürften diese Festlegungen meines Erachtens ebensogut auf die Schriftstellerei insgesamt und entsprechende Bereiche anwendbar sein:

„Medienethische Grenzen satirischer Medienbeiträge
Kein Thema – keine Person – ist aus berufsethischer Sicht a priori von der journalistischen Bearbeitung – auch in der Form von Satire – ausgenommen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung steht im Zentrum der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten". Es ist Aufgabe aller Medienschaffenden, für das Recht auf freie Meinungsäußerung einzutreten. Der grundsätzlichen Freiheit der Satire sind berufsethische Grenzen gesetzt, soweit andere durch satirische Beiträge betroffene Interessen im Einzelfall schwerer wiegen. So müssen Journalistinnen und Journalisten die Privatsphäre des Einzelnen respektieren, wenn nicht das öffentliche Interesse das Gegenteil verlangt.
Religiöse Symbole dürfen in der Satire verwendet werden, sofern sie nicht verunglimpft und lächerlich gemacht werden. Dieselbe Zurückhaltung ist zu fordern, wenn es um die hinter den religiösen Symbolen stehende Überzeugung, um körperliche Gebrechen und oder um das Sterben geht.
Aus der berufsethischen Wahrheitspflicht ist abzuleiten, daß Satire in den Medien für das Publikum als solche erkennbar sein muß. Dies schließt Übertreibungen und Verfremdungen nicht aus, jedoch müssen die Fakten stimmen, von denen die Satire ausgeht. Lügen bleiben Lügen, ebenso wie Ehrverletzungen, auch wenn sie als „Satire" deklariert werden.“

Das heißt, in der Satire ist eben doch nicht alles erlaubt!!! Und das ist gut so, wie ich meine. Gute Satire zu schreiben, ist zweifellos schwer. Vor allem wenn es darum geht, etwaige Tiefschläge, wenn sie schon sein müssen, so zu kaschieren, daß der Betroffene es gar nicht merkt. Allerdings, jemandem einen Leberhaken zu versetzen und dann zu sagen, das wäre Satire …!

Noch kurz zu einer Bemerkung von Famma: Es spricht ganz für Dich, daß Du Behinderte als „normale“ Menschen ansiehst. Mit dem Schluß, den Du daraus ableitest, nämlich deshalb über sie lachen zu dürfen, würde ich allerdings etwas vorsichtig sein. Ich bin sicher, daß kaum einer das verstehen würde. Denn Du wirst wohl vor dem ersten Lacher keine großartige Erklärung abgeben. Sofern jedoch niemand, vor allem kein Behinderter Deinen Heiterkeitsausbruch wegen eines „Behindertenwitzes“ oder dergleichen mitbekommt, dann sind natürlich Deinen Lachsalven keine Grenzen gesetzt. Und daß Du über Dich selbst lachen kannst, sagtest Du selber. Das soll ja die Voraussetzung für allen Humor sein.

Mit Gruß
Ruth
 
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Ruth-Marion Flemming

Gast
Hallo, Fumma!
Ich meinte natürlich "Fumma" und nicht "Famma". Bitte entschuldige, aber die späte Stunde ...! Mit Gruß Ruth
 

Rainer Heiß

Mitglied
Danke für die Antworten

Wie ich sehe, ist man sich auch hier nicht ganz sicher, was diese Frage angeht. Mich hat dieses Thema einfach bewegt, weil ich vor Kurzem und erst nach einigem Zögern hier einen Text gepostet habe, bei dem ich doch Bedenken hatte. Aber nachdem weder dort Proteste aufgetaucht sind noch hier die grundsätzlichen Einschränkungen überwiegen, geht`s mir wieder besser.
Grüße, Rainer
 



 
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