Was heisst es schon ein guter Mensch zu sein? (gelöscht)

D

dockanay

Gast
liebe armagan,

da hast du einen subjektiv schön gefärbten text geschrieben. einen text, der von einem jungen menschen geschrieben ist, in dem sich philosophische fragen mit erzähltem vermischen. ich will dir gern etwas zu deinem bedürfnis, diese fragen zu beantworten, einiges dazu von meinem standpunkt aus vermitteln.

die frage nache dem ich (also einem bewusstsein, dass sich seiner selbst bewusst ist) möchte ich jedoch 'bewusst' ausklammern, da mein text sonst endlos werden würde.

ethik, d.h. deine frage nach dem guten menschen, und der mensch als individuum sind nach unserem alltagsverständnis voneinander abhängig: was man tun soll oder nicht darf, hängt davon ab, was der mensch eigentlich ist und wie er sich zu der welt verhält, in der er lebt. darum geht es ja auch in deinem text. da ist rana (armagan, tugba), die viele fragen hat, und eine davon lautet: “wer bin ich? und woher weiß ich, dass ich ein guter mensch bin, wenn ich einer bin?”

zunächst müssen wir die folgende tatsache beachten, daß naturgesetze und die feststellung von natürlichen oder auch historischen tatsachen keine wertungen und keine normen enthalten. naturgesetze sind regeln über ereignisfolgen, die nichts von vorschriften enthalten und nicht übertreten werden können.

nun galt, bei allen unterschieden der alltäglichen, religiösen und philosophischen moral, im vorneuzeitlichen europa doch weitgehend unbestritten, daß sich die güter und regeln richtigen menschlichen verhaltens aus dem wesen des menschen und seiner stellung im kosmos ergeben. das biblische menschenbild enthält damit eine spannung zwischen der geschöpflichkeit des menschen als einer art lebewesen unter anderen und seiner gottebenbildlichkeit.

eine weitere spannung besteht in den beiden aspekten der natur als der paradiesisch guten oder der durch den sündenfall insgesamt verdorbenen. das schlägt wieder auf das menschenbild zurück: ist der mensch durch und durch verdorben und erlösungsbedürftig, oder hat sich die ursprüngliche güte erhalten und kann in dieser welt aktiviert werden?

wie immer diese antworten auch ausfallen mögen und welche differenzen des weltbildes in ihnen auch zum ausdruck kommen - unbestritten ist, daß die erkenntnis der welt im ganzen und der stellung des menschen in ihr entscheidend für die frage nach der richtigen lebensführung ist.

nach auffassung der modernen biologie gibt es eine angeborene neigung zu verhaltensweisen, die der verbreitung eigener und verwandter gene förderlich sind. dazu zählen die der eigenen fortpflanzung förderlichen kooperativen verhaltensweisen, werten und tugenden, die in der menschheitsgeschichte vorgekommen sind.

damit gibt es für ein ethik-relevantes menschenbild vor allem zwei quellen, auf die die ethik zurückgreifen muß:

1. die erkenntnis von anthropologischen konstanten.

2. historisches wissen.

eine solche konkrete, mit anthropologischem wissen und historischen erfahrungen gesättigte ethik stellt keine bedrohung des weltanschaulichen pluralismus dar. die neuzeitliche berührungsangst zwischen ethik und menschenbild sollte also aufgegeben werden. ohne einschluß anthropologischen wissens und historischer erfahrungen kann ethik wenig zur lösung zeitgenössischer probleme beitragen. aber ebenso ist ein wissenschaftliches menschenbild ohne anerkennung der moralischen eigenschaften und der vielfaltigen moralischen kulturen unvollständig.

es ist also verdammt schwer, eine konkrete antwort auf deine fragen zu geben, und meine zeilen sollen dir nur als hilfestellung auf der suche nach den eigenen antworten sein.


lg dockanay
 

Armagan

Mitglied
Lieber Dockanay
vielen Dank für deine ausführliche Antwort..ausführlich im Sinne von Recherche und einer Vielzahl verschiedener Gesichtspunkte zum Thema Ethik und Menschenbild..
es ist natürlich sehr schwer seine eigenen Anworten zu finden, doch gilt es die Augen nicht zu verschliessen weder vor dem was geschehen ist oder was gar noch kommen wird.
es gilt die Augen auch nicht vor sich selbst zu verschliessen.
Sich selbst zu akzeptieren mit allem was dazu gehört..nicht nur zu hören was andere von einem wollen sondern was man selbst will was die eigenen Wünsche und Traeume sind..

wenn wir uns den Rahmen nicht aussuchen können dann doch wenigstens das Bild oder?
 
B

bonanza

Gast
hallo armagan, ich konnte mich sehr gut in deinen
gedanken wiederfinden. ich glaube, jeder halbwegs
sensible mensch hat sie dann und wann, diese fragen,
die so unmöglich, ja, unheimlich scheinen.
wie ist das möglich, dass es mich gibt, dass ich funktioniere?
wer spricht da aus mir? wieso bin ich plötzlich so
ängstlich? warum möchte ich mich am liebsten verkriechen?
habe ich angst vor dem leben? vor der endlichkeit?
was ist das leben? das glück in der liebe?
ich verstehe mich selbst nicht. ich sehe einen menschen,
in dessen haut ich stecke. ich. ich? ich falle in diesen
menschen, in seinen körper, in seinen geist, in seine
gedärme, sein herz, seine arme und beine, seinen rumpf,
seinen kopf, sein gesicht, seine augen, seinen mund,
seine stimme, seine sprache, seine bewegungen, sein
denken, seinen alltag, seinen tätigkeiten, seinen sorgen,
sein leben, seinen launen, seinem glück und seinem
unglück ... . ich bin dieser mensch. ich bin er ganz und
gar. wie ist das möglich? und warum will ich mich am
liebsten verkriechen? woher kommt die angst? habe ich
angst, mich zu verlieren?
ich bin mir fremd. das leben ist fremd. die welt ist fremd.
dabei - das kann doch gar nicht sein, dass ich mich fremd
fühle. das geht doch gar nicht. werde ich verrückt?
ist mein geist verrückt? warum kann ich das letzte nicht
begreifen? bin ich nur eine denkende maschine?
ein roboter im alltag?
und in der liebe? und meine gefühle? mache ich mir nur
etwas vor?
...
armagan, so kann das endlos weiter gehen. ich liebe
texte wie deinen, wo menschen in sich abtauchen und mit
befremden sich und dem leben gewahr werden. absurd.

bon.
 

Armagan

Mitglied
lieber bon
vielen dank für deinen wundervollen kommenntar
er ist sehr wertvoll für mich..ich glaube eine der schönsten sachen der welt ist es zu wissen dass man nicht allein ist..mit seinen fragen,aengsten,sorgen und zweifeln..

danke
 



 
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