Was ist Lyrik?

A

Ameise

Gast
Liebe Mitglieder,

ich habe eine vielleicht dumme Frage: Was genau versteht man unter Lyrik - ich meine: Wo fängt Lyrik an und wo hört sie auf?

Reimen kann sicherlich jedes Kinderl, aber was ist die wahre Lyrik? Welche Kriterien muss man beachten um beachtet zu werden???

Ich hoffe, ihr alle helft mir weiter, da mein Herzerl wirklich an der Lyrik hängt - wenns denn richtige Lyrik ist.
 
K

Kadra

Gast
da mein Herzerl wirklich an der Lyrik hängt - wenns denn richtige Lyrik ist.
Hallo Ameise,

dann bitte ich dich als Einstieg in die Frage um deine Definition von Lyrik, es gibt sie offenbar.

Lieben Gruß von
Kadra
 
T

theubner

Gast
...zuerst auch die Gegenfrage, was DU denn als "richtige Lyrik" bezeichnen würdest...


...also - was ist Lyrik?.. meine (anfechtbare) Definition:..

...Lyrik ist die wortverwebende obere Grenze menschlicher Ausdrucksfähigkeit, welche neben sprachlichen Kunstgriffen auch weitreichende Emotionen mit hintersinnigen Gedankengängen vereint... im Gegensatz zu Epik und Drama steht bei der Lyrik nicht die Handlung, das vorgehende Ereignis im Mittelpunkt - sondern vielmehr gilt es mittels geeigneten Stilelementen eine Stimmung aufzubauen, den Leser/Hörer in diese illusorische Welt zu ziehen - und zum Verweilen/Nachdenken anzuregen...

...Lyrik zwingt weder zum Einhalten eines Reimes, eines Metrums noch zur Beschränkung auf ein eng begrenztes Wortspektrum - vielmehr eröffnet sie jede Möglichkeit den Drang nach Sprache vollkommen auszuleben - was auch immer das für jeden Einzelnen heißen mag... einzig prosaisch - also versfrei erzählend sollte Lyrik nicht werden, wobei aber auch diese Grenzen weit gefasst sind und unendliche Weiten zur freien Entfaltung bieten...

...letztlich ist es eine Sache persönlicher Vorlieben, was man als "richtige Lyrik" bezeichnet - ICH würde auf jeden Fall jede Form von undurchdachtem Herumgereime und dahergeschnöseltem Heruntergeratter nicht als Lyrik bezeichnen wollen...


...und zu Deiner Frage, was man beachten muss um beachtet zu werden - ist DAS nicht egal?.. aber wenn Du es unbedingt wissen willst - schreibe so wie die Anderen hier, schmiere ihnen Honig um den lyrischen Milchbart und kratze bis Dir die Fingernägel bersten...

...oder lieber nicht - um nicht wahr- sondern ernstgenommen zu werden...

...G::T-H::E - theubner...
 

Renee Hawk

Mitglied
meine Definition (ebenfalls anfechtbar):

Lyrik ist Musik ohne fremde Instrumente

liebe Grüße
Reneè

PS.: Ansonsten sehe ich es wie theubner
 
A

ameise

Gast
Hmm. Danke erst einmal für eure Antworten.

Meine Definition ist das, was ich einmal in der Schule gelernt habe.
Zum einen blanke Dichtung mit Reim. Zum anderen Gefühle und Sinneseindrücke in Worten ausdrücken, die ebent keine harten, nackten Sätze bilden.

Werde mich einfach mal bemühen, der hier vorgegebenen Linie zu folgen und auch gute Beiträge zu schreiben.

Danke nochmals.

Ameise
 

unbekannt2581

Verbotenes Mitglied
theubner hat das sehr gut beschrieben. Renee auch.
So hab ich das mal formuliert :

Was ist Lyrik für mich ?
( © 2001 mikel ))
Das hab ich für mich so definiert. Wie gesagt das gilt zunächst nur für MICH. Dies ist keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern eine Definition für MICH als Autor.
Lyrik ist das „virtuelle fotografieren“ von Empfindungen, Gedankengängen, Gefühlen, Wertungen, Gewichtungen, Aushebelungen, Neuordnungen, im Gehirn zu Worten „weiterverabeitet“ und verdichtet, von Ballast befreit, komprimiert ( = verdichtet ) zu „Wortverbindungen“, nachfolgend Gedichte genannt.

Die Form ergibt sich aus der Verarbeitung, zeigt den Fluss der Gedanken, folgt deren Rythmus. Der Inhalt diktiert die Form. Die Aussage dominiert alles. Der Grad der Verdichtung richtet sich ausschliesslich am Inhalt aus. Eine statistisch-statische Verarbeitung erfolgt ausschliesslich im Unterbewussten. Konstruktionen lehne ich für mich ab. Nachbearbeitungen nur in Zeitnähe.

Lyrik lebt von Bildern, gibt Tiefe wieder, regt zu Tiefe an. Je tiefer die „Gänge“ sind, desto lyrischer die Lyrik; wobei Tiefe nicht Unverständnis implementiert, sozusagen Ungüte der Lyrik darstellt; nicht treudeutsche „Bierernsthaftigkeit“ ist gemeint, nein, Verständnisstiefe, eindringen in die Sache, die Dinge, die Welten; und wenn Lachen angesagt ist, oder Zynik, dann ist es so, ist. Auch in der Form.

Die Formen der Lyrik sind so vielfältig, wie ihre Protagonisten, so vielfältig wie ihre Leser oder noch besser Leser / Hörer.

Lyrik ist gut, wenn Leser/in sich im Gedicht wiederfindet, die Gedankentiefe spürt und sich auf den Wellen der Verdichtung zu eigenen Gedankengängen, Empfindungen, Gefühlen „genötigt“ fühlt.

Ich staune über die Meister der starren Formen, bewundere sie, achte sie. Ich vermag mich der Fron der starren Form allerdings nicht zu beugen. Das muss ich zu oft. Mich der starren Form beugen. Mich anpassen, dem Zeitgeist frönen, einordnen, im Rhythmus unserer Sekundengeschichte mitpendeln, einordnen.

Wenn ich schreibe, will ich frei sein. Nur meinen Gedankengängen folgen, mein Inneres aushorchen, die Dummheiten der Welt wiederkäuen und ausspucken, wenn es geht, befreit lachen, am liebsten über mich und meine Schreiberei.

Ich habe Probleme mit Worten wie Kunst, Lyrik, Literaur. Das sind Schubladen, grosse Worte, oft aufgeblasen, aufgebauscht, unverdichtet, am Leben vorbei, bar jeder Realität. Wichtig für die Kritik. Kritiker / in braucht Anhaltspunkte zum vergleichen. Zum Schreiben braucht man das nicht.

Kunst wird zur Kunst, weil irgendjemand sagt : das ist Kunst. Lyrik zur Lyrik, weil...

So definiert ist meine „Geschreibe“ Lyrik. Weil ich es so nenne. Empfindet mein Leser / Kritiker auch so, ist das Werk gut, wenn nicht auch gut. Es gibt noch mehr Leser und noch mehr Dichter.....


Und Kadra's Definition ? ( duck )

mikel
 
M

margot

Gast
ameise

der begriff der lyrik verbreitert sich ständig, wie
es auch der begriff der kunst im allgemeinen tut.
lyrisch kann ein plakattext sein oder eine mauerkritzelei,
ein klospruch oder die weihnachtsansprache des bundes-
präsidenten. es existieren keine festen grenzen zwischen
lyrik und prosa. allerdings gibt es beispiele eindeutiger
lyrik sowie prosa. aber auch haufenweise texte, die sich
je nach eigener sichtweise höchstens tendentiell mehr
in richtung lyrik oder prosa bewegen. darin bin ich zb.
spezialist. ich schreibe zuhauf sogenannte prosagedichte.
da rümpfen hier zwar viele die nase drüber - aber das
ist, glaube ich, deren problem.
was ist also lyrik? klassisch gesehen zumeist das reimgedicht, daß nach bestimmten vorgaben in reim,
silbenzahl oder versmaß gedichtet wird. in der modernen
kunst befreite man sich von solch enggeschnürtem denken.
das betrifft natürlich alle sparten des künstlerischen
ausdrucks: musik, malerei, plastik, aktionskunst, tanz,
architektur, schriftstellerei ...
heute ist lyrik ein ziemlich veralteter begriff, der
für einen neuling eigentlich nur für verwirrung sorgt.
nein, ameise, eigentlich gibt es keine vorgaben.
nehme dir ein blatt papier und lasse deinen assoziationen
freien lauf. es gibt sprachen, die an sich schon
sehr lyrisch angelegt sind. das arabische zb..
also wenn ich in diesem sinne "lyrik" übersetzen sollte,
würde ich sagen: "bildhafte, metaphernreiche sprache".

netten gruß
und viel spaß beim dichten

ralph
 
K

Kadra

Gast
Begriffsbestimmung

Hallo in die Runde,

der Lyrikbegriff, abstammend vom griechischen "lyra" (Leier), entwickelte sich aus dem Lied der Barden. Formell meint er Gedichte, in Abgrenzung zu den epischen und dramatischen Arbeiten in der Dichtung. Die lyrische Form ist kurz und vielfach in Verse gegliedert. Mehrere Verse sind oft zu Abschnitten zusammengefasst; sind die Abschnitte eines Gedichts gleich gebaut, spricht man von Strophen. Häufig benutzte Formen der Lyrik sind Lied, Ode, Hymne, Elegie, Ballade, Epigramm, Sonett und Madrigal. In der Form des Volkslieds ist die Lyrik über die ganze Erde verbreitet. Heute wird zumeist in freien Versen, in freierer Form lyrische Dichtung betrieben.

Soweit zum Begriff "Lyrik". Damit kommen wir nicht viel weiter. Die Frage sollte daher eher heißen:

Was ist ein Gedicht? Was ist ein poem?

Jede Epoche, ja sogar jeder einzelne Dichter hat sein eigenes Bild von dem, was ein Gedicht und was Poesie eigentlich sein sollte. Aber es gibt Gemeinsames!
Auch hier wieder sollte das Griechische weiter helfen: poeima bedeutet "etwas Hergestelltes, etwas Erschaffenes" - im Gegensatz zur Prosa, der spontanen, freien und ungekünstelten Rede. Ein poem grenzt sich also von der einfachen, ungestalteten Rede durch "etwas Hergestelltes" ab.

Im poem erhält die Sprache eine dem Leser oder Hörer deutlich erkennbare Struktur. Das kann der allbekannte Reim sein, es gibt aber auch ganz andere Merkmale, etwa eine Rhythmisierung der Sprache durch Versmaß, sich wiederholende Anfangsbuchstaben (Alliteration), eine Zählung der Silben -alles Merkmale, welche die Sprache eines Gedichts an das Wesen einer anderen Kunstform heranrücken: an die Musik! Eine entscheidende Rolle spielt hierbei das sprachliche Bild (Methapher). Wir finden in fast allen Gedichten aussagekräftige Vergleiche und plastische Bilder. Der dichterischen Phantasie sind hier (vor allem in der modernen Lyrik) kaum Grenzen gesetzt!

Absicht des gestalteten poem ist es, durch die außergewöhnliche, eben nicht "prosaische" Form die Bedeutung des Gesagten zu unterstreichen, entweder durch die erhabene, musikalische Form an sich - oder durch eine sprachliche Verdoppelung des Gesagten, indem nämlich die Art der Sprache die Vorgänge ihrem WESEN nach und nicht eins zu eins wiedergibt. Bündelung, Bild, Ton, Akzent, Melodie. Dies und vieles mehr sind Kriterien eines guten Gedichtes.

Der Zwang zur sprachlichen Form enthält böse Fallen: Jeder ungeschickte Reim, jedes zu simple Bild, jedes klappernde Versmaß macht ein Gedicht wirkungslos und drückt es auf das Niveau von Bierzeitungsversen.

Lieben Gruß von
Kadra
 
M

margot

Gast
kadra, den letzten abschnitt hättest du dir sparen können.
du bist wohl nicht up to date?
das gedicht wird schon lange nicht mehr durch die form
bestimmt. jedes gedicht, jedes kunstwerk bestimmt für
sich eine form. es orientiert sich lediglich an konservativen formvorgaben. die lyrik, die kunst im
ganzen befindet sich im wachstum. darum ist weit mehr
möglich - als beispielsweise noch vor 50 jahren.
und es wird keinen schritt zurück geben.
ähnlich wie in den wissenschaften und in der technik.
wir müssen damit leben, daß der begriff "flugzeug"
heute andere bilder vor unserem geistigen horizonte
wachruft als vor knapp hundert jahren.
mit den begrifflichkeiten in der kunst verhält es sich
ebenso.

ralph
 
K

Kadra

Gast
Einige Zitate zu der Frage:

Was ist ein Gedicht?

Roman, Short Story, Gedicht. Die Idee, dass man ein Gedicht hinfetzen und etwas auf den Punkt bringen kann, hat etwas Verlockendes. Das scheint wirklich der kürzeste und knackigste Weg zu sein. Warum einen Roman schreiben, wenn man es in zehn Zeilen sagen kann?
Das Gedicht ist der einsame Favorit auf der Zielgerade. Daran führt nichts vorbei. Es wird das Rennen machen.
Charles Bukowski


Weitere suche ich gerade noch raus...

Lieben Gruß von
Kadra
 
M

margot

Gast
und seine gedichte entsprechen absolut nicht
dem gängigen bild von lyrik.
 
K

Kadra

Gast
Ich schätze ihn auch Ralph, doch sollen auch andere zu Wort kommen.

Eine sympathischste Definition dessen, was ein Gedicht sei, findet sich in Conradys "Großem deutschen Gedichtbuch"genauer in der zweiten revidierten Auflage von 2001. Sehr!! zu empfehlen das Buch.

Zur Lyrik gehören alle Gedichte, und Gedichte sind sprachliche Äußerungen in einer speziellen Schreibweise. Sie unterscheiden sich durch die besondere Anordnung der Schriftzeichen von anderen Schreibweisen, und zwar durch die Abteilung der Verse, wofür bei der "visuellen Poesie" die Bildgestaltung mit den Mitteln des (nicht immer nur) sprachlichen Materials und der Schrift eintritt. Der Reim ist für die Lyrik kein entscheidendes Merkmal. ... Der Autor entscheidet durch seine Wahl der Anordnung des Textes, ob er ihn als "Gedicht", als "Lyrik" ansieht und angesehen haben will. Erst in genauer Einzelbetrachtung lässt sich zeigen und muß beurteilt werden, ob und wie im Zusammenhang mit "Thema" und "Textorganisation" das jeweilige Gedicht welche Bedeutung gewinnt, welche Intention es leitet, an wen es sich richtet, was seine spezielle Schreibweise besagt und gemäßt welcher Kriterien es als gelungen oder mißlungen einzuschätzen ist.
 
K

Kadra

Gast
Hier ein Gedicht, das gleichzeitig die Definition eines Gedichtes liefert:

Definition
(von Erich Fried)

Ein Hund
der stirbt
und der weiß
daß er stirbt
wie ein Hund

und der sagen kann
daß er weiß
daß er stirbt
wie ein Hund

ist ein Mensch.
 
K

Kadra

Gast
die Öffentlichkeit lebt nämlich vielfach der Meinung: da ist eine Heidelandschaft
oder ein Sonnenuntergang, und da steht ein junger Mann oder ein Fräulein, hat eine
melancholische Stimmung, und nun entsteht ein Gedicht. Nein, so entsteht kein Gedicht.
Ein Gedicht entsteht überhaupt sehr selten – ein Gedicht wird gemacht. Wenn Sie vom
Gereimten das Stimmungsmäßige abziehen, was dann übrigbleibt, wenn dann noch etwas
übrigbleibt, das ist dann vielleicht ein Gedicht.
Gottfried Benn
 
M

margot

Gast
kadra, das ist nicht die definition eines gedichtes
- sondern die definition eines menschen, der sich bewußt
wird, daß er stirbt wie ein hund.

r.
 
G

Gegge

Gast
DREI FRAGEN ZUGLEICH
Darf ein Gedicht
in einer Welt
die an ihrer Zerrissenheit
vielleicht untergeht
immer noch einfach sein?

Darf ein Gedicht
in einer Welt
die vielleicht untergeht
an ihrer Zerrissenheit
anders als einfach sein?

Darf eine Welt
die vielleicht an ihrer
Zerrissenheit untergeht
einem Gedicht
Vorschriften machen?

(Erich Fried)
 

unbekannt2581

Verbotenes Mitglied
eine der schönsten Definitionen der letzten Zeit las ich bei
Eufemia Pursche http://www.wortsetzung.de, in der LL auch als eufemiapursche bekannt :

Ein Gedicht schreiben


Ein Gedicht
schreiben
Erleichterung
des Herzens
Befreiung
des Geistes
sich entkleiden
eines Kleides
schmutzig vor Schlamm


liebe Grüsse

mikel
 
G

Gegge

Gast
ach, Eufemia Pursche = eufemiapursche ?

sieh mal an, interessant, wer hätte das gedacht?
Da muss man erst mal drauf kommen *grins

Mikel dein unterschwelliger Humor ist fast so gut, wie die von Dir zitierte Definition von Femi.

Gruß Gegge
 



 
Oben Unten