Was Krieg ist

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Scal

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In aller Kürze. Ja.

"die einander gar nicht kennen"

Warum sollte ich eigentlich auf einen Menschen schießen, den ich gar nicht kenne, der aber vielleicht sogar mein bester Freund sein könnte, würde ich ihn kennen? Nur weil ich Österreicher bin und der andere nicht? Das haben wir uns beide ja gar nicht ausgesucht, wo hinein wir geboren werden. So dachte ich während meiner (gab noch keinen Zivildienst damals) Zeit beim Bundesheer und ich habe diese Meinung damals auch eigensinnig vertreten und beim Schießen auf Pappkameraden deshalb immer absichtlich "danebengeschossen".
Krieg ist natürlich ein sehr vielschichtiges Thema, weil ja dabei allerlei kentaurische Trieb- und Instinkt-Mächte (meist propagandistisch) aufgeweckt werden und mit ins Spiel kommen (Jagdtrieb, Selbsterhaltungstreib, Gruppendynamiken etc.).

Gegebenenfalls, so sagte und sage ich mir, müsste die individuelle Überzeugung so stark auf ganz eigenen Beinen stehen können, dass sie eine langjährige Gefängnisstrafe oder sogar den Verlust des eigenen Lebens in Kauf nimmt. Aber ob dann diese Kraft wirklich vorhanden ist, wenn es "darauf ankommt", das kann ich mir zwar im Moment bejahend einreden, ganz sicher wissen kann es freilich nicht wirklich.

Lieben Gruß
Scal
 
Hallo Scal!

Sehr sympathisch, die Erzählung von deiner Zeit beim Bundesheer, wo du noch nicht mal auf Pappkameraden schießen wolltest.
Gefällt mir wirklich, diese Einstellung.

Wie man sich verhält, wenn es wirklich hart auf hart kommt, weiß man natürlich immer erst hinterher und kann man nur hoffen, derlei Prüfungen nie bestehen zu müssen.
Mit einer Sensibilität, wie sie aus deinen Worten spricht, wärst du aber vermutlich niemand, der sich vorschnell zur Gewalt hinreißen lässt – das ist schon viel wert, wie ich finde.
Gerade heute ist das schon was Besonderes.

Sei lieb gegrüßt,

Erdling
 
Hallo Dichter Erdling,

eigentlich gibt es deinem Gedicht gar nichts mehr hinzuzufügen.

Krieg bedeutet genau das:

wenn Menschen,
die einander gar nicht kennen,
sich gegenseitig
BIS!
AUFS!
BLUT!
bekämpfen
Ich machte vor kurzem im realen Leben die Bemerkung, warum denn nicht einfach diejenigen, die den Krieg befohlen haben, das unter sich austragen könnten statt hunderttausend andere in den Krieg zu schicken. Natürlich wurde ich schief angesehen. Wie kann man auch auf so eine Idee kommen ...

Ich habe vor kurzem Bertha von Suttners Buch „Die Waffen nieder" gelesen. Kann ich jedem nur empfehlen.

LG SilberneDelfine
 
Zuletzt bearbeitet:
Fraglos ein spitzenmäßiger Zeitpunkt, um „Die Waffen nieder“ zu lesen!
Fragt sich nur, mit welchen Anwürfen man eine Bertha von Suttner heute wohl abkanzeln würde?
"Lumpenpazifistin, die ja doch keine Ahnung hat und weltfremde Bücher schreibt, welche im Grunde doch nur eine bitterböse Propaganda stützen…" - ich kann sie förmlich hören.

Liebe Grüße,

Erdling
 
Hallo Erdling,

mich hat an dem Buch eigentlich etwas anderes beschäftigt. Es wurde ja noch vor dem ersten Weltkrieg beschrieben und handelt teilweise von der Schlacht bei Königgrätz.
Was hat das heutzutage noch für eine Bedeutung?

LG SilberneDelfine
 
Hallo Erdling,

mich hat an dem Buch eigentlich etwas anderes beschäftigt. Es wurde ja noch vor dem ersten Weltkrieg beschrieben und handelt teilweise von der Schlacht bei Königgrätz.
Hat diese Schlacht heutzutage noch eine politische oder gesellschaftliche Bedeutung?
Ich hatte, ehe ich das Buch las, nie von dieser Stadt gehört.

LG SilberneDelfine
 
Hat diese Schlacht heutzutage noch eine politische oder gesellschaftliche Bedeutung?
Im Hinblick auf den Ablauf der folgenden anderthalb Jahrhunderte gewiss, denn ohne diese damalige Weichenstellung wäre unser Leben in Europa heute ein wesentlich anderes.

Hier findet sich eine gute Darstellung zur Schlacht und ihrer Bedeutung:


Es soll bis zum 1. Weltkrieg die weltweit größte Schlacht überhaupt gewesen sein. (Manche sagen das allerdings von der Leipziger Völkerschlacht, dann war die Königgrätzer die Nr. 2.) Der Ausgang hatte auch große Nachwirkung im öffentlichen Bewusstsein. In großen Teilen der mitteleuropäischen Öffentlichkeit sah man mit dem Ergebnis so etwas wie ein Ende der Geschichte gekommen, in dem Sinne, dass alle wichtigen Fragen entschieden wären. So gesehen erschienen der baldige Sieg über Frankreich und die Reichsgründung gewissermaßen nur als Ratifizierung von Königgrätz. Das deutsche Bürgertum im letzten Jahrhundertdrittel hielt daraufhin die außenpolitische Situation des Deutschen Reichs für unerschütterlich, ein folgenschwerer Illusionismus. Und hier kann man die Parallele zur jüngeren Vergangenheit und zur Gegenwart sehen: Auch nach 1989 sahen die Sieger sich als unbesiegbar und trafen Entscheidungen, die mit zu neuen größeren Krisen führen mussten.
 
Eigentlich war meine Frage rein rhetorisch gemeint :)

Chat GPT antwortete mir auf die Frage, ob die Schlacht um Königgrätz für die heutige Zeit eine Rolle spielt, dies:

Zitat:
„Die Schlacht von Königgrätz im Jahr 1866 war ein entscheidender Moment in der deutschen Geschichte, der zur Gründung des Deutschen Reiches im Jahr 1871 führte. Insofern hat die Schlacht von Königgrätz bis heute eine wichtige historische Bedeutung für die deutsche Identität und die europäische Geschichte. Die Gründung des Deutschen Reiches war ein bedeutender Schritt in der Entwicklung Deutschlands zu einer führenden Macht in Europa. Die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Entwicklungen, die aus der Schlacht von Königgrätz und der Gründung des Deutschen Reiches hervorgingen, haben Deutschland in vielerlei Hinsicht bis heute geprägt. In der heutigen Zeit ist die Schlacht von Königgrätz jedoch nicht mehr von direkter politischer Bedeutung. Die Ereignisse von vor über 150 Jahren haben keine unmittelbaren Auswirkungen auf die politischen oder gesellschaftlichen Entwicklungen in der Gegenwart. Dennoch bleibt die Schlacht von Königgrätz ein wichtiges historisches Ereignis, das für die Identität und das Selbstverständnis Deutschlands von Bedeutung ist und bleiben wird." Zitatende

Was ich im Zusammenhang mit Erdlings Gedicht damit sagen wollte: In 100 oder 150 Jahren verliert vieles an Bedeutung. Und dafür mussten hunderttausende Menschen im Krieg sterben?

Damals kämpften Preußen gegen Österreicher. Heute gehört die Stadt weder zu Deutschland noch zu Österreich. Aber vielleicht habe ich das auch nicht so richtig verstanden.

Damit Erdlings Gedicht nicht verschoben wird, belasse ich es hier dabei.
 
Zuletzt bearbeitet:

petrasmiles

Mitglied
Lieber Dichter Erdling,

dem ist nichts hinzu zu fügen.

Im Übrigen denke ich, dass jeder Krieg - und jede Schlacht - weil sie geschehen ist, nicht aufhören wird zu wirken.

Von daher finde ich es befremdlich, eine KI zu fragen, ob die Schlacht von Königgrätz heute noch bedeutsam sei - was eine Bewertung ist, die sich ein Mensch selbst vorbehalten sollte. Vielleicht kann eine KI besser Fakten beschaffen, aber wenn sie auch urteilen soll, wenden wir sie falsch an. Über das 'Spielzeug' wird es dann zum Taktgeber, weil so ein Unfehlbarkeitssurrogat den Menschen verunsichert und er eher einer Maschine als seinem Verstand traut. Sie weiß nichts besser, sondern nur mehr.

Liebe Grüße
Petra
 
Im Grunde verherrlicht doch jeder, der von der einen oder anderen „bedeutenden Schlacht“ spricht, das Mittel des Krieges – oder er nimmt es zumindest als politisches Mittel hin.
Dass in den Schlachten tausendfach abgeschlachtet wurde, verschwindet dabei hinter der Glorie des Triumphes einer jeweiligen Konfliktpartei.
Das ist vielleicht spitzfindig; aber in einer Zeit, in der das Schlachtfeld und der militärische Triumph schon wieder gängiges Mittel der Politik zu werden scheint, ist es vielleicht notwendig, derart feinspürig zurückzuschauen.
Eben, um besseren Mitteln den Vortritt zu geben und um aus der blutigen Geschichte die heilsamen Lehren zu ziehen.

Bei dem, was Bertha von Suttner in ihrem Roman schreibt, tritt die jeweilige Schlacht in der Bedeutungsebene ja auch ebendarum zurück: Um den Blick freizugeben auf das unerhört Grausame, das Krieg für die Beteiligten nun mal effektiv bedeutet.
Wohl auch darum hat sie die Romanform gewählt, meine ich.

Mit dem Problemfeld KI habe ich mich grad auch ein bisschen beschäftigt (wenn auch in anderer Hinsicht).
Ihrerseits Produkt einer kapitalistischen Realität, die auf konfrontatives Wachstum getrimmt ist, wird sie wohl kaum diese Realität in friedlich-kooperative Zustände überführen können. Wenn man davon ausgeht, dass sie doch nur mit menschlich eingespeisten Daten operiert, wird sie vermutlich viel eher zu Schlüssen wie diesen kommen: Krieg gehört zu den Menschen, Krieg ist menschlich normal, Krieg ist immer auch lukrativ, Krieg kann Machtgewinn bedeuten und Schlachten waren immer schon „bedeutsam“…
Auf die KI würde ich mich nicht verlassen.

Soweit meine Gedanken zum Thema, jedenfalls für heute.

Liebe Grüße an alle, die sich mit dem Text beschäftigen,


Erdling
 
Nun, Erdling, ich denke nicht, dass man die beiden Perspektiven auf Schlachten so gegeneinander in Stellung bringen sollte. Wer sich auch der historisch-politischen zur Analyse bedient, verherrlicht damit noch nichts. Nimmt er etwas hin? Er betrachtet den Ablauf, der schon stattgefunden hat, unabhängig von seiner persönlichen Akzeptanz oder Nichtakzeptanz. Seine Analyse sollte nur nicht mit dem momentanen Triumph oder der momentanen Niederlage aufhören, sondern die weitere Entwicklung miteinbeziehen. Damit kann er zeigen, wie das Rad der Geschichte sich weiterdreht, wie Siege zu neuen Kriegen führen, mit mehr Opfern und wie durch Schlachtenglück gewonnene Macht doch zerrinnen muss. Zugleich sollte er die in den Blick nehmen, die die Kosten jener Kriege unmittelbar zu tragen haben, durch Tod oder Verstümmelung. Also die Opfer zeigen und zugleich nachweisen, dass sie vergeblich, sinnlos sind.

In unserer älteren Prosa-Literatur gibt es ein besonders eindrucksvolles Beispiel, wie ein Soldat eine Schlacht unmittelbar erlebt. Ulrich Bräker (1735 - 1798) beschreibt in den Kapiteln 55 / 56 seiner Autobiografie "Der arme Mann im Tockenburg" sein persönliches Erleben der Schlacht von Lobositz. (Er war aus der Schweiz nach Berlin gelockt, in die preußische Armee gepresst und zur Teilnahme am Siebenjährigen Krieg gezwungen worden.)
 
Hallöchen Arno,

meine Aussage war bewusst ein wenig provokant gewählt und stellt an sich keinen Anspruch auf Universalgültigkeit dar, sollte eher ein Nachdenk-Impuls sein.

Der historische Rückblick ist natürlich immens wichtig, um aus der Geschichte zu lernen (wie man gerne sagt); da spielen natürlich konkrete Kriegsverläufe und einzelne Schlachten oft eine erhebliche Rolle fürs Gesamtverständnis.
Aber wie SilberneDelfine weiter oben schon schrieb: Im Verlauf der Zeit relativiert sich so manch großer „Sieg“ auf der Bedeutungsebene erheblich, während die Zahl der Getöteten und Verwundeten als Absolute stehen bleibt.
So ist denn dies vielleicht auch die erste und oberste Lehre, die aus jedwedem Abschlachten zu ziehen ist:
Dass etwaige Rechtfertigungen, mit denen man Menschen gegeneinander in den Krieg hetzt, sich nachträglich als äußerst brüchig erweisen.
 



 
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