Was macht das Faultier im Kühlschrank

Pinky

Mitglied
oder
Ehekrise eines Drachentöters


Müde und zerschunden ging die Tür zu der kleinen Zweizimmerwohnung auf, erschöpft fiel eine Tasche neben die Garderobe. Siegfried hätte sich am liebsten gleich daneben hinfallen lassen, wäre da nicht die sichere Gewissheit gewesen, dass er dort relativ unbeachtet liegengeblieben wäre. So schleppte er sich mühsam weiter.
"Hallo, Schatz! Bin wieder da!" rief er kraftlos in die Wohnung.
"Wie war's in der Arbeit?" kam die übliche Antwort aus der Küche zurück, doch sowie ihn seine liebende Frau sah, stieß sie auch schon entsetzt hervor: "Meine Güte! Wie siehst du denn aus?" Er musste wahrhaftig keinen schönen Anblick bieten: Abgerissen, angesengt, rußig und voller Blut, wobei nicht wenig von ihm selbst stammte. Eine wohlige Wärme durchflutete Siegfried, dass er eine so mitfühlende Frau hatte.
"Zieh dich ja um und wasch dich bevor du dich zum Essen setzt!"
Natürlich, war ja klar ...
Siegfried ließ sich dennoch ermattet auf einen Stuhl fallen und streckte die Beine weit von sich. Seine Frau bedachte ihn dafür mit einem finsteren Blick, der ihn einige seiner Schmerzen vergessen ließ, doch Siegfried blieb sitzen.
"Wo warst du bloß?" wollte seine Frau wissen ohne ihn anzusehen.
"In der Arbeit", war Siegfrieds knappe Antwort.
"In der Arbeit?" wiederholte seine Frau kreischend, und nun war sie herumgefahren und funkelte ihn wütend an. "Du warst die letzten drei Tage fort und hast nicht ein Wort von dir hören lassen! Was soll das bitteschön für eine Arbeit sein!"
Das wusste sie ganz genau, und Siegfried bemühte sich nicht, darauf zu antworten. Stattdessen beschränkte er sich darauf, den schmerzenden Nacken zu massieren. Er wäre außerdem gar nicht zu einer Antwort gekommen.
"Drachentöter!" schimpfte seine Frau sogleich weiter ohne innezuhalten. "Wie kann man nur auf so einen Blödsinn kommen?"
Naja, nachdem er das letzte Einhorn erlegt hatte, hatte er zwangsweise umsatteln müssen ...
Sie schimpfte noch ein wenig weiter, doch das meiste davon ging unter, als unten im Ort die Turmuhr dreizehn schlug, was bedeutete, dass sich der bucklige Glöckner wieder verzählt hatte. Siegfried verstand sein geliebtes Weib erst wieder als sie aufgebracht wiederholte: "...drei Tage!"
"Verzeihung, dass sich Drachen nun mal nicht täglich von acht bis sechzehn Uhr erlegen lassen und freitags nur bis zwölf, an Wochenenden und Feiertagen frei!" ging Siegfried nun zum Gegenangriff über. "Der Beruf des Drachentöters ist nun einmal nicht einfach! Ich musste die ganzen drei Tage im Gebüsch auf der Lauer liegen bis das Biest von seinen Raubzügen zurückkehrte, und dabei hab' ich fast nicht geschlafen! Und dann erst der Kampf ... Ich habe sogar meinen Drachenführer verloren! Zugegeben, er war schon etwas angekohlt und ihm fehlten ein paar Seiten ..."
"Mein Bruder ...", sagte Siegfrieds Frau gedehnt, seinen Einwurf völlig ignorierend.
Natürlich! Ihr Bruder! War Gerichtsvollzieher. Und somit prädestiniert als Beispiel für Vergleiche beruflicher Karrieren. Was sie allerdings stets zu erwähnen vergaß, war, dass er schon dreimal im Krankenhaus gelandet war ﷓ durch aufgebrachte Schuldner. Siegfried seufzte und stand auf, um sich ein Bier zu holen.
Als er den Kühlschrank öffnete, hing darin ein Faultier. Es fror ein bisschen, aber sonst ging es ihm ganz gut.
"Und mein Schwager ..." lamentierte inzwischen sein geliebtes Weib weiter. Er war Lehrer, allerdings ein einziges Nervenbündel, das sich schon seit drei Monaten nicht mehr in die Klasse wagte.
"Ihre Frauen haben es viel besser!" erklärte seine Frau gerade, als Siegfried sein Bier zischend öffnete. "Ihr Männer kümmern sich wenigstens um sie! Du bist nie zu Hause während ich Todesängste um dich ausstehen muss und wenn du endlich einmal wieder heim kommst, lässt du dich auf einen Stuhl plumpsen, nimmst dir ein Bier und willst deine Ruhe! Und ich kann immer deine angesengte Arbeitskleidung waschen und flicken! Weißt du eigentlich , dass Drachenblut noch sehr viel schwerer rausgeht als dein eigenes?"
"Jetzt ist es aber langsam genug!" Geräuschvoll stellte Siegfried der Drachentöter sein Bier ab. "Ich riskiere Tag für Tag mein Leben, schlafe auf unbequemen Steinen, in dornigen Gebüschen, hole mir Unmengen von Brandblasen und musste mehr dankbare Jungfrauen abweisen als andere überhaupt je zu Gesicht bekommen, nur um regelmäßig Geld nach Hause zu bringen und du hast nichts besseres zu tun als meine Arbeit zu kritisieren! Ich komme wenigstens immer wieder heim, was viele Witwen meiner Kollegen nicht behaupten können. Und worüber beklagst du dich eigentlich? Lebst du schlecht? Fehlt es dir an irgendetwas? Brauchst du mehr Geld? Oder warum regst du dich eigentlich so auf?"
"Weil ich von dir nie Rosen krieg", lautete die schlichte Antwort.
 

Arathas

Mitglied
Rosen

Interessanter Ansatz - aber das Ende ist mehr als lahm, finde ich. Schön, es mag tatsächlich sein, daß eher die kleinen Dinge im Leben zählen... aber trotzdem... kein sehr befriedigendes Ende... drum nur eine 6.
 

Phylthia

Mitglied
anfang & ende

Hallo Pinky,

also, ich muss mit Arathas uebereinstimmen.
Die Geschichte ist gut geschrieben und hat viele nette Details (der sich verzaehlende Gloeckner, das Faultier im Kuehlschrank), die mich schmunzeln lassen.
Aber das Ende passt nicht wirklich. Ich finde es irgendwie komisch, dass die staendig noergelnde Ehefrau sich ploetzlich in eine Romantikerin verwandelt (aber hey! - so sind wir Frauen nun einmal... *fg*).
Ich muss allerdings gestehen, dass Kurzgeschichten bei mir auch meistens unbefriedigend enden, weil ich nie weiss, wie ich aufhoeren soll.
Warum laesst du die Ehefrau nicht was anderes verlangen? Vielleicht irgendetwas, womit sie bei ihren Freundinnen angeben kann? Das nur als Vorschlag.
Aber sonst gefaellt mir die Geschichte sehr gut!
Weiter so!
Gruss, Phyl
 

Pinky

Mitglied
Rosenkrieg

Die Rosen nur deshalb, weil es oft nur die kleinen Dinge im Leben sind, die einen unzufrieden machen. Doch mag sich jeder seine eigene Interpretation erstellen, ich danke lediglich für die lobenden Worte.
 



 
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