Was man wissen sollte

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jon

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Liebe rosenrot,

wir sind doch hier aber Leute, die schreiben, oder irre ich mich?

Es geht nicht um das einzelne Komma, zumindest nicht, solange der Sinn nicht entstellt wird. Es geht auch nicht um den einzelnen Fehler. Es geht um das Prinzip, dass, wer öffentlich agiert (und wer Text veröffentlicht, tut das), Verantwortung trägt. Text-Veröffentlicher zum Beispiel dafür, dass die Sprache auch in Zukunft leistet, was die leisten soll, und dazu muss sie gepflegt werden. Ob es uns gefällt oder nicht – alles, was wir lesen, prägt, wie wir schreiben. Die "Fehlerquote", die ganz automatisch durch Irrtum oder Nicht-Fachmann-Sein entsteht, ist groß genug – Schreiber haben die verdammte Pflicht, diese Quote nicht noch durch Unterstützung der "Ist doch egal!"-Mentalität zu erhöhen (diese Mentalität ist auch ohne das verbreitet genug). Sprache ist – und auch das ganz unabhängig davon, ob es und gefällt oder nicht – Kultur- und Wissensgrundlage. Sprache ist das wichtigste Denkwerkzeug, das wir haben. Schrift wiederrum ist "Sprachwerkzeug", ist "Speicher", "Formel" und "Transportmittel" für Sprache.

Deshalb ist mein Hauptproblem mit dem Text auch nicht das einzelne Komma (auch wenn das natürlich zur Wirkung beiträgt) oder die einzelne Unkorrektheit (und erst recht nicht gezielte Unkorrektheit (als Stil/Aussagemittel)), sondern die Botschaft "Wer auf korrekte Sprache Wert legt, ist doch bescheuert!".
 

jon

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Kein Komma: Sie meinen, dass das (was wie) sein sollte und dies (was wie) ist/wäre.

Der Konjunktiv im 2. NS ist streitbar. Korrekt wäre "Sie meinen, dass dies so wäre." Aber da der 1. NS nicht wie die Konjunktiv-Form von "Sie meinen: Jeder soll das wissen!" klingt sondern wie die grammatikalisch wohl nicht anders zu lösende Form von "Sie meinen: Jeder sollte das wissen!" klingt der korrekte Konjunktiv im 2. NS "nicht passend".
Sprache ist Formel & Klang – hier kollidiert das. Man muss sich entscheiden oder eine andere Formulierung wählen.
 
R

rosenrot

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Liebe Jon,

also eine Grundsatzdiskussion.

Ich selbst arbeite an der Genauigkeit meiner Sprache unaufhörlich. Wenn Du beispielsweise in "Blind Date" hineinschaust, wirst Du voraussichtlich feststellen, dass die Sprache exakt, wohlüberlegt und korrekt ist. Ich lege sehr hohe Maßstäbe an, was die Sprache aller meiner Texte angeht. (Bluefins sowieso, seine Sprache ist vorbildlich.)

Andere Menschen beurteile ich da sehr viel lässlicher. Kürzlich habe ich im Internet mit einem Legastheniker gechattet, was ich sehr interessant fand (natürlich ohne es ihm zu sagen). Fühlte er sich ruhig und sicher, machte er nicht einen einzigen Fehler. Wurde er emotional, purzelten die Buchstaben drunter und drüber durcheinander. Trotzdem wusste ich immer ganz genau, was er mir sagen wollte mit dem, was da wie Buchstabensalat auf meinem Monitor erschien.

Wenn ich Paules Text als ironischen Nonsense goutieren kann, so bedeutet das für mich nicht, mit meinen eigenen Texten sprachlich nachlässig umzugehen. Es zeigt nur meine Haltung anderen Menschen gegenüber. Wer kann sich sicher sein, alles so genau zu wissen? Sprache lebt, sie hat sich schon immer entwickelt, bedenke doch nur die Lautverschiebungen im Mittelalter. Und Konrad Duden. Und die Rechtschreibreform. Wie gesagt: was gestern noch falsch war, kann morgen schon richtig sein.


Liebe Grüße vom rosenrot
 
R

rosenrot

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Liebe Jon,

was Du zu den Konjunktiven sagtest, habe ich nicht verstanden. Könntest Du es bitte nochmal am Text nachvollziehbarer machen? Es interessiert mich.

Liebe Grüße
rosenrot
 

jon

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Schön, dass du auf deine Sprache achtest. Ich unterstelle doch aber nicht, dass, wer Fehler übersehen will (weil der Text mitreißt, geht mir doch auch oft so), schlampt. Mich stört, wenn ein Autor verlangt, dass man seine Fehler zu übersehen habe, weil alles andere Größenwahn, Verfolgung, Schikane oder Schlimmeres ist. Das ist doch die Botschaft dieses Textes. Und die ist es, die ich ums Verrecken nicht akzeptieren will.

Auch bei andern Sachen nicht. Wenn ich z.B. als Nutzer eines Videorecorders entscheide, dass es mich nicht stört, wenn das Zählwerk nicht geht, dann ist das meine Sache. Aber wenn der Hersteller verlangt, dass es mich nicht zu stören hat, dann ist das eine bodenlose Frechheit. In der Kunst gibt es natürlich noch die Möglichkeit, zu sagen, dass das kaputte Zählwerk wesentlich für die Botschaft ist. Dann entsteht aber eine andere Diskussion, nämlich z.B. die, ob ich "Kunst" hinnehmen muss, wenn ich einen Videorecorder gekauft habe ...
 
R

rosenrot

Gast
Liebe Jon,

ich war noch nie so gut im Interpretieren. Die von Dir genannte Botschaft hätte ich niemals aus dem Text herausgelesen. Ich hielt es für so eine typische Paule´sche Kolumne, in der er launig Alltagsgeschehen aufspießt und in ein herrlich blödsinniges ironisches Ambiente fügt. Am Schluss macht er ja den Schlenker, dass er selber das tut, was er bemängelt, nämlich, sein eigenes (Fußball)Wissen als einzig wichtig hinzustellen. Also von vorne bis hinten ironisch zu werten. Keine Weltliteratur, aber mir hebt es die Mundwinkel, und das find ich schon gut.

Liebe Grüße
rosenrot
 

jon

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… der Konjunktiv. *kopfkratz* Schwierig.

Punkt eins, der da drin steckt:
Ich weiß nicht, ob es einen Fachbegriff dafür gibt, ich nenne es in Lektoraten "Kategorie". Einige Stilblüten entstehen so: "Er nahm Hut, Stock und sich anschließend das Leben." Das ist grammatikalisch (und wohl auch semantisch fast) korrekt, klingt aber "daneben". Weil "Er nimmt den Hut" und "Er nimmt sich das Leben" in ganz anderen "Kategorien" ablaufen. Öfter passiert sowas: "Ich habe Hunger und ein Eis gegessen." – Das "habe" wird einmal als Vollverb und zugleich als Hilfsverb benutzt – das ist semantisch nicht korrekt und bringt zudem eine "Zeitverwerfung" mit sich.


Punkt zwei, der da drin steckt:
Manche Formulierungen sind im Laufe der Zeit "um-belegt" worden, werden nicht mehr "wörtlich" benutzt. Manchmal sind es nur Nuancen, manchmal "grobe" Abweichungen. Extremstes Beispiel: "Nicht rund" ist zwar dasselbe wie "unrund", aber "nicht glücklich" ist nicht dasselbe wie "unglücklich".
"Du solltest das wissen" ist zwar pro forma und auch inhaltlich der Konjunktiv "Du sollst es wissen" = "Du musst es wissen", wird aber eben auch sehr, sehr oft in genau dem selben Sinn wie "Du sollst es wissen." benutzt.
(Der Unterschied? "Du musst das wissen, also hör zu!" geht, "Du müsstest das wissen, also hör zu." ist ungewöhnlich, weil auf "Du müsstest das wissen" eher sowas kommt: "Was hast du denn bisher gemacht?" oder "Nun kümmre dich mal!". Bei "Du sollst es wissen, also hör zu ... "geht "Du solltest es wissen, also hör zu… ", ohne dass man – sofort – stolpert.)
Das hat den "Klang" so verändert, dass der Teilsatz "nicht mehr als Konjunktiv gehört" wird – kombiniert man ihn nun mit einem "hörbaren Konjunktiv" klingt es, als wären die Kategorien durcheinander gekommen.


Sprach-Puristen müssten nun sagen: "Ich schreibe beide Satzteile im Konjunktiv, so wie es sich gehört, schon um die Sprache zu pflegen." Bin ich dafür.
Künstler sagen: "Es muss rund klingen". Und haben durchaus auch Recht.
Streitbar (in Sinne von Argumente abwägen, um eine Entscheidung treffen zu können) ist nun, ob hier der Klang wichtiger (und der Grammatik-Fehler lässliche Sünde, weil brauchbares Stilmittel) ist oder ob man den Klang des Textes dem "Erziehungsauftrag" opfert (, heißt: Ist der "Erziehungsgewinn" so groß, dass man dabei die Ablenkung vom Rest-Text in Kauf nehmen will – eine Ablenkung, die bei jedem "Stolperer" passiert).


In dem Fall hier würde ich vielleicht(!) nach einer ganz anderen Satz-Lösung suchen, was aber natürlich einen riesigen Eingriff in den Klang bedeuten würde, was gerade am Textanfang immer eine extrem heikle Sache ist. Ich wüsste jetzt nicht, wie man es "teilt", ohne dass der Klang leidet bzw. ohne dass man auch den folgenden Satz/die folgenden Sätze "umklingen" müsste …
 
R

rosenrot

Gast
Die meisten Leute meinen, dass das, was sie wissen, jeder wissen sollte und das, was sie nicht wissen, nicht so von Belang ist.
Du meinst:

"Die meisten Leute meinen, das, was sie wissen, soll(t)e jeder wissen, jedoch das, was sie nicht wissen, sei/wäre nicht so von Belang" ?

Liebe Grüße
rosenrot
 

jon

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… löst das Problem nicht wirklich, weil immer noch beide Nebensatz-Verben mit dem Konjunktiv-fordenden "meinen" verkoppelt ist. Entkoppelt wäre: "Manche meinen, was sie wissen, sollte jeder wissen. Alles andere halten sie für belanglos." / "Manche meinen, das, was sie wissen, sei Allgemeinbildung und alles andere belanglos." / "Manche meinen, das, was sie wissen, sei so wertvoll, dass es alle wissen sollten, wohingegen das, was sie nicht wissen, ohnhin nicht wissenswert sei."

Zu der Interpretation: Mag sein, dass ich nach langen Lupenjahren sehr empfindlich auf das Thema (Wer Fehler findet, darf sie behalten. *Argg!*) reagiere, aber es ist schon ein Unterschied, ob jemand auf der Straße anfängt, mir was von Oper zu erzählen, oder ob in einem Autorenforum Rechtschreibung und Grammatik zur Sprache kommen (, denn es geht ja wohl um so eine Umgebung, da die Probleme in Story, Spannungsbogen etc. laut Text durchaus "gejagt" werden dürfen).
 
B

bluefin

Gast
wenn ich nochmals ein bisschen nachhelfen darf: der satz

Die meisten Leute meinen, dass das, was sie wissen, jeder wissen sollte und das, was sie nicht wissen, nicht so von Belang ist.
ist so nicht korrekt.

der schreiber hält die forderung, jeder sollte wissen, was "leute" wissen, für surreal und verwendet deshalb richtig nicht den konjunktiv I (der heißt nämlich solle), sondern den konjunktiv II ("irrealis"). gleiches gilt für den zweiten teil des satzes: natürlich meint unser @paule auch hier, dass die meinung der "leute" eine falsche ist. deshalb ist analog der konjunktiv II erforderlich: nicht "ist" und nicht "sei", sondern "wäre".

zu der kultusbürokratischen komma-nummer kann ich euch nur sagen, dass z. b. rundfunksprecherInnen damit nicht mehr klar kommen. sie hauen dir jeden reformtext um die ohren und verlangen, dass du ihn in einen direkt sprechbaren umwandelst - oder ihnen mehr geld gibst. dann machen sie sich die für die aussprache wichtigen kommatas vor der sendung selber rein (verschissen hast du's aber trotzdem bei ihnen).

hallo @paule, bist du noch da? vielleicht willst du ja rundfunkjournalist oder fernsehredaktör werden, oder du schreibst mal ein theaterstück (dir trau ich das glatt zu, mein freund) - dann kümmer dich um die beistricherln und die semicolons! sie sind wirklich wichtig, draußen im leben (hier drin eher nicht so).

euch allen liebe grüße aus münchen

bluefin
 
an alle Rechtschreib-Freaks

Genau dieser Vorgang des seelenloses Sezierens von Texten in leichtfertigem Außerachtlassen von Inhalt und Stil war der Grund für mich, den Deutschunterricht zu hassen und auf lange Jahre hin die Lust am Lesen verloren zu haben.

Mich stört an Texten ganz anderes: Geist- und Humorlosigkeit. Gegen deren Autoren dürft ihre gerne mit mir Seit an Seit in den Krieg ziehen.

Und noch eins zu jons Stil: Ich finde, Du benutzt viel zu oft das Wort "dass" als Nebensatzbeginn (wie immer auch so ein Nebensatz heißen mag).

Mein Motto: "Meide allzuviele "dass"e, den übermäßigen Gebrauch von Adjektiven und RTL2 - dann klappts auch mit dem Leser!"

P.S. an Jon: Mein gottverdammte Pflicht ist nicht die Rechtschreibung (Viedeobandzählwerk), sondern die Sorge um mein Kind und natürlich die Lektüre des Kicker).
 
B

bluefin

Gast
tja, @paule, da kann man wohl nix machen. ein gewisses maß an beratungsresistenz ist gerade in der heutigen zeit zwar keineswegs fehl am platze, wenn man's aber übertreibt, wächst sich sowas zur saftigen anosognosie aus, und dann könnt's düster werden: üpsilantis uns becksteins lassen grüßen...

eigenen stil findet man nicht dadurch, dass man einen haufen unabsichtliche fehler macht. solche falschspieler geigen ziemlich bald nur noch ganz allein vor sich hin.

tipp: behalt deinen humor und deine geistige frische und sei so frech, wie du nur kannst, aber nerv uns nicht damit, dass du zu faul (oder zu stolz) zum fehlerchen ausbessern bist - sintemal in sätzen, die dir so wichtig sind, dass du sie uns gleich fettgedruckt zu gehör bringen möchtest.

natürlich zwingt dich hier niemand, denn wir sind nicht in der ach so ungeliebten schule. nur in einem popeligen forum, in dem ein paar knipser wie ich anteil nehmen an dir und deinen texten.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 
Text verbessern

Nichts läge mir charakterlich ferner als Beratungsresistenz, jedoch weiß ich a) nicht, wie man Texte verbessert und b) ist es für den später hinzu kommenden Leser seltsam, wenn er Fehlerverbesserungskommentare über einen fehlerfreien Text liest.

Selbstredend nehme ich mir eure Vorschläge zu Herzen und werde fortan meine gesamte Energie in die Richtigschreibung meiner Beiträge legen.

Es grüßt, Paule
 
B

bluefin

Gast
so ist's recht, @paule!

verbessern geht so: mit dem cursor auf das links unter deinem quelltext befindliche bücherl-symbol "bearbeiten/löschen" fahren und mit der linken maustaste anklicken. dann deinen text korrigieren und auf "ausführen" klicken.

die ursprüngliche fassung bleibt erhalten - sie ist unter dem neuen text als datierte, vorherige fassung anklickbar, sodass die bisherigen kommentare nachvollziehbar bleiben.

und schon ist ruh' über allen wipfeln.

lg

bluefin
 



 
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