Liselotte Kranich
Mitglied
Was vollendet das Glück?
Vor etwa 10 Jahren stellten wir, mein Mann und ich, unser Leben auf den Kopf. Wir heirateten und suchten ein Plätzchen auf dem Planeten Erde fürs Gemeinsam-glücklich-Sein. Die Suche nach einem Nest zog sich in die Länge. Ich musste jedes Mal zur Besichtigung aus einem anderen Land anfliegen. Ich konnte leider nicht zu allen Terminen erscheinen. Und so nach einem meinerseits verpassten Besichtigungstermin erhielt ich von meinem Mann eine Liebeserklärung für einen alten Bauernhof. Die Sache war entschieden. Er musste eine rege Fantasie und viel Vorstellungskraft zu dem Zeitpunkt gehabt haben. Was soll’s. Deshalb mag ich ihn auch.
Nach der Euphorie kam die Arbeit. Wir krempelten die Ärmel hoch und gingen im Haus an die Tapete sowie auf dem Hof an die alten Bauten. Als erstes musste ein riesiger Betonklotz verschwinden. Ich konnte es kaum glauben. Mittendrin auf dem Hof stand eine „Kackegrube“. Und das im 21. Jahrhundert. In manchen Dörfern blieb die Zeit halt stehen. Uns war klar, dass der Weg lang sein wird. Das Lebensprojekt „mein schönes Landhaus“ ist immer noch nicht abgeschlossen. Der Weg wurde mittlerweile zum Ziel. Nach vielen Jahren nähern wir uns langsam der Perfektion, wie wir sie uns vorstellen.
Ohne Wald gekauft zu haben, wurden wir mit dem Erwerb des Grundstückes glückliche Waldbesitzer, was uns nicht wirklich glücklich machte. Unsere lieben Vorbesitzer hatten fleißig Weihnachtsbäume gepflanzt und vergaßen, sie zu verkaufen. Auch wenn wir uns in der Tat all die Jahre mit den Weihnachtsbäumen selbstversorgen konnten, hätten wir uns dieses Stück Arbeit gleich am Anfang gern erspart. Die Fichten waren viel zu groß und standen dicht aneinander. Wir mussten den Wald im ersten Jahr stark lichten, damit er überhaupt nach etwas aussah.
Die Zeit im Sommer war uns dafür zu schade. Den Spaß ließen wir für den Winter. Im Winter verbrannten wir die Äste auf dem Grundstück. Wo denn sonst? An einem Tag drehte der Wind. Wir räucherten das halbe Dorf ein. Die wachsamen und empfindlichen Dorfbewohner schickten den Ortsvorsteher zu uns zwecks Belehrung. Recht hatten sie. Eigentlich haben wir eine wunderbare Sammelstelle für den Holzschnitt. Der Haufen wird zweimal im Jahr angezündet. Rund um die beeindruckend große Feuerstelle versammelt sich das ganze Dorf.
Im Einräuchern des Dorfes war ich von Anfang an die Weltmeisterin. Wie jede „progressiv denkende“ Großstädterin wollte ich im ersten Jahr das überraschend viele Laub auf die Schnelle loswerden, indem ich es anzündete. Mein Glück war, dass wir damals in unserem Haus noch nicht übernachteten. Die voll verrauchten Dorfbewohner fluchten an diesem Abend in unsere Richtung. Hier habe ich keinen Zweifel. Wer sich rechtzeitig aus dem Staub macht, erspart sich den Ärger. Einen zweiten Versuch wagte ich nie. Für alle, die das noch nicht wissen: Frisches Laub brennt nicht. Es ist zu nass dafür. Sagt aber nicht, dass ich die Einzige war, die das unbedingt selbst überprüfen wollte.
Die ganzen Strapazen mit unserem Wäldchen haben sich aber gelohnt. Unbewusst schufen wir den günstigen Lebensraum für Steinpilze. Besser und bequemer kann man es nicht haben. Das ist wie ein Segen Gottes. Wir fragen nicht, warum und wieso. Wir nehmen die Gaben an und sind glücklich. Wir sind fleißig und essen alles artig vom Teller auf. Wir möchten wieder von der Natur gelobt und belohnt werden.
Vor einem Jahr stieß ich per Zufall im Internet auf das Thema, dass man Pilze vermehren kann. Ein netter, russisch sprechender Mann erzählte und zeigte, wie man´s macht. Auch wenn es uns unglaubwürdig schien, ergriffen wir die Chance, der Natur etwas nachzuhelfen. Wir konnten wenig falsch machen. Im schlimmsten Fall würden wir keine Unmengen an Steinpilzen haben. Mit der Menge der von alleine wachsenden Pilzen waren wir ohnehin zufrieden. Lange Rede, kurzer Sinn. Ob die Steinpilze sich auf dem natürlichen Wege verbreitenten oder es doch mit dem Vermehren klappte, ist schwer zu sagen. Wenn es jedoch so weiter geht, werden wir bald Pilze in unserem Wäldchen mit einer Sense mähen. Es darf sich bloß nicht rumsprechen. Neider gibt es mehr als genug.
Mancher großgewachsener Pilz ist echt ein Prachtexemplar. Wie in der Kindheit in den Bilderbüchern. Da konnten sich Igel und Eichhörnchen unter dem Pilzhut vom Regen schützen. Ich würde sagen, dass für die Vollendung unseres Glückes nur ein Wurstbaum fehlt, und eventuell aber nicht obligatorisch ein Eierstrauch.
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