was wir wohl finden werden 1
Was wir wohl finden werden?
„Was wir wohl finden werden...“, seit wir aufbrachen sinnierte Mic’ahele zum wiederholten Mal darüber.
„Vielleicht nichts“, erwiderte ich genauso wie jedes Mal davor. „Es ist schließlich nur eine Legende. Gib dich keinen zu großen Hoffnungen hin.
„Nun, Llhan’de Tik, mein Geliebter, ich denke, ein wahrer Kern wird auch hier bestehen“, widersprach sie mir hartnäckig. Sie verzog dabei ihre rot geschminkten Lippen zu einem entzü¬ckenden Schmollmund. „Der einheimische Rehidur-Pak findet es auch. Sonst hätte er uns bestimmt nicht dazu überredet, diese Segelschiff zu mieten.“
Dich, korrigierte ich sie im Stillen, er überredete dich, während der Mondkonstellationen mein letztes Geld auszugeben.
Wenn, ja wenn, wir in der Stadt geblieben wären, und damit auf trockenem Boden, hätten wir eine Passage auf der ‚Samdirafar’, einem Raumschiff des K’ihr Koloq gebucht, das derzeit auf dem Raumha¬fen von Talin steht. Auf sicherem Boden des Imperiums hätten wir ein paar gut bezahlte Aufträge abschließen können. Für unseren Kurzurlaub auf diesem Hinterwäld¬lerplaneten Nok, hatte ich bereits viel zu viel Geld ausgegeben, so dass ich einen dicken Auftrag benötigte, um mein Konto wieder aufzufüllen. Vor mehreren Tagen landeten wir auf dem Planeten Nok um nach einem kräftezehrenden Auftrag für die Ther'an'gelis, den Gehimdienst des Imperiums, ein wenig auszuspannen. Nok ist, ähnlich Llamar, für seine touristischen Anziehungspunkte bekannt, für Spielbanken und Gaststätten, Erholungsorte und Sehenswürdigkeiten, die jeder Spezies aus K’ihr Koloq etwas zu bieten hat, sowie sämtliche Bedürfnisse und Geschmäcker erfolgreich bedienen. In den letzten Tagen gab ich mein Geld viel zu großzügig in den verschiedensten Ausstellungen und Museen aus, verpulverte es in Kasinos und natürlich in den zu teuren und mehr als nur standesgemäßen Unterkünften. Hier flirtete ich ausdauernd mit der liebreizenden Mic’ahele. Wir gehören zum Volk der Lünokk, einer Rasse, die den Menschen der Star Light Union am ähnlichsten sind. Unser Sonnensystem liegt direkt an der Grenze des K’ihr Koloq zur Sternenlicht Vereinigung. Unsere Haut ist durch die viele Sonnenbestrahlung wie Wüstensand gefärbt. Verschiedene Körperstellen sind dunkler schattiert, so zum Beispiel unsere Wirbelsäule. Und auf dem Kopf hat meine Mic’ahele wunderschöne lange Haare, die ihr bis auf den Po herunter reichen. Mein Haar ist ebenfalls schwarz mit einem kleinen Blaustich. Wir zwei sind für Vertreter des Volkes der Lünokk ein angenehm anzusehendes Paar. Im Augenblick möchte ich jedoch anderswo sein, aber ich beherrschte mich, um Mic’ahele nicht zu enttäuschen.
„Schau dir die drei Monde an“, sagte sie. Ich bemerkte schon dass sie in sehr romantischer Stimmung war. „Sind sie nicht wunderschön?“
Wir brauchen eigentlich keine Worte, verstehen uns allein durch unsere Körpersprache. Ich mag jedoch den Klang ihrer Stimme, die mir immer wieder eine Gänshaut bereitet und sie weiß es. Ich blickte nach oben. Nok hat drei Monde, und vor einiger Zeit hatte ich gelesen, Mondlicht sei eine wichtige Zutat für eine romantische Atmosphäre. Das war einer der Gründe, warum ich diesen Planeten besuchen wollte. Der andere Grund war das seltene Zusammentreffen der Monde. Sie würden heute in einer direkten Linie übereinander am Himmel über Nok stehen. Das war auch der Grund, warum wir uns auf einem unterbesetzten Segelschiff befanden und sich unangenehm weit vom festen Land befand.
Toriban, der Rehidur-Pak-Kapitän des gemieteten Schiffes, saß an einem Nachbartisch im Restaurant, indem wir gestern zum Abendessen eingekehrt waren. Klein wie alle Rehidur-Pak wirkte er zwischen seinen K’ish K’ihr Begleitern seltsam fehl am Platz. Die K’ish K’ihr hatte er zu eben diesem Ausflug überreden wollen. Er wirkte eigentlich immer fehl am Platz, wenn er an Land, fernab des nächsten Gewässer war. Das erregte Mic’aheles Aufmerksamkeit. Sie interessierte sich viel mehr für Toribans Schmährede als für mein Süßholzgeraspel der Bewunderung. Nebenbei erkältete sich ihr Essen und die gegrillte Snorg-Brust auf ihrem Teller blieb unbeachtet liegen. Rehidur-Paks sind aufrechtgehende, zweibeinige Amphibien. Toriban ist blaugrün und hätte sich fast als Chamäleon betätigen können, wenn er sich vor die gleichfarbige Restaurantwand gestellt hätte. Der Kopf war mit hellgrünen Schuppen im Gesicht und fast keinen Ohren verziert. Bei jedem Wort, wedelte er mit den langen, dünnen Fingern, die immer noch durch Schwimmhäute verbunden waren. Er redete seltsam und abgehackt, unterstützt von Händen und Füssen und die Atemmaske ließ ihn hart und näselnd klingen. Ich wusste inzwischen, dass Rehidur-Paks normalerweise durch Vibrationen kommunizierten, die vom Süßwasser übertragen wurden. Zudem diente eine Maske dazu, sich außerhalb des nassen Elements verständlich zu machen. Salzwasser war genauso wenig wie Luft ihr angestammter Lebensraum, sie waren reine Süßwasserlebewesen. Aber es schien so, als ob die Rehidur-Paks ihre Ängste überwunden und sich mutig auf das Große Nok-Meer hinausgewagt hatten.
Mic’ahele unterbrach meine Grübeleien. „Ist es nicht romantisch"?“, flüsterte sie. Sie lehnte sich neben mir gegen die Reling und blickte hinauf zu den drei Monden von Nok. Sie hingen tief am Himmel und berührten fast die Meeresoberfläche. „Echt romantisch,“ flüsterte sie und schmiegte sich an mich, „die drei Monde, die sanfte Brise auf meiner Haut, das Knistern der Segel über uns, all dass eben. Wahrhaftig romantisch.“
„Für einen Rehidur-Pak ist das eher nicht der Fall“, sagte ich und legte meine Hand auf ihren Rücken, fuhr mit der Hand ihre Wirbelsäule herunter. „Im Augenblick ist Vormittag und der einzige Zeitpunkt, zu dem man diese Monde sehen kann. Die Rehidur-Pak von Nok sind ohnehin abergläubisch, vor allem was ihre Monde und den Tag- und Nachtwechsel betrifft. Heute sind die Verhältnisse besonders extrem. Zumindest konnte ich das den Prospekten entnehmen, die ich durchgesehen habe. Kein Wunder, dass Toriban keinen Einheimischen dazu bringen konnte, ihn zu begleiten. Fälle von Selbstmord, Wahnsinn, Hysterie mehren sich. Es ist sogar so, dass ...“
„Ja, ja“, sagte sie nüchtern und ohne ihren verträumten Blick in den Augen sah sie zu mir hoch. Dabei war ich nur knapp einen Kopf größer als sie. „Es ist also eine ganz bestimmte Mondstellung. Daran ist nichts Romantisches, wie? Wenigstens nicht für dich. Hysterie! Wie romantisch!“
„Der Tag der drei Monde “, sagte ich, „ und alles ist romantisch und vollkommen, wenn du bei mir bist.“
Sie grinste und offenbarte mir ihre Zähne, die wie eine Reihe Zuchtperlen aussahen. Sie lehnte sich wieder gegen mich. „Ich bin froh, dass wir hierher gekommen sind.“
Ich beherrschte mich, lächelte und dachte an mein überzogenes Konto, das mit jedem Kilometer, den wir auf dem Meer zurücklegten, tiefer ins Minus abrutschte. „Nirgendwo sonst hätten wir diesen Tag der drei Monde erleben können“, erwiderte ich, drückte sie zärtlich und hielt sie ganz fest. In der Kultur der Rehidur-Pak drehte sich alles um diesen Tag. Das erfuhren wir bereits an unserem ersten Tag auf Nok. Licht ist gut, Dunkelheit ist schlecht, besagte ihre Philosophie, jeder einzelne für sich ist gut, aber drei die das Gleiche machen, nicht. Und während dieser extrem seltenen Zusammenstellung ihrer drei Monde verbarrikadierten sich die verängstigten Nok in ihren Häusern. Alle öffentliche Gebäude wurden geschlossen, die Bars, Kneipen und Kasinos verrammelt, und nur nicht-nokianische Schiffe durften auf dem Raumhafen landen und starten. Ich musste zugeben, der Morgenhimmel wirkte etwas unheimlich auf mich. Die drei Monde spiegelten sich auf den Wellen, die nur selten von den großen Rückenflossen einheimischer Fische durchbrochen wurden. Der unterste Mond glänzte fahlblau, da er der größte war und ein paar Meere sein eigen nennen konnte. Der zweite Mond war eine trockene Steinwüste ohne Atmosphäre, wie auch der Dritte und entsprachen daher eher dem Bild eines Mondes. Die Abbilder der drei Monde tanzten auf den Wellen, teilten sich, wenn der Bug des Seglers sie durchpflügte und fanden hinter dem Heck wieder zusammen. Die Lichtmuster tanzten weiter vom Bug bis zum Horizont. Ich fasste blinzelnd einen Punkt, der weit vor uns lag, ins Auge. Irgendetwas bildete einen dunklen Fleck gegen den Horizont.
„Ein Wrack voraus!“, rief eines der vier nokschen Besatzungsmitglieder. Die Rehidur-Pak waren gerade mal eine Notbesatzung, da sich die meisten Rehidur-Pak, die sonst an Bord arbeiteten, freigenommen hatten. Im Mietpreis war nur das Segelschiff enthalten, die Besatzung wurde von Toriban zur Verfügung gestellt.
„Dort, Toriban!“, rief ein kleiner, untersetzter Rehidur-Pak. „Der andere Segler scheint auf einem Riff gestrandet zu sein!“ Der Rehidur-Pak deutete aufgeregt auf die Bruchstücke des Rumpfes, die auf dem dunklen Wasser zwischen zerfetzten Segeln und zerrissener Takelage trieben.
Einige Korallenspitzen ragten aus dem Trümmerfeld empor. Das Meer spielte mit den Trümmern, warf sie mal auf die Korallenbank, zog sie wieder herunter und warf kleinere Wellen auf die Korallenbank und bildete weiße Schaumkronen. Unmittelbar neben dem Mastkorb des Seglers schwammen die Trümmer. Mit jeder weiteren Welle wurden die Trümmer hin und her geschaukelt, brachen sich an den spitzen Korallen. Im flachen Wasser der Koralleninsel trieben mehrere Leichen, die meisten mit dem Gesicht nach unten. Ein paar Männer, keine Nok, sondern Saliner aus dem benachbarten Sonnensystem, lagen über größeren Trümmerstücken und waren vielleicht noch am Leben. Doch aus der Ferne, von unserem Boot aus, war das kaum zu erkennen, aber die Frage hätte sich ohnehin demnächst erübrigt. Ich entdeckte etwas Winziges, das sich halbkugelförmig über die Wasseroberfläche erhob. Ein Savich. Das schuppige mittelgroße Geschöpf tauchte ganz auf, und riss das Maul weit auf. Im Nu machte es sich über einen der Saliner her. Weitere Savich, gut zwanzig Tiere erschienen. Ich stellte mir vor, wie sich die bläulich glänzenden Wellen schwarzgrün vom Blut der Saliner färbten. Toriban kam zu uns gewatschelt, blickte zur Korallenspitze hinüber und schüttelte langsam den Kopf. „Hier gibt es zu viele Riffe. Der Gezeitenstand ist zu niedrig. Kein vernunftbegabter Kapitän, der sein Patent wert ist, hätte sich freiwillig in diese Region gewagt.“ Er strich sich mit seinen schlanken Fingern über die Arme und seine Schuppen. „Refft die Segel!“, rief er durch seine Maske.
„Werft Anker! Ich möchte mit dem Segler nicht näher heran. Leiser sagte er zum nächsten Rehidur-Pak:
„Ich fahre mit dem Rettungsboot hinüber. Schau dich um, ob es noch Überlebende gibt. Unser Segelschiff soll wegen der Saliner nicht in Gefahr gebracht werden. Llhan’de Tik, würden sie mich vielleicht begleiten? Ich leide etwas unter Personalmangel und die Besatzung muss an Bord bleiben.“
Ich konnte als Wüstenbewohner weder gut schwimmen noch das Meer sonderlich gut leiden, aber ich folgte ihm. Ich wollte nicht, dass unser Kapitän den Rest des Tages mit der Suche nach aufgequollenen Leichen verbrachte. Wenn hier so viele Savich ein Festmahl abhielten, war die Chance, einen Überlebenden zu finden, etwa genauso groß, wie in ein vierblättriges Kleeblatt auf einer abgegrasten Wiese zu entdecken. Tendenz gleich Null. Um mich machte ich mir keine Sorgen, wenn so viel Fleisch im Wasser trieb, würden die Savich mich und den Rehidur-Pak nicht als interessantes Nahrungsangebot betrachteten. Sie würden das Ruderboot in Ruhe lassen. Was mir Sorgen bereitete, war die Zeit, die wir für diesen Ausflug verschwendeten. Wir waren hier, weil wir den Nokianischen Kailas finden wollten, oder nicht, was wahrscheinlicher war. Anschließend wollten wir zum sicheren Raumhafen von Talin zurückzukehren. Ich überlegte, ob ich meine Einwände Mic’ahele vortragen sollte, ich bezahlte diesen Ausflug immerhin. Aber einer der vier Rehidur-Paks kam mir zuvor.
Was wir wohl finden werden?
„Was wir wohl finden werden...“, seit wir aufbrachen sinnierte Mic’ahele zum wiederholten Mal darüber.
„Vielleicht nichts“, erwiderte ich genauso wie jedes Mal davor. „Es ist schließlich nur eine Legende. Gib dich keinen zu großen Hoffnungen hin.
„Nun, Llhan’de Tik, mein Geliebter, ich denke, ein wahrer Kern wird auch hier bestehen“, widersprach sie mir hartnäckig. Sie verzog dabei ihre rot geschminkten Lippen zu einem entzü¬ckenden Schmollmund. „Der einheimische Rehidur-Pak findet es auch. Sonst hätte er uns bestimmt nicht dazu überredet, diese Segelschiff zu mieten.“
Dich, korrigierte ich sie im Stillen, er überredete dich, während der Mondkonstellationen mein letztes Geld auszugeben.
Wenn, ja wenn, wir in der Stadt geblieben wären, und damit auf trockenem Boden, hätten wir eine Passage auf der ‚Samdirafar’, einem Raumschiff des K’ihr Koloq gebucht, das derzeit auf dem Raumha¬fen von Talin steht. Auf sicherem Boden des Imperiums hätten wir ein paar gut bezahlte Aufträge abschließen können. Für unseren Kurzurlaub auf diesem Hinterwäld¬lerplaneten Nok, hatte ich bereits viel zu viel Geld ausgegeben, so dass ich einen dicken Auftrag benötigte, um mein Konto wieder aufzufüllen. Vor mehreren Tagen landeten wir auf dem Planeten Nok um nach einem kräftezehrenden Auftrag für die Ther'an'gelis, den Gehimdienst des Imperiums, ein wenig auszuspannen. Nok ist, ähnlich Llamar, für seine touristischen Anziehungspunkte bekannt, für Spielbanken und Gaststätten, Erholungsorte und Sehenswürdigkeiten, die jeder Spezies aus K’ihr Koloq etwas zu bieten hat, sowie sämtliche Bedürfnisse und Geschmäcker erfolgreich bedienen. In den letzten Tagen gab ich mein Geld viel zu großzügig in den verschiedensten Ausstellungen und Museen aus, verpulverte es in Kasinos und natürlich in den zu teuren und mehr als nur standesgemäßen Unterkünften. Hier flirtete ich ausdauernd mit der liebreizenden Mic’ahele. Wir gehören zum Volk der Lünokk, einer Rasse, die den Menschen der Star Light Union am ähnlichsten sind. Unser Sonnensystem liegt direkt an der Grenze des K’ihr Koloq zur Sternenlicht Vereinigung. Unsere Haut ist durch die viele Sonnenbestrahlung wie Wüstensand gefärbt. Verschiedene Körperstellen sind dunkler schattiert, so zum Beispiel unsere Wirbelsäule. Und auf dem Kopf hat meine Mic’ahele wunderschöne lange Haare, die ihr bis auf den Po herunter reichen. Mein Haar ist ebenfalls schwarz mit einem kleinen Blaustich. Wir zwei sind für Vertreter des Volkes der Lünokk ein angenehm anzusehendes Paar. Im Augenblick möchte ich jedoch anderswo sein, aber ich beherrschte mich, um Mic’ahele nicht zu enttäuschen.
„Schau dir die drei Monde an“, sagte sie. Ich bemerkte schon dass sie in sehr romantischer Stimmung war. „Sind sie nicht wunderschön?“
Wir brauchen eigentlich keine Worte, verstehen uns allein durch unsere Körpersprache. Ich mag jedoch den Klang ihrer Stimme, die mir immer wieder eine Gänshaut bereitet und sie weiß es. Ich blickte nach oben. Nok hat drei Monde, und vor einiger Zeit hatte ich gelesen, Mondlicht sei eine wichtige Zutat für eine romantische Atmosphäre. Das war einer der Gründe, warum ich diesen Planeten besuchen wollte. Der andere Grund war das seltene Zusammentreffen der Monde. Sie würden heute in einer direkten Linie übereinander am Himmel über Nok stehen. Das war auch der Grund, warum wir uns auf einem unterbesetzten Segelschiff befanden und sich unangenehm weit vom festen Land befand.
Toriban, der Rehidur-Pak-Kapitän des gemieteten Schiffes, saß an einem Nachbartisch im Restaurant, indem wir gestern zum Abendessen eingekehrt waren. Klein wie alle Rehidur-Pak wirkte er zwischen seinen K’ish K’ihr Begleitern seltsam fehl am Platz. Die K’ish K’ihr hatte er zu eben diesem Ausflug überreden wollen. Er wirkte eigentlich immer fehl am Platz, wenn er an Land, fernab des nächsten Gewässer war. Das erregte Mic’aheles Aufmerksamkeit. Sie interessierte sich viel mehr für Toribans Schmährede als für mein Süßholzgeraspel der Bewunderung. Nebenbei erkältete sich ihr Essen und die gegrillte Snorg-Brust auf ihrem Teller blieb unbeachtet liegen. Rehidur-Paks sind aufrechtgehende, zweibeinige Amphibien. Toriban ist blaugrün und hätte sich fast als Chamäleon betätigen können, wenn er sich vor die gleichfarbige Restaurantwand gestellt hätte. Der Kopf war mit hellgrünen Schuppen im Gesicht und fast keinen Ohren verziert. Bei jedem Wort, wedelte er mit den langen, dünnen Fingern, die immer noch durch Schwimmhäute verbunden waren. Er redete seltsam und abgehackt, unterstützt von Händen und Füssen und die Atemmaske ließ ihn hart und näselnd klingen. Ich wusste inzwischen, dass Rehidur-Paks normalerweise durch Vibrationen kommunizierten, die vom Süßwasser übertragen wurden. Zudem diente eine Maske dazu, sich außerhalb des nassen Elements verständlich zu machen. Salzwasser war genauso wenig wie Luft ihr angestammter Lebensraum, sie waren reine Süßwasserlebewesen. Aber es schien so, als ob die Rehidur-Paks ihre Ängste überwunden und sich mutig auf das Große Nok-Meer hinausgewagt hatten.
Mic’ahele unterbrach meine Grübeleien. „Ist es nicht romantisch"?“, flüsterte sie. Sie lehnte sich neben mir gegen die Reling und blickte hinauf zu den drei Monden von Nok. Sie hingen tief am Himmel und berührten fast die Meeresoberfläche. „Echt romantisch,“ flüsterte sie und schmiegte sich an mich, „die drei Monde, die sanfte Brise auf meiner Haut, das Knistern der Segel über uns, all dass eben. Wahrhaftig romantisch.“
„Für einen Rehidur-Pak ist das eher nicht der Fall“, sagte ich und legte meine Hand auf ihren Rücken, fuhr mit der Hand ihre Wirbelsäule herunter. „Im Augenblick ist Vormittag und der einzige Zeitpunkt, zu dem man diese Monde sehen kann. Die Rehidur-Pak von Nok sind ohnehin abergläubisch, vor allem was ihre Monde und den Tag- und Nachtwechsel betrifft. Heute sind die Verhältnisse besonders extrem. Zumindest konnte ich das den Prospekten entnehmen, die ich durchgesehen habe. Kein Wunder, dass Toriban keinen Einheimischen dazu bringen konnte, ihn zu begleiten. Fälle von Selbstmord, Wahnsinn, Hysterie mehren sich. Es ist sogar so, dass ...“
„Ja, ja“, sagte sie nüchtern und ohne ihren verträumten Blick in den Augen sah sie zu mir hoch. Dabei war ich nur knapp einen Kopf größer als sie. „Es ist also eine ganz bestimmte Mondstellung. Daran ist nichts Romantisches, wie? Wenigstens nicht für dich. Hysterie! Wie romantisch!“
„Der Tag der drei Monde “, sagte ich, „ und alles ist romantisch und vollkommen, wenn du bei mir bist.“
Sie grinste und offenbarte mir ihre Zähne, die wie eine Reihe Zuchtperlen aussahen. Sie lehnte sich wieder gegen mich. „Ich bin froh, dass wir hierher gekommen sind.“
Ich beherrschte mich, lächelte und dachte an mein überzogenes Konto, das mit jedem Kilometer, den wir auf dem Meer zurücklegten, tiefer ins Minus abrutschte. „Nirgendwo sonst hätten wir diesen Tag der drei Monde erleben können“, erwiderte ich, drückte sie zärtlich und hielt sie ganz fest. In der Kultur der Rehidur-Pak drehte sich alles um diesen Tag. Das erfuhren wir bereits an unserem ersten Tag auf Nok. Licht ist gut, Dunkelheit ist schlecht, besagte ihre Philosophie, jeder einzelne für sich ist gut, aber drei die das Gleiche machen, nicht. Und während dieser extrem seltenen Zusammenstellung ihrer drei Monde verbarrikadierten sich die verängstigten Nok in ihren Häusern. Alle öffentliche Gebäude wurden geschlossen, die Bars, Kneipen und Kasinos verrammelt, und nur nicht-nokianische Schiffe durften auf dem Raumhafen landen und starten. Ich musste zugeben, der Morgenhimmel wirkte etwas unheimlich auf mich. Die drei Monde spiegelten sich auf den Wellen, die nur selten von den großen Rückenflossen einheimischer Fische durchbrochen wurden. Der unterste Mond glänzte fahlblau, da er der größte war und ein paar Meere sein eigen nennen konnte. Der zweite Mond war eine trockene Steinwüste ohne Atmosphäre, wie auch der Dritte und entsprachen daher eher dem Bild eines Mondes. Die Abbilder der drei Monde tanzten auf den Wellen, teilten sich, wenn der Bug des Seglers sie durchpflügte und fanden hinter dem Heck wieder zusammen. Die Lichtmuster tanzten weiter vom Bug bis zum Horizont. Ich fasste blinzelnd einen Punkt, der weit vor uns lag, ins Auge. Irgendetwas bildete einen dunklen Fleck gegen den Horizont.
„Ein Wrack voraus!“, rief eines der vier nokschen Besatzungsmitglieder. Die Rehidur-Pak waren gerade mal eine Notbesatzung, da sich die meisten Rehidur-Pak, die sonst an Bord arbeiteten, freigenommen hatten. Im Mietpreis war nur das Segelschiff enthalten, die Besatzung wurde von Toriban zur Verfügung gestellt.
„Dort, Toriban!“, rief ein kleiner, untersetzter Rehidur-Pak. „Der andere Segler scheint auf einem Riff gestrandet zu sein!“ Der Rehidur-Pak deutete aufgeregt auf die Bruchstücke des Rumpfes, die auf dem dunklen Wasser zwischen zerfetzten Segeln und zerrissener Takelage trieben.
Einige Korallenspitzen ragten aus dem Trümmerfeld empor. Das Meer spielte mit den Trümmern, warf sie mal auf die Korallenbank, zog sie wieder herunter und warf kleinere Wellen auf die Korallenbank und bildete weiße Schaumkronen. Unmittelbar neben dem Mastkorb des Seglers schwammen die Trümmer. Mit jeder weiteren Welle wurden die Trümmer hin und her geschaukelt, brachen sich an den spitzen Korallen. Im flachen Wasser der Koralleninsel trieben mehrere Leichen, die meisten mit dem Gesicht nach unten. Ein paar Männer, keine Nok, sondern Saliner aus dem benachbarten Sonnensystem, lagen über größeren Trümmerstücken und waren vielleicht noch am Leben. Doch aus der Ferne, von unserem Boot aus, war das kaum zu erkennen, aber die Frage hätte sich ohnehin demnächst erübrigt. Ich entdeckte etwas Winziges, das sich halbkugelförmig über die Wasseroberfläche erhob. Ein Savich. Das schuppige mittelgroße Geschöpf tauchte ganz auf, und riss das Maul weit auf. Im Nu machte es sich über einen der Saliner her. Weitere Savich, gut zwanzig Tiere erschienen. Ich stellte mir vor, wie sich die bläulich glänzenden Wellen schwarzgrün vom Blut der Saliner färbten. Toriban kam zu uns gewatschelt, blickte zur Korallenspitze hinüber und schüttelte langsam den Kopf. „Hier gibt es zu viele Riffe. Der Gezeitenstand ist zu niedrig. Kein vernunftbegabter Kapitän, der sein Patent wert ist, hätte sich freiwillig in diese Region gewagt.“ Er strich sich mit seinen schlanken Fingern über die Arme und seine Schuppen. „Refft die Segel!“, rief er durch seine Maske.
„Werft Anker! Ich möchte mit dem Segler nicht näher heran. Leiser sagte er zum nächsten Rehidur-Pak:
„Ich fahre mit dem Rettungsboot hinüber. Schau dich um, ob es noch Überlebende gibt. Unser Segelschiff soll wegen der Saliner nicht in Gefahr gebracht werden. Llhan’de Tik, würden sie mich vielleicht begleiten? Ich leide etwas unter Personalmangel und die Besatzung muss an Bord bleiben.“
Ich konnte als Wüstenbewohner weder gut schwimmen noch das Meer sonderlich gut leiden, aber ich folgte ihm. Ich wollte nicht, dass unser Kapitän den Rest des Tages mit der Suche nach aufgequollenen Leichen verbrachte. Wenn hier so viele Savich ein Festmahl abhielten, war die Chance, einen Überlebenden zu finden, etwa genauso groß, wie in ein vierblättriges Kleeblatt auf einer abgegrasten Wiese zu entdecken. Tendenz gleich Null. Um mich machte ich mir keine Sorgen, wenn so viel Fleisch im Wasser trieb, würden die Savich mich und den Rehidur-Pak nicht als interessantes Nahrungsangebot betrachteten. Sie würden das Ruderboot in Ruhe lassen. Was mir Sorgen bereitete, war die Zeit, die wir für diesen Ausflug verschwendeten. Wir waren hier, weil wir den Nokianischen Kailas finden wollten, oder nicht, was wahrscheinlicher war. Anschließend wollten wir zum sicheren Raumhafen von Talin zurückzukehren. Ich überlegte, ob ich meine Einwände Mic’ahele vortragen sollte, ich bezahlte diesen Ausflug immerhin. Aber einer der vier Rehidur-Paks kam mir zuvor.