Wat hasse dir da angetan

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Wat hasse dir da angetan!

Am 15. Mai begann der Jagdlehrgang. Wie son kleinet Kind vor Weihnachten hatte ich diesen Tag herbeigesehnt. Achtzehn Teilnehmer standen um neunzehn Uhr vor dem Unterrichtssaal aufe Matte.
Ich, Willi Püttmann, tauchte als einziger schon in jagdgrünen Klamotten auf. Die anderen Lehrgangsteilnehmer sahen mich deshalb als ihren Lehrgangsleiter an und scharwenzelten ehrfurchtsvoll um mich rum.
Lehrgangsleiter war ein gewisser Hasenkläffer. Son kleinen, unscheinbaren Terrier mit Säbelbeinen, en Förster war dat. Er machte seinem Namen alle Ehre, der Kerl hatte nämlich so wat Wadenbeißerischet an sich. Der schien aber wat aufm jagdlichen Kasten zu haben. Dat spürte ich. Erst stellten sich die Ausbilder vor, dann kamen wir anne Reihe.
Zwei Schüler, drei Hausfrauen, en Landwirt, zwei Knochenflicker, en Studienrat, en Rechtsverdreher vier Rentner, zwei Handwerker und zwei Unternehmer waren wir. Also, ne sehr gemischte Truppe, Durchschnittsalter 53. Alle mit nur einem Ziel: Wir wollten Jäger/Innen werden, weil wir alle die gleichen jagdlichen Erbanlagen inne Knochen hatten. Dat glaubte ich jedenfalls!
„Meine Damen und Herren“, begann der Hasenkläffer seine Einführungsrede. „Ihnen als künftige Jäger/Innen bringen wir in den nächsten Monaten das notwendige jagdliche Wissen bei, das Rüstzeug für die Jägerprüfung.
Nehmen Sie bitte den Lehrgang ernst und grinsen Sie nicht da vorne, Herr Ackermann. Ihnen wird das Lachen noch vergehen, das können Sie mir glauben. Die Anforderungen an Sie sind hoch. Nicht umsonst wird diese Prüfung auch das ‚grüne Abitur’ genannt.“
Wie kam der uns denn vor, der hatte se doch wohl nich alle im Stall. Wir waren doch keine Schulblagen!
„Sie werden unterwiesen zu den Themen:
Wildtierarten, deren Biologie und Krankheiten, Jagdbetrieb, Wildschadenverhütung, Land- und Waldbau, Jagdgebrauchshunde, Brauchtum, Wildbrethygiene, Waffen- und Jagdrecht, Tier- und Naturschutz, Landschaftspflege, Lang- und Kurzwaffen.
Ohne Ihren zusätzlichen häuslichen Fleiß werden Sie die Prüfung mit Sicherheit nicht bestehen. Sie, Frau Kohl, schnattern bitte nicht wenn ich rede, verstanden?“
Mann, wat hatte der Kerl denn fürn Ton am Balg? Waren wir hier aufm Kasernenhof?
Ich peilte ma kurz inne Runde und hab die Köppe vonne Teilnehmer ausspioniert. Da saßen schon einige mit ner Flappe bis aufe Erde.
Hatten die hier wat anderet erwartet? Son Kaffeekränzchen oder son Sonntagsspaziergang im Park mit dem Förster anne Hand, oder waren die nur über den Ton vom Lehrgangsleiter knatschig? Ich muss gestehen, dat ich bei dem angedrohten Lehrstoff und wegen der Schulmeisterei auch nich gerade der Heiterste inne Runde war.
Hasenkläffer sprach weiter:
„Sie werden wöchentlich an drei Unterrichtseinheiten von jeweils drei Stunden teilnehmen. An den Wochenenden werden Revierbegehungen durchgeführt. Ich bring Sie schon auf Trab, haha.“ Er war der Einzige, der darüber lachen konnte.
„Darüberhinaus“, fuhr er fort, „ist es ratsam, Arbeitsgemeinschaften von drei bis vier Personen zu bilden.“ Jetz kam aus unseren Reihen die erste Wortmeldung.
Studienrat Dr. Fulbalg fragte empört, woher er denn die Zeit hernehmen solle. Wie sich die Herren das denn vorstellten? So einen Lehrgang könne er unmöglich akzeptieren. Er stand auf und verließ kopfschüttelnd den Raum.
Ich war sprachlos. Wat bildete sich denn dieser studierte Blödmann ein. Dat war doch keiner, der Jagdblut inne Adern hatte! Dat war ne Pfeife!
Hasenkläffer kommentierte: „Da waren es nur noch siebzehn.“ Und er quatschte weiter:
„Die spätere Prüfung besteht aus einer Schießprüfung, einer schriftlichen und mündlich-praktischen Prüfung, für die jeweils ein Tag anberaumt wird.
Sollten Ihre Schießkünste den Mindestanforderungen nicht entsprechen, werden Sie von der weiteren Prüfung ausgeschlossen. In der Regel sind das zwanzig Prozent der Teilnehmer, und ich ahne schon, wer das von Ihnen ist.“
Dat war ja wirklich nich sehr fair, warum sachte der Kerl heute schon so wat? Der kannte uns doch überhaupt noch nich. Dat war ne gezielte Verunsicherung! Hatte der etwa hellseherische Fähigkeiten? Meinte der mich vielleicht damit?
Der Kläffer war immer noch nich fertig.
„Bemühen Sie sich um eine Praktikantenstelle in einem der umliegenden Reviere, damit Sie praktische Erfahrungen sammeln können.“
Nach dieser Rede war et mir arg mulmig, und ich machte mir so meine Gedanken: „Willi, wat hasse dir da angetan? So schlimm hasse dir dat wirklich nich vorgestellt. Wat hat en Jäger denn mit Landschaftspflege und mit Land- und Waldbau am Hut?
Du hass ja überhaupt keine Freizeit mehr. Dat Schlimmste – wie verklickersse dat bloß deiner Frau?
Den ganzen Kram sollte ich in nur zwölf Monaten kapieren und in meiner alten Birne speichern? Hatten mich meine Jagdgene eventuell jetz schon überfordert?“ Ich hatte auch noch andere Zweifel:
„Bisse überhaupt bei dem richtigen Verein oder iss dat hier möglicherweise die Land- und Forstwirtschaftsschule mit som bematschten Feldwebel als Leiter? Hatte vielleicht der Studienrat als einziger den richtigen Durchblick, hat sofort vernünftig entschieden und iss abgehauen? Wat weiß ich!“
Ich war verdammt verunsichert und kam reichlich zerknirscht nach Hause. Natürlich erzählte ich allet haarklein meiner lieben Berta. Ich dachte: Vielleicht krisse bei ihr son bissken Trost und Aufmunterung.
Berta reagierte leider wieder typisch: „Willi, ich hab dich mehrfach gewarnt, dat schaffst du nie! Du biss zu alt für so wat.“
Dat war ja vielleicht ne tolle Ermutigung! Promt träumte ich die ganze Nacht abartiget Zeug.
Ich schämte mich zuerst, den Traum am nächsten Morgen von Berta deuten zu lassen. „Watt sollz“, dachte ich dann, „Berta legt den Traum heute vielleicht positiv aus und beruhigt dich son bissken.“
„Also, Berta, stell dir ma vor, wat mich fürn ekelhafter Traum diese Nacht gepiesackt hat: Ich bin durch die Prüfung gesegelt. Sofort hab ich mir aufm schwatten Markt ne Knarre besorgt und Hirsche, Rehe, Wildschweine und Hasen so lange gewildert, bis nix mehr in den Kofferraum passte.“ Sie lächelte.
„Berta, dat iss ja noch längst nich allet. Et kommt noch viel schlimmer! Nach der Wilderei bin ich in dat Parteibüro vonne militanten Natur- und Tierschutzverbände marschiert und hab mich da als aktivet Mitglied registrieren lassen. Ich träumte davon, dat selbsternannte Naturschützer keine Jägerprüfung brauchten und deshalb allet viel besser über die ökosozialistischen Zusammenhänge wussten.
Ich dachte: Willi, dat iss die Alternaive, du biss auch ohne die verdammte Büffelei bei die Jagd immer am Ball. Bei jeder Treibjagd bisse auch ohne Einladung zur Stelle. Und weil die Jäger mich nich mitjagen ließen, hab ich die Jagdgesellschaft mit Böllers, Verwünschungen und Schreierei gestört. Hochsitze hab ich auch umgenietet und abgefackelt. Ich hab mit son paar langhaarigen vermummten Chaoten die Jägerschaft mit nem riesigen Transparent als „perverse Mörder“ beleidigt, ohne dat die Polente wat unternahm und mich verknacken tat.
Iss dat nich furchtbar, Berta? Wie kann ich nur so minderwertige Sachen träumen? Dat sind außergewöhnlich schlechte Vorzeichen.“
Sie peilte mich ungläubig vonne Seite an und schüttelte den Kopp. Sie grinste zuerst wie en Honigkuchenpferd und fing dann an zu lachen. Die hörte gar nich mehr auf. Tränen rollten ihr über dat Gesicht.
„Berta, lach nur, mach dich ruhig über mich lustig.
„Mein liebet Williken“, sachte se, „dein Albtraum iss doch wirklich ganz einfach zu deuten:
Die Jagdgegner wären auch alle gerne Jäger/Innen! Die haben auch Jagdblut inne Adern drin, genau wie du, Willi! Hab doch Erbarmen mit die Armen. Dat sind Neidhammels.
Leider haben die nich dat nötige Großgeld und keine Zeit für son einjährigen Lehrgang. Die brauchen auch kein schweret Muffensausen vor dem grünen Abitur zu haben, so wie du jetz, mein armet Williken.“
Ach, wat war ich froh, dat mir Berta den Traum so beruhigend deutete und aufn Punkt brachte.
Ich hatte wirklich mächtig Schiss vor der Prüfung. Hoffentlich hielten dat meine Nerven durch!
 



 
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