WAU-WA-RA

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GerRey

Mitglied
Um mich auch morgens dem
Sonnenstand anzupassen,
gehe ich jetzt um 20 Minuten
später aus dem Haus. Allerdings
bereue ich es heute bereits nach
fünfzig Metern, als ich zum
Badeteich komme.

Das ist scheinbar ihre Zeit.
Sogar aus einer Entfernung
von 30 Kilometern karren
sie ihre Hunde heran, um mit
ihnen einige Runden um den
Badeteich zu drehen oder
zum Schwimmen zu bleiben.

In der Regel stören mich
Hunde nicht - habe früher
auch welche gehabt. Eher
ist es umgekehrt: Viele Hunde
mögen keine Walking-Stöcke
und gehen darauf los.

Ich sehe eine Frau, einen Hund
an der langen Leine führend,
vom Badeteich auf den Weg
heraustreten , kurz verharren
und den Weg hinunter blicken,
in den ich auf meiner Strecke
einbiegen will. Dort sind auch
ein paar wilde Parkplätze am
Straßenrand, die eben zwei
Autos, die mich von hinten
überholt haben, ansteuern.

“Geh’ nicht!”, flehe ich sie insgeheim
an, und sehe, wie der Hund die Frau
in diese Richtung zieht und sie ihm
an der langen Leine langsam folgt.

“Verdammter WAU-WA-RA!”, schreie
ich in mich hinein und gehe darauf zu.

Natürlich laden sie gerade einige
Hunde aus den beiden Autos, die im
Schotter parken. Eine alte Bikini-Tante,
die ihren gewaltigen Busen kaum
unterzubringen scheint, hat gleich drei
(Hunde, natürlich). Die Frau mit dem
Hund an der langen Leine ist bereits
ein paar Schritte den Weg hinunter
gegangen. Natürlich hole ich sie ein.

Als sie mich von hinten kommen
bemerkt, drängt sie den Hund an den
Wegrand und hält ihn, sich bückend,
am Halsband fest.

Ihre Rückansicht ist ansprechend; das
blonde, graumelierte Haar züchtig am
Hinterkopf zusammengesteckt. Aus
gebückter Haltung lächelt sie mich
von unten her an und grüßt. Ich gebe
den Gruß zurück und will vorbeiziehen.

“Fleißig!”, ruft sie mir nach. Ich werfe
einen Blick über die Schulter und
bedanke mich.

“Machen Sie das jeden Tag?”

Ich werde langsamer, warte bis sie
den Hund losgelassen hat und zu mir
aufschließt.

“Nicht wenn es zu heiß ist,” antworte
ich “Aber sonst schon - morgens 5 km
und abends auch.”

Sie verzieht bestätigend den Mund.
“Meinen Mann könnte ich nicht dazu
bringen.”

Alles klar, denke ich und will wieder
Tempo machen.

“Und da gehen Sie ganz alleine, ohne
Frau? Oder quatscht die so viel wie ich?”

“Das Quatschen würde mich nicht
stören - aber ich habe keine Frau.
Außerdem gehe ich lieber alleine, weil
ich oft das Tempo ändere, lüge ich.

“Da müssen Sie sich einen Hund zulegen -
der ändert auch oft das Tempo”.

Ich beginne von Ringo und Wendelin
zu erzählen.

“Wendelin?”, fragt sie. “Was ist denn
das für ein Hund? Warum nehmen Sie
ihn nicht mit?”

“Ein Labrador - schwarz wie der Teufel”,
antworte ich. “Er ist bei meinem Stiefsohn
in Tschechien.” Dann erzähle ich die
Geschichte, wie Wendelin unter dem
Viadukt Ausreiss nahm, als ein Zug darüber
hinweg fuhr. “Der hätte mich fast über den
Haufen gerannt und kam erst einen Kilometer
weiter zu stehen. - Aber das war in einem
anderen Leben … Damals pendelte ich
noch zwischen Wien und Tschechien
hin und her.”

“Sind Sie LKW-Fahrer?” fragt sie, mit
einem merkwürdigen Klang in der Stimme.

Ich trage mein übliches Outfit - kurze Hose,
Tanktop, Sonnenbrille und das Stirnband
aus dem Bein einer roten Damenstrumpfhose
(hä-hä-hä).

“Sehe ich so aus?” frage ich mit einem
Lachen in der Stimme zurück.

Sie zuckt die Achseln. “Ich weiß nicht.
Vielleicht wie ein Motorradfahrer … mit
einer Harley?”

“Fast”, sage ich lachend. “Jetzt weiß ich
wenigstens, welche Musik ich spielen
werde, wenn ich später nach Hause komme.”

Wir gehen etwa anderthalb Kilometer
zusammen. Nach der Pferdekoppel will
sie rechts den Weg hinunter, während
meine Strecke links weiter führt. Kurz
überlege ich, ob ich sie noch begleiten
sollte … Dort kommt ein lauschiges Plätzchen
an einem alten Transformatorhäuschen,
das ein wenig abseits des Weges liegt,
Platz bietet und durch Bäume
und Sträucher blickgeschützt ist.
Aber dort ist auch bereits Zivilisation,
in der ein alleine streunender Hund
auffällig sein muss.

“Bis zum nächsten Mal”, verabschiede
ich mich.

“Gerne”, sagt sie und hebt zum Abschied
die Hand.

Feeling:
Rose Tattoo- Chinese Dunkirk
 

aliceg

Mitglied
So leicht lässt sich's mit Hund anbandeln! Die Stöcke, obwohl zu zweit, würden das nicht
in der gleichen Zeit schaffen! ;)
lg aliceg
 

Aufschreiber

Mitglied
Hallo GerRey,

nette Episode. Ja, mit Hund kommt man einfach schneller in Kontakt. Und das "nächste Mal" bleibt ja offen ...
Liest sich gut.

Beste Grüße,
Steffen
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo!

Wieso setzt ihr Kurzprosa in vollkommen unnötige Zeilenumbrüche?
Einziger Effekt dabei ist: Der Text ist schwerer lesbar.

Liebe Grüße
Manfred
 

GerRey

Mitglied
@ aliceg
@ Aufschreiber

Danke.
Wenn mich heute jemand fragen würde, wo man am leichtesten Frauen kennenlernen kann, würde ich sagen: "Werde Mitglied in einem Reit- oder Hundeverein!"
Beides gibt es auf meiner Walking-Strecke - zumindest die ersten anderthalb Kilometer. Und bei Phantasie ... kann es durchaus auch ein neues Stirnband für mich geben.

@ Franke
Ich habe mich für diese Form entschieden, um einem kurzen Text, der eigenständig ist und bleibt, einen Rahmen zu geben.

Gruß
GerRey
 



 
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