Weg des Lebens
Die elektronische Schiebetür schloss sich lautlos hinter Jonathan. „Morgen zusammen“, begrüßte er seine Kollegen, während er seinen Mantel an der Garderobe aufhängte.
„Morgen, Jonathan“ ... „Morgen, Jo“...“Hi, Jonathan“, erklang es aus den verschiedenen Ecken des modern eingerichteten Büros.
„Was gibt’s heute?“ fragte Jonathan und ließ sich auf seinem Drehstuhl nieder. Er berührte kurz sein Datapad, und der Rechner erwachte leise surrend zum Leben.
„Heute steht der Fall ‚Schienbacher gegen Global-Investment-Company’ an“, informierte ihn Julia, seine Assistentin.
„Fakten?“ erkundigte sich Jonathan. „Und Kaffee – ich brauche Kaffee.“
„Kommt sofort.“ Julia lächelte. „Hier, Chef.“ Sie goss ihm seine Bürotasse voll mit lebensnotwendigem Koffein und schob ihm die Tasse zu.
„Nun zu den Fakten. Erst einmal der Vater: Walter Schienbacher ist im Jahr 2002 geboren und in verschiedenen sozialen Brennpunkten aufgewachsen. Eher schlechte Abschlussnoten der Staatsschule. Zuerst Beschäftigung als Tagelöhner auf Spargelfeldern, etc. Dann, 2016, eine Anstellung als Gebäudereiniger bei der Firma Karstenbau. Kurz darauf heiratete er die Marokkanerin Nuheila Jahem – mittlerweile Nuheila Schienbacher.
Geburt des gemeinsamen Sohnes Karim im September 2018. Jetzt, achtzehn Jahre später, steht Karim vor dem Abschluss der Staatsschule. Wohnhaft in Terrensdorf.“
„Gute Noten?“
„Mittelmaß. Er wird aller Voraussicht nach kein Stipendium und somit auch keine Chance für ein Studium bekommen, wenn sein Vater nicht etwas Geld gespart hätte. Es reicht nicht für ein komplettes Studium an einer Elite-Uni – aber es reicht für uns.“ Julia lächelte „Global-Investment-Company hat morgen einen Profiling-Lauf. Es werden sieben Kandidaten für ein Stipendium ausgewählt.“
„Welche Profiling-Software?“ Die Frage richtete sich an Markus, der bisher nur zugehört hatte. Die großen Unternehmen fällten Personalentscheidungen nur noch mit Profiling-Software und deren Fähigkeit, das Netz nach relevanten Fakten zu durchsuchen.
„Recog Vers. 3.4 – also die neueste Version von New-Public-Soft“, erklärte Markus.
„Haben wir die Parameter?“ fragte Jonathan.
„Gescanned und ausgewertet“, antwortete Markus.
„Gut, schieß los.“ Jonathan nahm einen Schluck von seinem Kaffee.
„Als erstes haben wir eine Genüberprüfung. Diese basiert auf den Genprofilen aller Bundesbürger und den entsprechenden Erbmerkmalen. Ich habe Karims Genprofil mal gecheckt – keine Katastrophen – aber auch nicht besonders top.“
„Ansatzpunkte?“
„Es gibt natürlich ein paar einzigartige Genkombinationen, wie bei jedem Menschen. Ich habe vier Studien vorbereitet, die sich auf diese Genfaktoren beziehen, teilweise hilfreich war die eher untypische Kombination Deutschland-Marokko. Unterschrieben habe ich die Studien mit gehackten Uni-ID`s. Allesamt attestieren Karim eine überdurchschnittliche Intelligenz, gutes Sozialwesen und perfekte Lebenserwartung. Die Studien liegen schon auf unseren Stand-By-Servern und wurden bereits von den Bots der Suchmaschinen erfasst. Damit bekommt Karim bei der Genüberprüfung Bestnoten.“
„Gute Arbeit. Welche Parameter gibt es sonst noch?“
„Zum größten Teil die üblichen. Bisherige Tätigkeiten fließen in die Bewertung mit ein. Aber das ist Sabrinas Fach.“
„Ja, bin auch schon fast fertig.“ Sabrina schob ihm ein paar Unterlagen über den Glastisch. “In der Grundschule gab es bei Karim Schienbacher im Jahr 2025 einen Datenverlust – ich konnte ihn nachträglich als Klassensprecher eintragen. Da nebenschulische Vereinstätigkeiten erst ab 2030 protokolliert werden, habe ich ihn zudem für fünf Jahre in sportlichen und intellektuellen Mitgliedslisten eingetragen. Für die restliche Zeit habe ich auf drei Vereinslisten unserer Dummy-Vereine zugegriffen, die wir schon bei früheren Fällen benutzt haben. Karim ist seit kurzem – ich meine natürlich seit fünf Jahren – Mitglied namhafter Vereine wie dem „Schwarz-Weiß-Schach e.V.“, dem „Ball-Läufer e.V.“ und sogar Kassenwart im „Globalen Heimatverein“.
„Reicht das?“ wollte Jonathan wissen.
„Für ein Stipendium wohl noch nicht. Aber ich konnte aus dem Jahr 2032 einen „Jugend forscht 2.0“-Beitrag finden, der nur eine sehr vage Teilnehmerdefinition aufweist. Mithilfe zwei weiterer fingierter Verweise haben wir eine Spur zu Karim gelegt. Kurz: Er hat mit anderen Jugendlichen den 4. Platz bei Jugend forscht 2.0 belegt.“ Sabrina lächelte.
„Gut, soweit zu seinem außerschulischen Engagement. Was gibt es sonst noch an Kriterien?“
„Das Einkaufsverhalten. Leider hat Karim in den letzten Jahren hauptsächlich Geld für Videospiele und Mode ausgegeben. Wenn ich mir diese Listen ansehe, verzweifle ich an der heutigen Jugend“, seufzte Markus.
„Na, das biegen wir schon hin.“ Jonathan rieb sich das Kinn. „Wir haben doch bereits mit diesem Kinderheim zusammengearbeitet – die schulden uns noch etwas. Ruft da mal an. Die sollen eine nachträgliche Sachspendeninformation noch heute beim Finanzamt einreichen – Spende: sämtliche Videospiele, die Karim in der Vergangenheit erworben hat, datiert auf die letzten Jahre – Spender ist natürlich Karim Schienbacher.“
„Gut, wird gemacht.“
„Was ist mit den Mode-Artikeln?“
„Da hilft uns unsere gute alte Website „Sozio-Line.info“. Thomas, kümmer’ dich bitte um die Veröffentlichung einer Kurzstudie, nach der Jugendliche mit Modebewusstsein allgemein – speziell mit Karims Modegeschmack – hervorragende Betriebsleiter abgeben.“
„Hm?“ Thomas war der älteste des Teams und wirkte noch nicht ganz wach.
„Bring’ die Studie in den Suchmaschinen nach oben. Das hat jetzt höchste Priorität. Schmeiß’ deine Backlink-Generatoren an und optimier’ den Text der Studie für Search-Bots, insbesondere für die vorgegebenen Suchwörter der Recog Software – morgen muss die Studie in den Top-Ten der Ergebnisse stehen.“ Jonathan nahm noch einen Schluck Kaffee, während Thomas sich mit einem kaum hörbaren Stöhnen seinem Computer zuwandte.
„Gibt es sonst noch Parameter?“ erkundigte sich Jonathan.
„Tja – die Schulnoten.“
„Einfluss in Prozent?“
„Ca. 22 % der Auswahl.“
„Das gibt uns reichlich Raum für Gegenanalysen. Dennoch möchte ich auf Nummer Sicher gehen. Stellt ein paar Notenspiegel-Listen ins Netz, bei denen Karim eindeutig gut abschneidet.“
„Wird gemacht.“
„Und vielleicht den Blog eines Lehrers, der Karim als besonders fleißigen Schüler in Erinnerung hat. Wenn mich nicht alles täuscht, hat das neue Recog einen Social-Check für Lehrkörper.“
„Gute Idee“, meinte Julia.
„Jetzt zu Nuheila Schienbacher, seiner Mutter – stellt auch ein paar Gedichte und Kurzgeschichten auf marokkanische Webseiten, die auf die Mutter zurückführen. Ein intellektueller Elternteil sollte reichen. Können wir die marokkanischen Noten fingieren?“
„Ja, zu der Zeit, als Nuheila noch in Marokko lebte, war die Datenerfassung des Landes noch lückenhaft.“
„Sehr schön. Wie gesagt – intellektueller Background – aber nichts Radikales. Noch etwas –Terrensdorf ist eine Trabantenstadt – Plattenbau, sozialer Brennpunkt. Durchsucht das Netz nach Wirtschaftsgrößen, die Karims getuntem Profil ähneln, besonders im Hinblick auf die Herkunft. Fasst die Ergebnisse dann in einem Dossier zusammen und macht es den Suchmaschinen schmackhaft.“
„Autor des Dossiers?“
„Mindestens die „Financial Weekend“ – das Übliche – legt Spuren und Zitate des Artikels ins Netz und dann den Zeitungsbericht frei zugänglich auf einen unserer Datenserver.
Thomas – wenn du mit der Studie soweit bist, optimiere noch die restlichen Dokumente für das neue Recog – wir wollen doch, dass unsere „Wahrheiten“ auch an erster Stelle gelesen werden.
Ich wette, morgen findet die Global-Investment-Company einen neuen Kandidaten für ein Stipendium an einer Elite-Universität“, lächelnd rieb sich Jonathan die Hände.
„Ich frage mich nur, ob die ‚Auserwählten’ danach ihren Mann stehen...“ überlegte Sabrina, während sie ihre Unterlagen zusammenlegte.
„Wie meinst du das?“
„Na, wir fingieren die Auswahl – sind die Leute, die wir auf den Thron setzen, ihren künftigen Aufgaben überhaupt gewachsen?“
„Keine Sorge, da fragt später niemand mehr nach. Wir kleiden die Menschen im Prinzip doch nur neu ein. Lügt ein Schneider? Ein Friseur? Wir schaffen ein Daten-Outfit für die Welt da draußen – etwas, dass die Welt gern sehen will. Wir verhelfen Menschen zu einer neuen, einer besseren Existenz. Das Leben sucht sich seinen Weg, selbst wenn es ein digitaler ist.“
„Aber hast du nie Zweifel, dass unsere Kandidaten versagen?“
Jonathan lächelte. „Mach’ dir keine Sorgen. Sabrina – mit einem guten Profil stehen einem alle Türen offen – der Rest ist ein Kinderspiel.“
Nein, er machte sich keine Sorgen – er selbst hatte schließlich nie versagt. Trotz seiner zwei Vorstrafen wegen Betruges und einem – ehemals - äußerst fragwürdigen Lebenslauf war er seit drei Jahren Abteilungsleiter bei der „Profila Nova AG“ und alles lief wie am Schnürchen. Sein – zugegebenermaßen nicht preiswertes - Profil hatte damals alle weiteren Bewerber auf diesen Spitzenjob in den Schatten gestellt – er konnte stolz auf sich sein.
Die elektronische Schiebetür schloss sich lautlos hinter Jonathan. „Morgen zusammen“, begrüßte er seine Kollegen, während er seinen Mantel an der Garderobe aufhängte.
„Morgen, Jonathan“ ... „Morgen, Jo“...“Hi, Jonathan“, erklang es aus den verschiedenen Ecken des modern eingerichteten Büros.
„Was gibt’s heute?“ fragte Jonathan und ließ sich auf seinem Drehstuhl nieder. Er berührte kurz sein Datapad, und der Rechner erwachte leise surrend zum Leben.
„Heute steht der Fall ‚Schienbacher gegen Global-Investment-Company’ an“, informierte ihn Julia, seine Assistentin.
„Fakten?“ erkundigte sich Jonathan. „Und Kaffee – ich brauche Kaffee.“
„Kommt sofort.“ Julia lächelte. „Hier, Chef.“ Sie goss ihm seine Bürotasse voll mit lebensnotwendigem Koffein und schob ihm die Tasse zu.
„Nun zu den Fakten. Erst einmal der Vater: Walter Schienbacher ist im Jahr 2002 geboren und in verschiedenen sozialen Brennpunkten aufgewachsen. Eher schlechte Abschlussnoten der Staatsschule. Zuerst Beschäftigung als Tagelöhner auf Spargelfeldern, etc. Dann, 2016, eine Anstellung als Gebäudereiniger bei der Firma Karstenbau. Kurz darauf heiratete er die Marokkanerin Nuheila Jahem – mittlerweile Nuheila Schienbacher.
Geburt des gemeinsamen Sohnes Karim im September 2018. Jetzt, achtzehn Jahre später, steht Karim vor dem Abschluss der Staatsschule. Wohnhaft in Terrensdorf.“
„Gute Noten?“
„Mittelmaß. Er wird aller Voraussicht nach kein Stipendium und somit auch keine Chance für ein Studium bekommen, wenn sein Vater nicht etwas Geld gespart hätte. Es reicht nicht für ein komplettes Studium an einer Elite-Uni – aber es reicht für uns.“ Julia lächelte „Global-Investment-Company hat morgen einen Profiling-Lauf. Es werden sieben Kandidaten für ein Stipendium ausgewählt.“
„Welche Profiling-Software?“ Die Frage richtete sich an Markus, der bisher nur zugehört hatte. Die großen Unternehmen fällten Personalentscheidungen nur noch mit Profiling-Software und deren Fähigkeit, das Netz nach relevanten Fakten zu durchsuchen.
„Recog Vers. 3.4 – also die neueste Version von New-Public-Soft“, erklärte Markus.
„Haben wir die Parameter?“ fragte Jonathan.
„Gescanned und ausgewertet“, antwortete Markus.
„Gut, schieß los.“ Jonathan nahm einen Schluck von seinem Kaffee.
„Als erstes haben wir eine Genüberprüfung. Diese basiert auf den Genprofilen aller Bundesbürger und den entsprechenden Erbmerkmalen. Ich habe Karims Genprofil mal gecheckt – keine Katastrophen – aber auch nicht besonders top.“
„Ansatzpunkte?“
„Es gibt natürlich ein paar einzigartige Genkombinationen, wie bei jedem Menschen. Ich habe vier Studien vorbereitet, die sich auf diese Genfaktoren beziehen, teilweise hilfreich war die eher untypische Kombination Deutschland-Marokko. Unterschrieben habe ich die Studien mit gehackten Uni-ID`s. Allesamt attestieren Karim eine überdurchschnittliche Intelligenz, gutes Sozialwesen und perfekte Lebenserwartung. Die Studien liegen schon auf unseren Stand-By-Servern und wurden bereits von den Bots der Suchmaschinen erfasst. Damit bekommt Karim bei der Genüberprüfung Bestnoten.“
„Gute Arbeit. Welche Parameter gibt es sonst noch?“
„Zum größten Teil die üblichen. Bisherige Tätigkeiten fließen in die Bewertung mit ein. Aber das ist Sabrinas Fach.“
„Ja, bin auch schon fast fertig.“ Sabrina schob ihm ein paar Unterlagen über den Glastisch. “In der Grundschule gab es bei Karim Schienbacher im Jahr 2025 einen Datenverlust – ich konnte ihn nachträglich als Klassensprecher eintragen. Da nebenschulische Vereinstätigkeiten erst ab 2030 protokolliert werden, habe ich ihn zudem für fünf Jahre in sportlichen und intellektuellen Mitgliedslisten eingetragen. Für die restliche Zeit habe ich auf drei Vereinslisten unserer Dummy-Vereine zugegriffen, die wir schon bei früheren Fällen benutzt haben. Karim ist seit kurzem – ich meine natürlich seit fünf Jahren – Mitglied namhafter Vereine wie dem „Schwarz-Weiß-Schach e.V.“, dem „Ball-Läufer e.V.“ und sogar Kassenwart im „Globalen Heimatverein“.
„Reicht das?“ wollte Jonathan wissen.
„Für ein Stipendium wohl noch nicht. Aber ich konnte aus dem Jahr 2032 einen „Jugend forscht 2.0“-Beitrag finden, der nur eine sehr vage Teilnehmerdefinition aufweist. Mithilfe zwei weiterer fingierter Verweise haben wir eine Spur zu Karim gelegt. Kurz: Er hat mit anderen Jugendlichen den 4. Platz bei Jugend forscht 2.0 belegt.“ Sabrina lächelte.
„Gut, soweit zu seinem außerschulischen Engagement. Was gibt es sonst noch an Kriterien?“
„Das Einkaufsverhalten. Leider hat Karim in den letzten Jahren hauptsächlich Geld für Videospiele und Mode ausgegeben. Wenn ich mir diese Listen ansehe, verzweifle ich an der heutigen Jugend“, seufzte Markus.
„Na, das biegen wir schon hin.“ Jonathan rieb sich das Kinn. „Wir haben doch bereits mit diesem Kinderheim zusammengearbeitet – die schulden uns noch etwas. Ruft da mal an. Die sollen eine nachträgliche Sachspendeninformation noch heute beim Finanzamt einreichen – Spende: sämtliche Videospiele, die Karim in der Vergangenheit erworben hat, datiert auf die letzten Jahre – Spender ist natürlich Karim Schienbacher.“
„Gut, wird gemacht.“
„Was ist mit den Mode-Artikeln?“
„Da hilft uns unsere gute alte Website „Sozio-Line.info“. Thomas, kümmer’ dich bitte um die Veröffentlichung einer Kurzstudie, nach der Jugendliche mit Modebewusstsein allgemein – speziell mit Karims Modegeschmack – hervorragende Betriebsleiter abgeben.“
„Hm?“ Thomas war der älteste des Teams und wirkte noch nicht ganz wach.
„Bring’ die Studie in den Suchmaschinen nach oben. Das hat jetzt höchste Priorität. Schmeiß’ deine Backlink-Generatoren an und optimier’ den Text der Studie für Search-Bots, insbesondere für die vorgegebenen Suchwörter der Recog Software – morgen muss die Studie in den Top-Ten der Ergebnisse stehen.“ Jonathan nahm noch einen Schluck Kaffee, während Thomas sich mit einem kaum hörbaren Stöhnen seinem Computer zuwandte.
„Gibt es sonst noch Parameter?“ erkundigte sich Jonathan.
„Tja – die Schulnoten.“
„Einfluss in Prozent?“
„Ca. 22 % der Auswahl.“
„Das gibt uns reichlich Raum für Gegenanalysen. Dennoch möchte ich auf Nummer Sicher gehen. Stellt ein paar Notenspiegel-Listen ins Netz, bei denen Karim eindeutig gut abschneidet.“
„Wird gemacht.“
„Und vielleicht den Blog eines Lehrers, der Karim als besonders fleißigen Schüler in Erinnerung hat. Wenn mich nicht alles täuscht, hat das neue Recog einen Social-Check für Lehrkörper.“
„Gute Idee“, meinte Julia.
„Jetzt zu Nuheila Schienbacher, seiner Mutter – stellt auch ein paar Gedichte und Kurzgeschichten auf marokkanische Webseiten, die auf die Mutter zurückführen. Ein intellektueller Elternteil sollte reichen. Können wir die marokkanischen Noten fingieren?“
„Ja, zu der Zeit, als Nuheila noch in Marokko lebte, war die Datenerfassung des Landes noch lückenhaft.“
„Sehr schön. Wie gesagt – intellektueller Background – aber nichts Radikales. Noch etwas –Terrensdorf ist eine Trabantenstadt – Plattenbau, sozialer Brennpunkt. Durchsucht das Netz nach Wirtschaftsgrößen, die Karims getuntem Profil ähneln, besonders im Hinblick auf die Herkunft. Fasst die Ergebnisse dann in einem Dossier zusammen und macht es den Suchmaschinen schmackhaft.“
„Autor des Dossiers?“
„Mindestens die „Financial Weekend“ – das Übliche – legt Spuren und Zitate des Artikels ins Netz und dann den Zeitungsbericht frei zugänglich auf einen unserer Datenserver.
Thomas – wenn du mit der Studie soweit bist, optimiere noch die restlichen Dokumente für das neue Recog – wir wollen doch, dass unsere „Wahrheiten“ auch an erster Stelle gelesen werden.
Ich wette, morgen findet die Global-Investment-Company einen neuen Kandidaten für ein Stipendium an einer Elite-Universität“, lächelnd rieb sich Jonathan die Hände.
„Ich frage mich nur, ob die ‚Auserwählten’ danach ihren Mann stehen...“ überlegte Sabrina, während sie ihre Unterlagen zusammenlegte.
„Wie meinst du das?“
„Na, wir fingieren die Auswahl – sind die Leute, die wir auf den Thron setzen, ihren künftigen Aufgaben überhaupt gewachsen?“
„Keine Sorge, da fragt später niemand mehr nach. Wir kleiden die Menschen im Prinzip doch nur neu ein. Lügt ein Schneider? Ein Friseur? Wir schaffen ein Daten-Outfit für die Welt da draußen – etwas, dass die Welt gern sehen will. Wir verhelfen Menschen zu einer neuen, einer besseren Existenz. Das Leben sucht sich seinen Weg, selbst wenn es ein digitaler ist.“
„Aber hast du nie Zweifel, dass unsere Kandidaten versagen?“
Jonathan lächelte. „Mach’ dir keine Sorgen. Sabrina – mit einem guten Profil stehen einem alle Türen offen – der Rest ist ein Kinderspiel.“
Nein, er machte sich keine Sorgen – er selbst hatte schließlich nie versagt. Trotz seiner zwei Vorstrafen wegen Betruges und einem – ehemals - äußerst fragwürdigen Lebenslauf war er seit drei Jahren Abteilungsleiter bei der „Profila Nova AG“ und alles lief wie am Schnürchen. Sein – zugegebenermaßen nicht preiswertes - Profil hatte damals alle weiteren Bewerber auf diesen Spitzenjob in den Schatten gestellt – er konnte stolz auf sich sein.