Wege

4,30 Stern(e) 4 Bewertungen
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Momentaufnahme nach einer Liebesnacht. Vielleicht ist nicht alles so gelaufen wie gedacht. Darauf weist der originelle 4. Absatz hin: Unbefahrene Straße nimmt sogar auf die Ausgangssperre Bezug, sehr gut! Das erblindete Lachen gefällt mir sehr im Zusammenhang mit dem geöffneten Fenster.

Jetzt kommt die Kritik:
1. Absatz: Ob "zerren" das treffende Wort ist? Ich finde es zu stark.
2. Conclusio: Scheint mir nicht nötig. Besser mit dem 4. Absatz rausgehen.

Du hast, will mir einen scheinen, deine eigene lyrische Sprache entwickelt, revilo. Über allem Nachdenklichkeit, konstatierend, sparst dir jedes Brimborium.
Manchmal aber wünsche ich mir nur den Anriss eines Satzes, statt den Gedanken vollständig ausgeführt. Aber dies ist sicher ein sehr persönlicher Wunsch.

Gruß, blackout
 

revilo

Mitglied
Wow, ein Lob aus so profundem Munde freut mich doppelt. Danke für Deine Kritik. Mit dem "zerren" hadere ich auch ein wenig. Hast Du einen konkreten Vorschlag?
 
G

Gelöschtes Mitglied 19299

Gast
Genial, Revilo! Gern mehr davon.
Statt "zerrt" könntest Du vielleicht "stiehlt" verwenden.

LG,
Keram
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Wie findest du "kitzeln" oder "drängen" oder "treiben" für "zerren",, revilo?

Gruß, blackout
 

Ralf Langer

Mitglied
Wege

Die Sonne zerrt den Schlaf
aus den Augen.

Vor dem Spiegel
türmt sich der Geruch
der letzten Nacht.

Ich öffne das Fenster
einen Spalt weit
später ist dein Lachen erblindet.

Glück
hast du gesagt
ist eine unbefahrene Straße.

Ich hab sie nie gefunden.




Hallo Oli,

((„ein Spalt voll Schreie ist mein Mund“ (frei nach Benn) (erste Konnotation zu Spalt))



Ich persönlich empfinde „zerren“ als treffend. Aus dem Schlaf zerren: widerwillig, will heißen gegen den Wunsch im Traum zu verbleiben. Der Mensch wird zum Verstand gezerrt, und wenn dieser erst einmal erwacht ist schwindet der Traum nach einer gegückten Nacht, nach einer gelungenen Stunde Vergangenheit.


In diesem Sinne würde ich das „Türmen“ ersetzen. Nach meinem Verstehen türmt sich nichts mehr mit dem Erwachen beginnt das „schwinden“.


Ich schriebe vielleicht etwas wie:

Vor dem Spiegel

schmilzt der Geruch

der letzten Nacht



oder ähnliches …


Schön sind die letzten beiden Strophen:



„Glück
hast du gesagt
ist eine unbefahrene Straße.

Ich hab sie nie gefunden.“

Hier empfinde ich für mich zwar einen inneren Konflikt mit der Aussage. Aber was wäre Lyrik, wenn ich nur alles abnicken würde.
Interessant ist Glück nicht als Momentum zu erfassen, sonder als einen Weg, eineProzession, die mit der Zeit „ist“ - „geht“.
Und dann gibt es ja mehrere Möglichkeiten:
Die Straße zu finden ist eines, sie zu begehen bzw. zu „er – befahren“ ein Zweites.
Ach ja und wenn Glück eine unbefahrene Straße ist, was wäre denn wenn ich mich auf diesem Weg begäbe?
Da wäre die Straße ja „befahren“, und damit endete das Glück?!


Hm, zum Schluß noch eine sehr verkopfte persönliche Änderung dieser Strophe:



„Ich öffne das Fenster
einen Spalt weit
später ist dein Lachen erblindet.“



Ich öffne das Fenster
einen Spalt weit später
ist dein Lächeln erblindet



Habe nur das eine Wort „später“ eine Zeile nach oben gesetzt:
öffnet sich nicht dadurch mindestens eine neue spannende Lesart?
Hier steht der Spalt dann ja nicht nur im Hintergrund seiner „räumlichen“ Bedeutung sonder beläme ja auch „eine zeitliche“!
In dem Sinne das sich die vergehende Zeit einen Spalt weit öffnet.

Ist vielleicht bedenkenswert.



Lg

Ralf
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Ja, Ralf Langer, an dem "später" bin ich auch hängengeblieben, habe dann aber gesehen, dass auf diese Weise ein Apokoinu entsteht, und der würde in revilos Gedicht wie ein Fremdkörper wirken. Allzuviel sollte man nicht an einem fremden Gedicht herumbessern, denke ich.

Gruß, blackout
 

revilo

Mitglied
Hallo , Ihr Lieben.....vielen Dank Euch allen....kurz zur Erklärung, liebe Blackout.....Ralf ist einer der intensivsten Kommentatoren......wir kennen uns schon lange und ich weiß in der Tat, wie es gemeint ist.....ich melde mich noch gesondert....
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Daß Du die unbefahrenen Straßen noch nie gefunden hast, hat schon was von unfreiwilliger Komik. Warum auch nicht, Komik muß ja absichtslos sein: der Mut des Clowns.
 



 
Oben Unten