Wegen Wegner

Max

Mitglied
Christian und seiner Erzählung "Ausfahrt Pritzwalk" gewidmet

Der erste junge Mann ist nett, gepflegt und interessiert. Er nimmt mich eine halbe Stunde weit mit. Sein Beruf ist Aquarienbauer. Gelernt hat er Rohschlosser, aber eines Tages ging ein Aquarium in die Brüche, und da entdeckte er sein Talent als Aquarienbauer. Wohnen tut er noch zu Hause, hat sich halt nichts ergeben Richtung Familie und so. Und ach ja, hier im Osten ist alles prima, und das mit den Rechtsextremen ist alles Quatsch, det gibt‘s bei uns nicht.

Der zweite junge Mann ist nett, gepflegt und interessiert. Er nimmt mich eine halbe Stunde weit mit. Sein Beruf ist Hardrocker, aber im Moment produziert er vor allem andere, wenndeweisst, was ich meine. Kannste mitkommen nach Polen, wennde willst. Ich will nicht. Lässt du mich im letzten Dorf vor der Grenze raus? Aber klar, ich hab Zeit. Er lässt mich nicht nur raus, er wartet geduldig im Auto, bis ich wieder aus der Pension herauskomme und ihm sage: Ja, es ist ein Zimmer frei. Keine Angst, ich lass dich schon nicht auf der Strasse stehen, hatte er mir versichert.

Nach dem Nachtessen in der Pension, die sich als Dorfbeiz entpuppt und sich gut füllt, sprechen mich nach dem zweiten Bier die jungen Männer am Tisch an. „Den haben wir schon gesehen, der dich hergebracht hat. Falsch geparkt, und mit dem Kleber an der Scheibe wäre er nicht mehr heil aus dem Dorf herausgekommen, so vor einem halben Jahr, det sag ich dir.“

Auf dem Kleber an der Windschutzscheibe des netten, gepflegten Hardrockproduzenten stand: Kampf dem Faschismus.

Ich schlief im Zimmer von Wegner, aber das erfuhr ich erst am nächsten Morgen.

Der Wirt hockt an der Bar und wartet leicht gereizt, bis ich mein Frühstück verzehrt habe, denn er habe noch viel zu tun „Will er noch mehr?“ fragt er. Mit er bin ich gemeint. Er spricht in der Er-Forum mit mir.

Traktorfahrer war er, Wirt ist er seit fünfundzwanzig Jahren, und Angler war er immer. Fast immer, jetzt trocknet er die Fische nur noch. Auch schon immer war er ein Freund von Wegner. Selber schuld, wer Wegner nicht kennt. Ich habe heute nacht im Zimmer von Wegner gelegen, eine Ehre ist das, das heisst, er schläft immer da, wenn er mal zurück in sein Heimatdorf kommt und nicht gerade in den USA arbeitet. Denn Wegner hört auch nicht auf. Wegner ist ein berühmter Boxtrainer, und der Meister ist ein berühmter Fischtrockner. Der Fischtrockner steht seit fünfzig Jahren um fünf Uhr auf, er ist jetzt siebzig Jahre alt.

Aber er hört dann schon auf, sagte er heute morgen an der Bar, an der er wartete, bis ER mit dem Frühstück fertig sein würde. Nächstes Jahr will er die Beiz aufgeben, das Fischtrocknen natürlich nicht. Ebenso wenig wie Wegner das Boxen, und der ist schon dreinundsiebzig.

Haben Sie auch geboxt? frage ich den Wirt.

Nee, das tut doch weh, sagt er.
 
Zuletzt bearbeitet:

ahorn

Mitglied
Hallo Max,
Tipp.
Die Leselupe ist kein Platz für Werbung.
Beteiligte dich an der Textarbeit. Wenn es gefällt, dann finden die Leser deine Webseite. ;)
Gruß
Ahorn
 

Max

Mitglied
Nana.
Ein weeeeenig freundlicher ging's vielleicht schon , etwa mit einem guten Tipp an ein unerfahrenes Mitglied, wo ein Hinweis auf weiteres Schreiben sonst noch Platz hätte. Hab's aber gefunden.
 



 
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