Weihnachtsgeschichte

heidi dorma

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DIE VIELEN WEIHNACHTSMÄNNER


Es hatte aufgehört zu schneien. Nina sah aus dem Fenster. Sie hatte sich vorgenommen heute mit ihren beiden Kindern über den Weihnachtsmarkt zu bummeln. Nina fröstelte, denn die Heizung funktionierte mal wieder nicht richtig und ihr Vermieter machte gerade Urlaub im sonnigen Süden. Noch gut eine Woche – dann ist schon Heiligabend, dachte sie.

Boris und Birgit stürmten ins Wohnzimmer. Die Zwillinge waren gerade 5 Jahre alt geworden. Boris zeterte: „Mami, die Birgit hat mein Auto und gibt es mir nicht wieder!“ „Das kriegst du erst wieder, wenn ich von dir meinen Teddy wiederbekommen habe!“ antwortete Birgit trotzig. „Erst das Auto...“ „Nein, erst meinen Teddy!“

Die Kinder stritten sich heftig und Nina schlichtete. „So, nun seid mal beide brav. Birgit gibt mir jetzt das Auto von Boris – und du Boris, gibst mir den Teddy von Birgit.“ Die Kinder waren zwar jetzt ruhig, machten jedoch keine Anstalten der Bitte der Mutter folge zu leisten. Nina sah ihre Kinder an. „Na gut, wenn ihr nicht hören könnt, dann gehe ich auch nicht mit euch über den Weihnachtsmarkt. Das hatte ich nämlich mit euch vor.“ Die Kinder rannten in ihr kleines gemeinsames Kinderzimmer und brachten die Sachen zu Nina.

Eine halbe Stunde später waren die drei auf dem Weihnachtsmarkt angekommen. Es duftete köstlich nach Lebkuchen, Mandeln und Glühwein und – oh Graus – nach Pommes und Bratwurst. Birgit entdeckte diesen Stand sofort. „Mami, ich möchte Pommes und ..... Mami, da läuft der Weihnachtsmann!“ Birgit stürmte los. Boris sagte keinen Ton. Obwohl er sonst kein Angsthase war, fühlte er sich jetzt doch an Nina´s Hand sicherer. Einen Augenblick später hatten auch Nina und Boris den Weihnachtsmann erreicht. Nina strich ihrer Tochter über das Haar. „Na, Birgit, hast du dem Weihnachtsmann schon ein Gedicht aufgesagt?“ „Jaaaa und nun muss Boris auch eins aufsagen. Ich habe vom Weihnachtsmann Schokolade bekommen.“ Boris sah den Weihnachtsmann schüchtern an. Er drückte Nina´s Hand ganz fest und leise sagte er sein Gedicht auf: „Lieber guter Weihnachtsmann, stecke schnell die Rute ein – ich will auch immer ganz lieb sein.“ Das Gedicht war zwar nicht ganz richtig aufgesagt, aber der gute Wille war schließlich da. Der Weihnachtsmann und Nina schmunzelten. Jetzt bekam auch Boris einen Schoko-Riegel.

Der Weihnachtsmann wollte sich gerade umdrehen und fortgehen, da zupfte Birgit ihn am Ärmel: „Du, Weihnachtsmann, sag mal, hast du auch einen Zwillingsbruder – so wie ich?“ Der Weihnachtsmann war verblüfft: „Nein, wie kommst du denn jetzt darauf?!“ Birgit kniff ihre Augen zusammen: „Na, da kommt doch noch ein Weihnachtsmann und die Mami hat zu uns gesagt, dass es nur einen Weihnachtsmann gibt....“ Jetzt sah auch der Weihnachtsmann seinen Ablöser auf sich zukommen.

Noch bevor der Weihnachtsmann etwas zu Birgit sagen konnte, beugte sich Nina zu ihren Kindern herunter: „So, ihr zwei, wir gehen jetzt noch ein wenig hier bummeln und wenn wir wieder zu Hause sind, erkläre ich euch, warum wir jetzt so viele Weihnachtsmänner sehen. Oh, schaut mal her, hier gibt es ganz hübsche Holzspielsachen.“ Nina lenkte ihre Kinder geschickt vom Thema ab. Aber sie kannte die beiden ganz genau und wusste, dass Boris und Birgit sie bezüglich der beiden Weihnachtsmänner schon bald wieder ansprechen würden.

Gegenüber vom Weihnachtsmarkt befand sich ein großes Kaufhaus. Dort musste Nina noch schnell etwas besorgen. Direkt an der Kasse stand schon wieder ein Weihnachtsmann. Die Kinder sagten nichts, aber als sie in einer Ecke die Weihnachtsmann-Kostüme sahen, fragte Boris seine Mutti dann doch: „Sag mal, kauft der Weihnachtsmann hier seinen Mantel und das andere Zeug ein?“ Auch Nina sah die Sachen. Sie antwortete: „Ich glaube schon, denn irgendwo muss ja auch der Weihnachtsmann mal einkaufen gehen. Sein Mantel geht doch auch mal kaputt.“ Sie hoffte, dass das Thema mit den Weihnachtsmännern jetzt vom Tisch war – doch sie irrte sich gewaltig.

Kaum waren die drei wieder zu Hause, da kam von Birgit erneut die Frage: „Mami, du hast doch immer gesagt, es gibt nur einen Weihnachtsmann. Warum laufen denn jetzt so viele überall herum?“ Nina schluckte. Sollte sie ihren Kindern die Illusion vom Weihnachtsmann wirklich schon nehmen? Nein! Ihre Kinder sollten ruhig noch ein, zwei Jahre an ihn glauben. Nina zog ihre Kinder mit sich auf das Sofa: „Kinder, passt mal gut auf!“ Sie legte ihre Arme um Boris und Birgit und fuhr fort: „Es gibt den Weihnachtsmann! Aber nur, wenn ihr ganz fest an ihn glaubt begegnet ihr ihn – irgendwann und irgendwo. Nur, alleine schafft er die ganze Arbeit nicht und darum hat er ganz viele Helfer. Die beschenken dann in seinem Auftrag die vielen Kinder und Erwachsenen. Das ist ganz genauso wie in der Firma, wo der Papa arbeitet. Ihr wisst doch, dass dort alle einen Kittel anhaben – auch der Chef. Papa und seine Kollegen helfen dem Chef, denn der kann doch auch nicht alles alleine machen. Genauso ist das mit dem Weihnachtsmann. So, nun wisst ihr Bescheid. Habt ihr sonst noch eine Frage?“ Birgit kuschelte sich in Nina´s Arm: „Papa hat einen blauen Arbeitskittel an und der Weihnachtsmann einen roten.“

Birgit war völlig zufrieden mit dem, was ihre Mutter erzählt hatte – Boris nicht! „Polizisten und Feuerwehrleute haben aber keinen Kittel an, die haben Uniformen“ bemerkte er altklug.

Nina stellte Milch und Plätzchen auf den Tisch. „Das stimmt. An den Kitteln und Uniformen könnt ihr die Berufe erkennen. Sie blickte Boris an: „Und woran erkennt ihr den Weihnachtsmann?“ Boris holte tief Luft: „An dem langen roten Mantel mit Kapuze und dem langen weißen Bart und dem Sack, wo die Geschenke drinnen sind und an der Rute.“ Nina nickte mit dem Kopf: „Richtig.“

Birgit zupfte ihrer Mutter am Ärmel: „Mami, woran erkennt man denn den Chef-Weihnachtsmann? Hat der einen Ausweis? Und wie wird man Helfer beim Weihnachtsmann?“ Nina überlegte: „Nun, ich weiß zwar nicht ob es stimmt, aber ich habe mal gehört, dass der richtige, echte Weihnachtsmann sich unerkannt zwischen seine Helfer mischt. Keiner kennt ihn, nur die Englein im Himmel wissen wer er ist, aber die verraten nichts. Jetzt zu deiner Frage mit den Helfern. Das sind ganz liebe und nette Menschen. Die sucht der Weihnachtsmann selber aus. Er schreibt ihnen dann einen Brief. Mit diesem Brief können die Helfer dann in den Kaufhäusern ihre Weihnachtsmann-Uniformen kaufen und wenn sie die dann anhaben, sind sie auch Weihnachtsmänner. Aber wer weiß, vielleicht habt ihr heute ja schon den richtigen, echten Weihnachtsmann getroffen – es kennt ihn ja keiner.“ Die Kinder waren mit den Antworten zufrieden und gingen in ihr Zimmer.

Nina lehnte sich auf dem Sofa zurück und dachte an ihre eigene Kindheit. Sie selber hatte noch mit 10 Jahren – so halbwegs zumindest – an den Weihnachtsmann geglaubt. Jetzt war sie 31 Jahre alt und seit 7 Jahren mit Lars verheiratet.

Nina hatte nicht bemerkt, dass Lars schon zu Hause war. Er war kurz bevor seine Frau mit den Kindern kam dort eingetroffen. Lars war im Bad und wurde unfreiwillig Zeuge des Gespräches zwischen seiner Frau und den Kindern. Nun betrat er das Wohnzimmer und gab seiner Frau einen dicken Kuss. Nina war erstaunt: „Was machst du denn schon hier? Ist es schon so spät?“ Nina sah auf die Uhr. Nein, normalerweise müsste Lars noch 2 Stunden arbeiten. „Ich habe früher Feierabend gemacht.“ Lars strahlte seine Frau an. „Nina, Schatzi, sag mal, glaubst du an den Weihnachtsmann? Ich schon!!!“ Nina verstand die Welt nicht mehr. „Lars, hast du gelauscht oder bist du etwa betrunken?“ Lars nahm seine Frau in den Arm: „Du, ich habe eine riesengroße Überraschung für uns alle!“ Nina wurde neugierig: „Wieso, was ist denn los?“ Lars trank einen großen Schluck Milch, dann sah er Nina an: „Als wir neulich in der Stadt einkaufen waren, da hat mir doch so ein Weihnachtsmann einen Lotto-Schein in die Hand gedrückt....“ Nina sah ihren Mann irritiert an: „Ja, ich erinnere mich daran. Du hast mir den Schein zwar gegeben, aber ich habe ihn weggeworfen.“ Lars schmunzelte: „Ich habe den Schein wieder aus dem Mülleimer geholt, ihn ausgefüllt und abgegeben. Der Schein hat uns Glück gebracht. Wir sind zwar nicht steinreich geworden, aber für ein eigenes Häuschen im Grünen und ein neues Auto reicht es aus. Was sagst du nun?“

Nina liefen die Tränen über das Gesicht. Ungläubig sah sie Lars an: „Wirklich?“ Dann fiel sie ihrem Mann um den Hals. Gemeinsam gingen sie zu ihren Kindern um es ihnen zu sagen.

Der Weihnachtsmann – es gibt ihn also doch! Man muss nur ganz fest an ihn glauben!
 

Svalin

Mitglied
Hallo Heidi

eine schöne Geschichte, wie sie wohl nur Mütter schreiben können. Ich denke auch, daß es wichtig ist, Kinder vor der früher Desillusionierung zu bewahren. Ich konnte mich zwar mit dem Schlußwort nicht so anfreunden, aber die Geschichte war ja sicher auch nicht für mich geschrieben :)

Frohe Weihnachten schonmal

Martin
 



 
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