Weihnachtsmarkt
Donnerstag vor Heiligabend.
Den ganzen Tag schon schiebt sich die Familie durch überfüllte Kaufhäuser: Mutter, zwei Kinder namens Laura und Matthias, dreizehn und fünfzehn Jahre alt, und der Opa, fünfundsiebzig.
Es muß sein. Mutter sucht Geschenke für Vater, für die Älteste, die bereits verheiratet ist, für deren Mann und das Baby. Laura und Matthias haben auch noch gar nichts besorgt.
Opa sucht nichts. Er ist nur mitgekommen, weil er den Weihnachtsmarkt in der Innenstadt mag.
Überall stehen Weihnachtsmänner, mit Sammelbüchsen, Jahreslosen, Flugblättern mit Spendenaufrufen; der Glühwein duftet, Bratwürste schmurgeln, Blechkapellen tröten, an Dutzenden von Marktständen wird alles mögliche angeboten: Namensbecher, Holzspielsachen, Amulette, handgestrickte Strümpfe, Stofftiere ... Mit einemmal wird Mutter klar, daß sie Opa schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen hat.
"Laura! Matthias! Wo ist Opa?"
Die Kinder zucken die Achseln. Sie stehen vor einem Spielzeugstand; Laura sieht sich Modellflugzeuge an, Matthias Sammlerpuppen. Opa ist weg.
"Bleibt mal eben hier stehen", weist Mutter die Kinder an und geht ein paar Schritte zurück, den Weg, den sie gekommen sind. Kein Opa. Wie soll man hier auch jemanden finden? Der Platz vor dem Kaufhaus ist schwarz von durcheinanderwimmelnden Menschen. In das Schwarz setzen verfrorene Nasen und Weihnachtsmannmützen rote Farbtupfer.
"Ich suche erst mal alle Glühweinstände ab", nimmt sich Mutter vor. Das kann dauern, denn Glühwein gibt es beinahe überall. Matthias hat eine Puppe in die Hand genommen und schaut nach, was sie unter ihrem Biedermeierkleid anhat.
"Wartet hier! Ich suche Opa!"
Die Mutter beginnt ihre Jagd nach einem in solchen Fällen üblichen Prinzip: sie zieht Kreise um den Ausgangspunkt, immer größere Kreise, und hält Ausschau nach Opas hoher grauer Pelzmütze.
"Eine Spende für das Müttergenesungswerk!" Ein Weihnachtsmann stößt ihr seine klappernde Büchse unter die Nase. Von wegen Müttergenesung! Sie schubst ihn weg.
Er folgt ihr beharrlich. Sein Atem riecht nach Glühwein. "Eine Spende, liebe Frau. Eine Spende für das Müttergenesungswerk..." tönt es unermüdlich aus seinem Rauschebart. "Ein Herz für Mütter!"
Da ist er endlich! Opa! Ja, das ist seine Mütze. Am Glühweinstand natürlich. Sie drängelt sich durch und klopft den alten Herrn auf die Schulter. Der dreht sich um. - Es ist nicht Opa.
"Entschuldigung!" stößt sie hervor.
Dieser lästige Weihnachtsmann! Da schiebt er sich auch schon neben sie - und pflückt dem alten Herrn die Pelzmütze vom Kopf und hält ihm dafür seine eigene rote hin. Zupft sich den Bart aus dem Gesicht. Zieht den Mantel aus: - Opa!!
"Da, nimm dein Zeug jetzt wieder", knurrt er den anderen Alten mit den roten Backen und der Glühweinnase an, "die geben nix."
© Anna Rinn-Schad
ps. Dies ist meine Weihnachtsgeschichte für Arno.
http://www.leselupe.de/lw/showthread.php?threadid=31518
Vielleicht fällt jemandem noch ein besserer Titel ein....?
Donnerstag vor Heiligabend.
Den ganzen Tag schon schiebt sich die Familie durch überfüllte Kaufhäuser: Mutter, zwei Kinder namens Laura und Matthias, dreizehn und fünfzehn Jahre alt, und der Opa, fünfundsiebzig.
Es muß sein. Mutter sucht Geschenke für Vater, für die Älteste, die bereits verheiratet ist, für deren Mann und das Baby. Laura und Matthias haben auch noch gar nichts besorgt.
Opa sucht nichts. Er ist nur mitgekommen, weil er den Weihnachtsmarkt in der Innenstadt mag.
Überall stehen Weihnachtsmänner, mit Sammelbüchsen, Jahreslosen, Flugblättern mit Spendenaufrufen; der Glühwein duftet, Bratwürste schmurgeln, Blechkapellen tröten, an Dutzenden von Marktständen wird alles mögliche angeboten: Namensbecher, Holzspielsachen, Amulette, handgestrickte Strümpfe, Stofftiere ... Mit einemmal wird Mutter klar, daß sie Opa schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen hat.
"Laura! Matthias! Wo ist Opa?"
Die Kinder zucken die Achseln. Sie stehen vor einem Spielzeugstand; Laura sieht sich Modellflugzeuge an, Matthias Sammlerpuppen. Opa ist weg.
"Bleibt mal eben hier stehen", weist Mutter die Kinder an und geht ein paar Schritte zurück, den Weg, den sie gekommen sind. Kein Opa. Wie soll man hier auch jemanden finden? Der Platz vor dem Kaufhaus ist schwarz von durcheinanderwimmelnden Menschen. In das Schwarz setzen verfrorene Nasen und Weihnachtsmannmützen rote Farbtupfer.
"Ich suche erst mal alle Glühweinstände ab", nimmt sich Mutter vor. Das kann dauern, denn Glühwein gibt es beinahe überall. Matthias hat eine Puppe in die Hand genommen und schaut nach, was sie unter ihrem Biedermeierkleid anhat.
"Wartet hier! Ich suche Opa!"
Die Mutter beginnt ihre Jagd nach einem in solchen Fällen üblichen Prinzip: sie zieht Kreise um den Ausgangspunkt, immer größere Kreise, und hält Ausschau nach Opas hoher grauer Pelzmütze.
"Eine Spende für das Müttergenesungswerk!" Ein Weihnachtsmann stößt ihr seine klappernde Büchse unter die Nase. Von wegen Müttergenesung! Sie schubst ihn weg.
Er folgt ihr beharrlich. Sein Atem riecht nach Glühwein. "Eine Spende, liebe Frau. Eine Spende für das Müttergenesungswerk..." tönt es unermüdlich aus seinem Rauschebart. "Ein Herz für Mütter!"
Da ist er endlich! Opa! Ja, das ist seine Mütze. Am Glühweinstand natürlich. Sie drängelt sich durch und klopft den alten Herrn auf die Schulter. Der dreht sich um. - Es ist nicht Opa.
"Entschuldigung!" stößt sie hervor.
Dieser lästige Weihnachtsmann! Da schiebt er sich auch schon neben sie - und pflückt dem alten Herrn die Pelzmütze vom Kopf und hält ihm dafür seine eigene rote hin. Zupft sich den Bart aus dem Gesicht. Zieht den Mantel aus: - Opa!!
"Da, nimm dein Zeug jetzt wieder", knurrt er den anderen Alten mit den roten Backen und der Glühweinnase an, "die geben nix."
© Anna Rinn-Schad
ps. Dies ist meine Weihnachtsgeschichte für Arno.
http://www.leselupe.de/lw/showthread.php?threadid=31518
Vielleicht fällt jemandem noch ein besserer Titel ein....?