Miseria Cantare
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Plitsch platsch.
Plitsch platsch.
Feine Stiefel, die ohne Unterlass an dem gänzlich leeren Pappbecher zu seinen Füßen vorbeilaufen.
Tropf, tropf, tropf.
Regen, der sich ungnädig durch seine mottenzerfressene Jacke schlängelt.
Kling.
In der Hoffnung einen Vierteldollar in seinem Becher landen zu sehen, blickt er auf. Er wird enttäuscht. Es ist bloß ein kleiner Messingknopf.
„Verzeihung, Mister.“ Die Hand eines kleinen Kindes, die ihn um die Andeutung eines Abendessens bringt.
Rauschen.
In seinem Rücken, viele Meter unter ihm, branden die Wellen des East River gegen die unter Wasser stehenden Ufer. Er ist da. Der Einzige der immer da ist. Sein stummer Begleiter.
Der Mann zieht seine dunkelblaue Wollmütze tiefer ins Gesicht, dreht sich um und bettet seine Wangen zwischen zwei Geländerpfosten der Brooklyn Bridge. Mit nassem Gesicht starrt er hinunter in die tosenden Wellen, auf denen sich die Blitze, die ihnen der Himmel schickt, in bizarre Formen brechen. Nicht zum ersten Mal starrt er dort hinunter.
Seufzend dreht er sich wieder um.
Das letzte Mal wird es wohl auch nicht sein.
Seine lahme Hand tastet sehnsüchtig nach der Flasche, die in der braunen Papiertüte in seinem Hosenbund steckt und ein klein wenig Linderung verspricht. Steif legt er die Finger um ihren Hals, will zupacken, kann es jedoch nicht. Sie entgleitet ihm, zerspringt am nassen Boden und hüllt die ihn umgebenden Pfützen in ihren markanten Duft.
„Nein, nein, nein!“ Winselnd zieht er sich auf seine rigiden Knie und schlürft aus den Pfützen wie ein räudiger Köter.
Heiß und scharf brennt die Plörre in seinem Mund.
„Guckt euch mal den kranken Penner da drüben an!“
Blitze flammen auf, diesmal nicht aus dem Himmel, sondern aus kleinen Geräten, die ein paar Halbwüchsige unter schallendem Gelächter auf ihn richten.
Ertappt kauert er sich zusammen, dreht den Kindern den Rücken zu und lehnt hilfesuchend seine brennenden Wangen an die Geländerpfosten. Sein in Tränen schwimmender Blick bohrt sich in die gewaltigen Fluten unter ihm.
Vielleicht sollte es doch das letzte Mal sein?
„Verschwindet!“ Eine zarte Stimme reißt ihn herum, lässt ihn aufblicken in goldbraune Augen, die ihn traurig mustern. Das lilienweiße Gesicht einer jungen Dame hängt über ihm. In ihren Augenwinkeln stehen Tränen, während sich aus einem kleinen Riss in ihrer Lippe ein rosenroter Blutstropfen drückt.
Aus ihrer Manteltasche zieht sie ein Bündel Geldscheine, das sie in seinen Becher flattern lässt. Das Gejohle der Halbwüchsigen verstummt.
In seinem Inneren macht sich plötzlich Wärme breit. Eine andere Wärme als die, die ihm diese widerliche Plörre beschert.
Güte.
Gnade.
Barmherzigkeit.
Einen Moment lang sieht er sie nur an, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn einen richtigen Satz zu formen. Dann geht sie weg.
Sie geht einfach weg.
Wortlos hievt er sich auf die müden Füße, rennt ihr hinterher, ohne überhaupt an den geldgefüllten Becher zu denken. Er folgt ihr so schnell er kann, doch sie ist zu schnell. Einige Meter verfolgt er sie, bis sie irgendwann innehält. Sie dreht sich zu ihm um, winkt und zieht ihren kleinen Körper erschreckend schnell auf das Brückengeländer.
Wie ein kleiner Engel schreitet sie mit weit ausgebreiteten Schwingen darauf entlang.
Ein weiterer Blitz, diesmal in seinem Herzen.
Hechelnd schließt er zu ihr auf, hat sie fast erreicht.
„Was-“ Mehr bringt er zwischen zwei hektischen Atemzügen nicht hervor.
Ihr schwarzer Mantel flattert im peitschenden Wind, als sie sich ein paar Mal um sich selbst dreht. Die traurigste Ballerina der Welt. „Zu spät…“
In der Drehung verliert ihr Körper sämtliche Spannung. Sie bricht seitlich ein. Ihre Füße löst sich vom nassen Metall und sie fällt. Wie in Zeitlupe sieht er sie fallen.
Er wirft sich über das Geländer, greift nach ihr, fasst ins Leere.
Der Boden unter seinen Füßen verliert sich in Schwerelosigkeit.
Ein Blitz am Firmament erhellt ein letztes Mal ihr Gesicht.
Traurig… Sie sieht so traurig aus.
Klatsch.
Dann ist sie weg.
Verschluckt von seinem treuen Gefährten.
Klatsch.
Ein dunkler Blitz spaltet seinen Schädel.
Alles weg.
Weißes Rauschen.
Plitsch platsch.
Feine Stiefel, die ohne Unterlass an dem gänzlich leeren Pappbecher zu seinen Füßen vorbeilaufen.
Tropf, tropf, tropf.
Regen, der sich ungnädig durch seine mottenzerfressene Jacke schlängelt.
Kling.
In der Hoffnung einen Vierteldollar in seinem Becher landen zu sehen, blickt er auf. Er wird enttäuscht. Es ist bloß ein kleiner Messingknopf.
„Verzeihung, Mister.“ Die Hand eines kleinen Kindes, die ihn um die Andeutung eines Abendessens bringt.
Rauschen.
In seinem Rücken, viele Meter unter ihm, branden die Wellen des East River gegen die unter Wasser stehenden Ufer. Er ist da. Der Einzige der immer da ist. Sein stummer Begleiter.
Der Mann zieht seine dunkelblaue Wollmütze tiefer ins Gesicht, dreht sich um und bettet seine Wangen zwischen zwei Geländerpfosten der Brooklyn Bridge. Mit nassem Gesicht starrt er hinunter in die tosenden Wellen, auf denen sich die Blitze, die ihnen der Himmel schickt, in bizarre Formen brechen. Nicht zum ersten Mal starrt er dort hinunter.
Seufzend dreht er sich wieder um.
Das letzte Mal wird es wohl auch nicht sein.
Seine lahme Hand tastet sehnsüchtig nach der Flasche, die in der braunen Papiertüte in seinem Hosenbund steckt und ein klein wenig Linderung verspricht. Steif legt er die Finger um ihren Hals, will zupacken, kann es jedoch nicht. Sie entgleitet ihm, zerspringt am nassen Boden und hüllt die ihn umgebenden Pfützen in ihren markanten Duft.
„Nein, nein, nein!“ Winselnd zieht er sich auf seine rigiden Knie und schlürft aus den Pfützen wie ein räudiger Köter.
Heiß und scharf brennt die Plörre in seinem Mund.
„Guckt euch mal den kranken Penner da drüben an!“
Blitze flammen auf, diesmal nicht aus dem Himmel, sondern aus kleinen Geräten, die ein paar Halbwüchsige unter schallendem Gelächter auf ihn richten.
Ertappt kauert er sich zusammen, dreht den Kindern den Rücken zu und lehnt hilfesuchend seine brennenden Wangen an die Geländerpfosten. Sein in Tränen schwimmender Blick bohrt sich in die gewaltigen Fluten unter ihm.
Vielleicht sollte es doch das letzte Mal sein?
„Verschwindet!“ Eine zarte Stimme reißt ihn herum, lässt ihn aufblicken in goldbraune Augen, die ihn traurig mustern. Das lilienweiße Gesicht einer jungen Dame hängt über ihm. In ihren Augenwinkeln stehen Tränen, während sich aus einem kleinen Riss in ihrer Lippe ein rosenroter Blutstropfen drückt.
Aus ihrer Manteltasche zieht sie ein Bündel Geldscheine, das sie in seinen Becher flattern lässt. Das Gejohle der Halbwüchsigen verstummt.
In seinem Inneren macht sich plötzlich Wärme breit. Eine andere Wärme als die, die ihm diese widerliche Plörre beschert.
Güte.
Gnade.
Barmherzigkeit.
Einen Moment lang sieht er sie nur an, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn einen richtigen Satz zu formen. Dann geht sie weg.
Sie geht einfach weg.
Wortlos hievt er sich auf die müden Füße, rennt ihr hinterher, ohne überhaupt an den geldgefüllten Becher zu denken. Er folgt ihr so schnell er kann, doch sie ist zu schnell. Einige Meter verfolgt er sie, bis sie irgendwann innehält. Sie dreht sich zu ihm um, winkt und zieht ihren kleinen Körper erschreckend schnell auf das Brückengeländer.
Wie ein kleiner Engel schreitet sie mit weit ausgebreiteten Schwingen darauf entlang.
Ein weiterer Blitz, diesmal in seinem Herzen.
Hechelnd schließt er zu ihr auf, hat sie fast erreicht.
„Was-“ Mehr bringt er zwischen zwei hektischen Atemzügen nicht hervor.
Ihr schwarzer Mantel flattert im peitschenden Wind, als sie sich ein paar Mal um sich selbst dreht. Die traurigste Ballerina der Welt. „Zu spät…“
In der Drehung verliert ihr Körper sämtliche Spannung. Sie bricht seitlich ein. Ihre Füße löst sich vom nassen Metall und sie fällt. Wie in Zeitlupe sieht er sie fallen.
Er wirft sich über das Geländer, greift nach ihr, fasst ins Leere.
Der Boden unter seinen Füßen verliert sich in Schwerelosigkeit.
Ein Blitz am Firmament erhellt ein letztes Mal ihr Gesicht.
Traurig… Sie sieht so traurig aus.
Klatsch.
Dann ist sie weg.
Verschluckt von seinem treuen Gefährten.
Klatsch.
Ein dunkler Blitz spaltet seinen Schädel.
Alles weg.
Weißes Rauschen.