wenn

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Mitglied
was wäre, würde meine haut
der rinde alter bäume gleichen
und auch mein haar gleich jenen bleichen
flechten ruhen dort am stamm?

was wäre, würden finger klamm,
letzte gedanken mir entschleichen,
die kräfte aus den gliedern weichen
im maß in dem zurückgeschaut

wird voller liebe auf ein leben,
in dem es auf und ab gegeben,
in dem das, was es zu erreichen
galt, das einzig richt'ge war?

dann wären meine jahresringe
das maß all jener guten dinge
die mir vergönnt in großer schar.
dann käm allmählich ich zur ruhe
und streifte ab die wanderschuhe
und könnte sagen: "ja, ich war".






.sept_2022
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Hallo Fee,

ja, das ist die Frage: Wie wird man alt, ohne alt zu werden? Das ist das menschliche Dilemma. Ich versichere, das Alter ist die schönste Zeit des Lebens.
Ich bin in den Achtzigern und freue mich, endlich voll hinter die Kulissen sehen zu können. Konnte ich mit 40 nicht, da war ich noch am Beobachten und hatte schon geglaubt, jetzt sehe ich durch. Sowieso, dieser ganze Jugendwahn ist für die Katz. Werd mal schön alt, dann kannst du die altersweisen Gedichte schreiben, dann bist du stolz aufs bleiche Haar, und die Haut muss keiner Borkenrinde gleichen. Immerhin hat das Altsein einen Vorteil in der Bahn, ab und zu gibt es jemanden, der einem seinen Sitzplatz anbietet. Das war die Vorrede, aber zum Gedicht:

Du kannst dich nicht entschließen, ob du Trochäen oder Jamben schreiben willst. Von daher hast du noch Entwicklungsmöglichkeiten, was das gereimte Gedicht angeht. Inhaltlich, naja. Groß kommt dabei nichts raus beim Schleichen der Gedanken. Ja, so ist das: Man glaubt als junger Mensch nicht, dass es einem dann selber treffen kann. Die Vorstellung allein ist schon ein Grausen. Dein Schluss kommt mir zu gewollt vor, nicht ganz ehrlich. Immerhin war ich auch mal jung und weiß, wie man als jüngerer Mensch denkt. Auf die Wahrheit kommt es an beim Schreiben, dann wirst du auch ernst genommen. Aber das muss ich dir wohl nicht sagen.

Lieben Gruß, Hanna
 

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Mitglied
Immerhin war ich auch mal jung und weiß, wie man als jüngerer Mensch denkt.

Liebe Hanna!

Es freut mich, dass du mich offensichtlich "jünger" einschätzt - und ja, ein paar Jahrzehnte sind wir dann schon auseinander und ich hoffe, ich komme an den Punkt, von dem du so schön erzählst. Im Augenblick fühlt es sich für mich an, als würde ich davon erste Ahnungen erhaschen können (und auch müssen - gezwungen durch meine Autoimmunerkrankung, die mich mich manchmal furchtbar alt im schlechtesten Sinne fühlen lässt).
Der Text ist wohl gewollt, weil ein Wunsch - und er ist auch nur ein Versuch - das hast du zielsicher erspürt. Einer mit vielen Fragezeichen - zumindest für mich. Ich wünschte, das, was ich hier versucht habe zu beschwören, würde auch so eintreten und sich erfüllen - in Spuren wenigstens. "Mich zu erfüllen" gelingt mir nicht immer gleich gut, weißt du?

Danke für deine ausführliche Befassung mit meinem Gedicht. Und das, obwohl du es nur für "naja" befindest. Klar, dass dich ein solcher Inhalt nicht mehr sonderlich anfasst. Du stehst da schon beneidenswert drüber. In diesem Sinne

liebe Grüße,
Claudia
 
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s'écrire

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Hallo Claudia, ich finde dein Gedicht schön und rund und empfinde es als Liebeserklärung an das Leben. Als DEINE Fragestellung und als DEINE Antwort. Was Gefühle betrifft ist meines Erachtens Wissen rein subjektiv. Es gibt nicht „die Jungen“ und „die Alten“. Leben ist keine allgemeingültige Wissenschaft, für mich zumindest nicht. Manchmal fühle ich mich weder hier noch dort, also weder jung noch alt. Aber ich hoffe wie du auf die letzte Strophe deines Gedichts. Ich mag es sehr. Liebe Grüsse, Ruth
 

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Danke, liebe Ruth!

Manchmal fühle ich mich weder hier noch dort, also weder jung noch alt.
Ja, das kenne ich auch.
Gerade heute kann ich deine einfühlsamen Worte wirklich gut gebrauchen - mein seit einigen Jahren wiederkehrendes, herbstliches Hormonchaos wirft mich gefühlt gerade wieder aus der Bahn und um Jahre zurück (oder nach vor, wenn man es "so alt wie man sich fühlt"-mäßig betrachtet) und da sollte ich wohl in Zukunft solche Gedankengänge lieber nur im stillen Kämmerlein anstellen, weil mich dann einfach zu vieles zu stark anfasst...ich hoffe, ich vergesse das nicht wieder nächstes Jahr (oder bin dann endlich durch den ganzen körperlichen Aufrur durch).
Ich hoffe, dir geht's gut!

Recht liebe Grüße,
Claudia
 

s'écrire

Mitglied
Liebe Claudia, ich fände es sehr schade wenn du deine echten Gefühle und Gedanken nicht mehr mit uns teilen würdest. Einfach drauflos erzählen kann jeder/jede, sogar ich. Aber nur wenige können wie du auf eine Reise mitnehmen ohne den persönlichen Anspruch „der Weisheit letzten Schluss“ zu besitzen. Ich habe als Kind mich oft mit dem Gedanken getröstet, dass eine fee einen Zaubermantel bringt, mit dem man reisen kann, wohin man will. Das bietest du mir mit deiner Ehrlichkeit an, diesen Mantel, der mich dich fühlen und mich meines fühlen lässt. Liebe Grüsse, Ruth
 

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Lieb von dir, Ruth!

Ich kann schon verstehen, dass für manche dieses Gedicht wie "aufgesetzte Altersweisheit" rüberkommen kann - so weit hatte ich nicht gedacht beim Schreiben, war doch meine Aussage, die ich darin zu treffen versucht habe, eine völlig andere.
Wie ein Text ankommt - darüber habe ich nur wenig Kontrolle, denn das liegt selbstverständlich im Auge des Betrachters und entspringt dessen persönlichen Prägungen und Erfahrungshorizont sowie der ganz individuellen Leseerwartung. Das Motiv hinter dem Gedicht eignet sich aber nicht dazu, deutlicher zu werden (denn dann enstünde ein Stück "Betroffenheits-Lyrik", und das ist nichts, was ich einer Öffentlichkeit zumuten würde wollen). Insofern ist es kein Drama zu erkennen, dass dieser Versuch gescheitert ist. Letztlich kann jedes Gedicht am Rezensenten scheitern - egal, wie es gemacht ist.

... diesen Mantel, der mich dich fühlen und mich meines fühlen lässt.
Ein Mantel, den sich nicht jeder anzieht - das hatte ich außer Acht gelassen (wohl wegen der nicht ausreichenden Distanz zum eigenen Text). Ich finde es schön, dass er für dich so passt!!!!
Keine Sorge, ich werde nicht verstummen. Ich sollte nur nichts posten, wenn ich so drauf bin, wie ich gerade drauf bin. Eigentlich weiß ich das schon...Im Moment heule ich ja sogar bei Sitcoms im TV...nur so zur Verdeutlichung. :cool: Das geht wieder vorbei. Werden halt noch ein paar anstrengende Wochen.

Wir lesen uns!
Alles Liebe!
Claudia
 

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leben scheint eine ewige reise beinhalten
Eine Reise mit sich ständig wechselnder Landschaft und Wetterlage.

Herzlichen Dank, lieber Samoth,

für den schönen Kommentar und die Sterne.

Auch herzlichen Dank an dich, lieber
Arno, für die großzügige Bewertung. Das "einzig richtige" ist nicht absolut gemeint, sondern versöhnlich (wenn klar ist, was ich meine?).

Liebe Grüße euch beiden.
fee
 



 
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