Wenn’s bei Reimers zweimal klingelt (Schüttelreim)

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Didi Costaire

Mitglied
Wenn’s bei Reimers zweimal klingelt

Wenn alle vor den Pforten weilen,
will Reimers stur an Worten feilen,
mit seinen Versen wendig starten
und nicht wie manche ständig warten.

Er kann sich dialektisch häuten,
am Ecktisch, falls sie hektisch läuten,
gar lustig gleich ins Zimmer eilen.
Indes entstehen immer Zeilen,

die, weil sie an Geschichte denken,
Historikern Gedichte schenken.
Hysteriker hingegen schrecken
zurück im Stil von schrägen Gecken.

Bringt uns der Sommer weiter Hitze,
verreimt Herr Reimers heiter Witze.
Sonst schreibt er von konfusen Müttern -
halt dem, womit ihn Musen füttern.

Nun füllen viele Strophen Seiten.
Selbst dort, wo Philosophen streiten,
wird endlich lupenrein geschüttelt
sowie am schönen Schein gerüttelt.

R. hasst das monotone Mehren
von Gütern kraft des Monetären,
mag ungern was im Laden kaufen
und nie durch Shop-Arkaden laufen.

So muss er teils im Leben hungern,
wenn Nachbarn einen heben, lungern.
Dann seufzt der Reimer Reimers: »Hätt’ ich
zumindest Pappenheimers Rettich!«




(Aug. 2012)
 

Mimi

Mitglied
Hallo Didi,
das ist der bis dato herausragendste Schüttelreim, den ich hier im Forum gelesen habe.
Chapeau ...

Gruß
Mimi
 

Scal

Mitglied
So klingt es, wenn ein spitzwegericher Hungerkünstler seinen Schirm der Lelu schüttelnd präsentiert - um sie musisch etwas aufzupäppeln. :)

Lieben Gruß
Scal
 

sufnus

Mitglied
Hey Didi!
Ja... was soll ich sagen... wunderbare Schüttelungen ohne Fehl & Tadel. Ich muss an die Schüttelkunst von Schüttelmeister Friedhelm Götz denken (google-findbar und eingehender Lektüre wert!).
Es ist wirklich unglaublich schwer, längere, halbwegs sinnige Gedichte im Schüttel-Style zu verfassen. Das ist Dir hier wirklich wunderbar gelungen! :)
LG!
S.
 

Didi Costaire

Mitglied
Danke Scal,

das hast du charmant beschrieben und ich freue mich über die Einschätzung, fürchte allerdings, dass Reimers' Leselupe noch analog ist.

Liebe Grüße,
Dirk
 

Didi Costaire

Mitglied
Hallo sufnus

und danke fürs Lob. Friedhelm Götz kannte ich noch nicht, werde mir seine Reime aber gerne intensiver angucken. Bislang habe ich insbesondere zu Jürgen Rehm aufgeschaut, aber auf dessen (ganz hervorragender) schüttelreis-Website passiert seit langer Zeit leider nichts mehr. Ich selbst habe in den letzten Jahren auch nur noch wenige Schüttelreime verfasst. Ich sollte es mal wieder versuchen...

Liebe Grüße,
Dirk
 

sufnus

Mitglied
Hi Dirk!
Danke für den Hinweis auf Jürgen Rehm (den ich wiederum nicht kannte) - hab direkt ein supercooles Schüttelsonett bei ihm entdeckt. Ach, da freu ich mich noch auf vertiefendes Nachlesen zwecks Schließung einer lyrischen Wissenslücke! :)
Friedhelm Götz ist für mich definitiv auch ein Schüttelpapst. Auch abseits der Schüttelkunst gibt es sehr schöne Perlen von ihm (z. B. den Bell-Ami aus der Reihe seiner Gerd Flöhezimt-Gedichte, welches von Hanns Dieter Hüsch in sein Programm aufgenommen wurde). :)
LG!
S.

P.S.:
Aber ich laber hier von fremden Federn rum... lieber nochmal zurück zu Deinem Werk: Da will ich wirklich nochmal auf der beeindruckenden Länge herumreiten! Das ist sehr schwer realisierbar, wenn man der strengen Schüttelform folgt und zugleich einigermaßen semantisch sinnvolle Sätze formen und eine nachvollziehbare Story erzählen will. Bei meinen Versuchen hab ich mir da eine gehörige Portion Schütteldemut eingefangen und die Produkte blieben doch allesamt eher kurz. Also: Chapeau! :)
 

Didi Costaire

Mitglied
Hallo nochmal, sufnus,

erstaunlicherweise sind gerade Schüttelreime bei mir oftmals besonders lang. Ich bin dann regelrecht in einen Tunnel geraten, aus dem ich gar nicht wieder heraus wollte. Da hatte ich ein paar Tage lang nur noch Schüttelreime im Kopf. :)

Von den anderen Schüttelreimen, die ich hier auf der Leselupe bislang veröffentlicht habe, hat eines 30, eines 24 und ein kurzes 12 Zeilen (ohne Leerzeilen). Allerdings ist es noch schwieriger, erst einmal in den Schüttelmodus hineinzukommen.

Liebe Grüße,
Dirk
 

sufnus

Mitglied
Hey Dirk!
Also ich hab zwischenzeitlich im stillen Kämmerlein nochmal Schüttelversuche angestellt und kann konstatieren, dass ich (alas!) nicht in den von Dir beschriebenen Schütteltunnel gelange - ganz im Gegenteil... grummel... (mir scheint dieses Phänomen mit dem Runner's High verwandt zu sein, eine empirische Tatsache, welche mich ebenfalls ratlos zurücklässt). Nebenbefundlich sei angemerkt, dass meine rezenten Schüttelunternehmungen unveröffentlicht bleiben werden... Umso größer ist meine Bewunderung für Deine coole Arbeitsprobe in diesem Feld. Da kann man ruhig wiederholt in die Applaudierkerbe hauen! :)
LG!
S.
 

Didi Costaire

Mitglied
Danke, mondnein!


Danke auch dir nochmal, sufnus, auch für die Vorlage zu einer kleinen Schüttelei...

Was sind zum Teil Strategen geil
und kolportiern das Gegenteil!
Sie hätten doch wie Lämmer kein'
Verkehr im stillen Kämmerlein.

Herzliche Grüße,
Dirk
 

sufnus

Mitglied
Hi Dirk!
Der Strategen geil-Gegentei-Schüttler ist echt was für Kenner & Liebhaber (also jeden) - da muss man erstmal draufkommen, mir brennt schon beim gedanklichen Nachkochen die zerebrale Silbenzentrale an. :)
LG!
S.
 

Didi Costaire

Mitglied
Danke sufnus,

vom Strategen wusste ich anfangs selbst gar nichts, aber eine Strategie hatte ich, nachdem ich feststellte, dass "Gegenteil" geschüttelt "tegen geil" lautet. Daraufhin habe ich halt ins Reimlexikon geschaut, was dort so auf tege oder tegen endet.

Bei deiner neueren Antwort reizt das Nachkochen...

Der Mann, der gern Gemüse kochte,
doch kaum was von Boküse mochte,
der sagte "Ne" und "Ach" zu Knochen
und dazu, Bœuf mal nachzukochen.

Bei dem Ausgangswort fiel mir erst einmal auf, dass ein Schüttelreim möglich ist, wenn man die Anfangskonsonanten nicht austauscht, sondern auf eine Seite bringt. Dann brauchte ich noch die richtige Verbform, um es mit der Satzmelodie in Einklang zu bringen. Außerdem benötigte ich noch einen weiteren Schüttler, um eine kleine Geschichte zu erzählen. Abgesehen davon, dass ich da den guten Bocuse etwas verhunzt habe (was in einem Nonsens-Reim durchaus geht, denke ich) ist auch die Zeitform der Verben entscheidend. Das Präsens zum Beispiel mit "kocht" und "mag" könnte man nicht schütteln.

Lange Rede, kurzer Sinn: Schüttelreime wachsen selten auf den Bäumen. Man muss nach ihnen graben und manchmal, aber nicht allzu oft, wird man fündig...

Schöne Grüße,
Dirk
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das stimmt genau. man muss suchen und finden. Und es darf nicht danach aussehen.
 



 
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