Wer die Wahl hat......

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reborn

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Mon Cheri geht in die Sommerpause und wir zur Eisdiele um die Ecke. Papa lädt seine zwei Erben ein. Luise darf ihren aktuellen Freund mitnehmen. Ich lade ihn lieber zum Eis ein, als mir während der ganzen Zeit in der wir außer Haus sind, vorzustellen, wie er meine kleine Prinzessin befummelt. Wir okkupieren einen der wenigen noch freien Tische und ich schicke die Kinder los, sich die Eissorten anzusehen.
Nach gefühlten 15 Minuten sitze ich immer noch allein am Tisch und stehende Passanten die auf freie Plätze warten, sehen mich schon grimmig an. Ich hänge meine Jacke über den Stuhl, als Markierung, so wie das Handtuch auf der Sonnenliege am Pool auf Mallorca und gehe zum Tresen.
„Was macht ihr denn so lange? Könnt ihr euch nicht entscheiden?“
Lukas gestikuliert wild herum. Mit den ersten Anflügen der Pubertät, lässt die Fähigkeit zur exakten Steuerung der Gliedmaßen bei ihm rapide nach: „Die haben die Eissorten gewechselt, sick.“
„Ja und?“, erwidere ich.
„Die Neuen sind alle toll, lit. Ich weiß gar nicht was ich nehmen soll. Voll Porno.“
An derlei deplatzierte Worteinstreuungen habe ich mich schon gewöhnt. Ich weiß nicht ob die Klanglaute eine tiefere Bedeutung haben. Was kann wohl die Bedeutung von Snirf, Schlarm
oder schmoof sein? Wer spricht so? Quantenphysiker oder Hobbits daheim am Herd?

Ich studiere im Schnelldurchlauf die Sorten. Ananas-Chili, Ziegenmilch-Erdbeere, Cannolo Siciliano (schmeckt wohl nach abgestorbenem Mafioso), Lebkuchen (mitten im August). „Haben Sie auch Schoko?“, frage ich mutig die dralle Dame hinter Glas. „Ne, aber After Eight, Tiramisu, Kaffee, Cookies oder Dattel Nougat.“ Aha. Italienerin scheint sie auch nicht zu sein. „Und Vanille?“, versuche ich weiter.
“Ne, aber White Dream, Prosecco, Zuckerwipfel und Kokos.“
„Schon gut, ich nehme zwei Kugeln Eierlikör”, winke ich ab.
Lukas schreit über den Tresen, wie gesagt die motorische Steuerung spielt verrückt: „Und ich nehme Bubble Gum, Flutschfinger, blauer Schlumpf, Schokosoße und Streusel.“
Ach komisch, in Punkto Eis scheint er noch tief im Kindesalter zu stecken. Ich verkneife mir aber jeglichen Kommentar und bin erstaunt, dass er nicht nach Whiskey- oder Biereis Ausschau hält.

Wir sitzen bereits, als Luise samt ihrem billigem David Garret Verschnitt und zwei großen Eisbechern ankommt. Ich zeige mich von meiner netten Seite: „Na was habt ihr Schönes?“
„Red Bull, Brennnessel, Haferflocke und doppelt Sahne.“
Na das ist ja mal eine ausgewogene Zwischenmahlzeit. Der Anwärter auf Haus, Hof und Tochter sitzt mir gegenüber und ich hasse ihn wie jeden der Verehrer, die das Töchterchen in letzter Zeit so anschleppt. Der Typ nimmt nun doch noch seine Pudelmütze, Verzeihung es heißt natürlich Beanie, von der hohlen Birne und zum Vorschein kommt etwas das aussieht wie ein sehr altes, verlassenes Vogelnest. Mit seinem Männerdutt wirkt er wie ein erfolgloser Samurai mit Schuppenproblem. Während mein Eis schmilzt kann ich nur daran denken, was er wohl in seinem verfilzten Haupthaar versteckt. Darin könnte er seine Schlüssel aufbewahren, aber auch ein Ei warmhalten oder einen wertvollen Diamanten aus dem Tower schmuggeln. Der Fokus meines Blickes zoomt nun immer zwischen dem Vogelnest und einer Halbnackten Urlauberin auf der Werbetafel gegenüber, hin und her.

Lukas hat meinen abwesenden Blick wohl bemerkt als er mich fragt:“ Was siehst du dir da an?“ „Nichts“, antworte ich.
„Da verbringst du aber viel Zeit damit, dir nichts anzusehen. Wenn du dein Eis nicht willst…….“, er grinst mich an. Aha, jetzt hat er doch Lunte gerochen. Ich versuche ihm die Lust zu nehmen: “Du weißt aber schon, dass da kein Alkohol drin ist.“
Das Kind schaut erstaunt: „Das ist doch Eierliköreis.“
„Ja, aber das schmeckt nur nach Eierlikör, Alkohol ist da keiner drin.“, sage ich und ein ganz langes „Leider“ denke ich:
In Kinderschokolade sind ja auch keine Kinder drin,
und keine Schokolade.“

Vor dem nicht ganz jugendfreien Werbeplakat steht nun eine mir bekannte Jungunternehmerin mit ihrem Sohn. Sie betreibt einen Online-Shop für vegane Kindermode und sieht auch dementsprechend aus. Der Sohn geht in Lukas Klasse und hat sich bisher nur als erfolgreicher Rowdy hervorgetan. Leider ist er dem Kinderwagen schon entwachsen und verdeckt deshalb die schönsten Partien der Bikiniurlauberin. Ich hatte ihn bis vor kurzem für einen normalblöden Soziopathen gehalten, musste mich aber eines Besseren belehren lassen. Auf der Elternversammlung wurde über die Eskapaden des Burschen berichtet. Er hatte nicht nur Exkremente (Herkunft unbekannt) im Klassenzimmer verschmiert, sondern auch in den Trinkbrunnen gepinkelt. Der Mensch stammt halt vom Affen ab, das ist der lebende Beweis.
Mit wesentlich mehr Wohlwollen im Gemüt betrachte ich Sohn und Tochter und auch deren Freund bekommt noch mal eine Chance bei mir.
„Wer will Nachschlag?“
Mehr als ein mit Stöhnen verbundenes Abwinken erhalte ich nicht als Antwort.
Ich winke der Pseudoitalienerin zu: „Ich hätte gern noch einen Kaffee.“
„Café au Lait, Espresso Macchiato, Americano, Einspänner oder Diplomat?“, kommt gereizt zurück.

„Ach lassen Sie gut sein ich zahle dann mal.“
 

Maribu

Mitglied
Wer die Wahl hat...

Hallo reborn,

ja, es ist gar nicht so einfach, die Wortschöpfungen der eigenen Kinder, geschweige fremder Jugendlicher, zu verstehen.
Er kann seine Tochter, "seine Prinzessin" ja nicht vom normalen Leben fernhalten und hat als Vater keinen Anspruch darauf, ihr vorzuschreiben, auf einen Freund zu warten, der seinen Vorstellungen entspricht! - Als er jung war, hat er mit seiner jetzigen Frau auch nicht nur "Händchen gehalten"!

Dass mit den Eissorten ist ja wirklich inflationär! Ich habe das Gefühl, je greller die Farben und je ausgefallener die Bezeichnungen sind, umso mehr Umsatz erreichen sie.

Gut beobachtet, flott geschrieben. Glückwunsch!

Freundlichen Gruß
Maribu
 

reborn

Mitglied
Ich danke Euch für positive Rückmeldung.
Ich hatte Spaß beim Schreiben und die Hoffnung, dass sich dieser auch beim Lesen einstellt.
 

reborn

Mitglied
Mon Cheri geht in die Sommerpause und wir zur Eisdiele um die Ecke. Ich lade meine zwei Erben zu einem Eis ein. Luise darf sogar ihren Freund mitnehmen. Ich lade ihn lieber zum Eis ein, als mir während der ganzen Zeit in der wir außer Haus sind, vorzustellen, wie er meine kleine Prinzessin befummelt.

Wir okkupieren einen der wenigen freien Tische und ich schicke die Kinder los, sich die Eissorten anzusehen.
Nach gefühlten 15 Minuten sitze ich immer noch allein am Tisch und stehende Passanten die auf freie Plätze warten, sehen mich grimmig an. Ich hänge meine Jacke über den Stuhl, als Markierung, so wie das Handtuch auf der Sonnenliege am Pool auf Mallorca und gehe zum Tresen.
„Was macht ihr denn so lange? Könnt ihr euch nicht entscheiden?“
Max gestikuliert wild herum. Mit den ersten Anflügen der Pubertät, lässt die Fähigkeit zur exakten Steuerung der Gliedmaßen bei ihm rapide nach: „Die haben die Eissorten gewechselt, sick.“
„Ja und?“, erwidere ich.
„Die Neuen sind alle toll, lit. Ich weiß gar nicht was ich nehmen soll. Voll Porno.“
An derlei deplatzierte Worteinstreuungen habe ich mich schon gewöhnt. Ich weiß nicht ob die Klanglaute eine tiefere Bedeutung haben. Was kann wohl die Bedeutung von Snirf, Schlarm
oder schmoof sein? Wer spricht so? Quantenphysiker oder Hobbits daheim am Herd?

Ich studiere im Schnelldurchlauf die Sorten. Ananas-Chili, Ziegenmilch-Erdbeere, Cannolo Siciliano (schmeckt wohl nach abgestorbenem Mafioso), Lebkuchen (vermittelt mitten im August vorweihnachtliche Gefühle).
„Haben Sie auch Schoko?“, frage ich mutig die dralle Dame hinter Glas.
„Ne, aber After Eight, Tiramisu, Kaffee, Cookies oder Dattel Nougat.“ Aha. Italienerin scheint sie auch nicht zu sein.
„Und Vanille?“, versuche ich weiter.
“Ne, aber White Dream, Prosecco, Zuckerwipfel und Kokos.“
„Schon gut, ich nehme zwei Kugeln Eierlikör”, winke ich ab.
Max schreit über den Tresen, wie gesagt die motorische Steuerung spielt verrückt: „Und ich nehme Bubble Gum, Flutschfinger, blauer Schlumpf, Schokosoße und Streusel.“
Ach komisch, in Punkto Eis scheint er noch tief im Kindesalter zu stecken. Ich verkneife mir aber jeglichen Kommentar und bin erstaunt, dass er nicht nach Whiskey- oder Biereis Ausschau hält.

Wir sitzen bereits, als Luise samt ihrem billigem David Garret Verschnitt und zwei großen Eisbechern ankommt. Ich zeige mich von meiner netten Seite: „Na was habt ihr Schönes?“
„Red Bull, Brennnessel, Haferflocke und doppelt Sahne.“
Na das ist ja mal eine ausgewogene Zwischenmahlzeit. Der Anwärter auf Haus, Hof und Tochter sitzt mir gegenüber und ich hasse ihn wie jeden der Verehrer, die das Töchterchen in letzter Zeit so anschleppt. Der Typ nimmt nun doch noch seine Pudelmütze, Verzeihung es heißt natürlich Beanie, von der hohlen Birne und zum Vorschein kommt etwas das aussieht wie ein sehr altes, verlassenes Vogelnest. Mit seinem Männerdutt wirkt er wie ein erfolgloser Samurai mit Schuppenproblem. Während mein Eis schmilzt kann ich nur daran denken, was er wohl in seinem verfilzten Haupthaar versteckt. Darin könnte er seine Schlüssel aufbewahren, aber auch ein Ei warmhalten oder einen wertvollen Diamanten aus dem Tower schmuggeln. Der Fokus meines Blickes zoomt nun immer zwischen dem Vogelnest und einer Halbnackten Urlauberin auf der Werbetafel gegenüber, hin und her.
Max hat meinen abwesenden Blick wohl bemerkt als er mich fragt:“ Was siehst du dir da an?“
„Nichts“, antworte ich.
„Da verbringst du aber viel Zeit damit, dir nichts anzusehen. Wenn du dein Eis nicht willst…….“, er grinst mich an. Aha, jetzt hat er doch Lunte gerochen. Ich versuche ihm die Lust zu nehmen: “Du weißt aber schon, dass da kein Alkohol drin ist.“
Das Kind schaut erstaunt: „Das ist doch Eierliköreis.“
„Ja, aber das schmeckt nur nach Eierlikör, Alkohol ist da keiner drin.“, sage ich und ein ganz langes „Leider“ denke ich:
In Kinderschokolade sind ja auch keine Kinder drin, und keine Schokolade.“

Vor dem nicht ganz jugendfreien Werbeplakat steht nun eine mir bekannte Jungunternehmerin mit ihrem Sohn. Sie betreibt einen Online-Shop für vegane Kindermode und sieht auch dementsprechend aus. Der Sohn geht in Max Klasse und hat sich bisher nur als erfolgreicher Rowdy hervorgetan. Leider ist er dem Kinderwagen schon entwachsen und verdeckt deshalb die schönsten Partien der Bikiniurlauberin. Ich hatte ihn bis vor kurzem für einen normalblöden Soziopathen gehalten, musste mich aber eines Besseren belehren lassen. Auf der Elternversammlung wurde über die Eskapaden des Burschen berichtet. Er hatte nicht nur Exkremente (Herkunft unbekannt) im Klassenzimmer verschmiert, sondern auch in den Trinkbrunnen gepinkelt. Der Mensch stammt halt vom Affen ab, das ist der lebende Beweis.
Mit wesentlich mehr Wohlwollen im Gemüt betrachte ich Sohn und Tochter und auch deren Freund bekommt noch mal eine Chance bei mir.
„Wer will Nachschlag?“
Mehr als ein mit Stöhnen verbundenes Abwinken erhalte ich nicht als Antwort.
Ich winke der Pseudoitalienerin zu: „Ich hätte gern noch einen Kaffee.“
„Café au Lait, Espresso Macchiato, Americano, Einspänner oder Diplomat?“, kommt gereizt zurück.

„Ach lassen Sie gut sein ich zahle dann mal.“
 



 
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