Wer klopfet an?

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Barleycorn

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Ich war acht Jahre alt und wartete auf das Christkind. Vater hatte wieder einmal den ganzen Tag in Wirtshäusern verbracht und das letzte Geld verjubelt. Er kam erst nach Hause, nachdem die letzte Spelunke geschlossen hatte. Ich war schon froh, dass ich keine Schläge abbekommen habe, das war sein Geschenk für mich an diesem Abend.

Ich hatte vom Nachbarn ein paar alte Ski, besser gesagt ein paar Brettl ohne Kanten und ohne Bindung, geschenkt bekommen. Die fehlende Bindung sollte an diesem Tag mein Vater besorgen. Wie so oft, kam er mit leeren Händen an. Er brummelte nur etwas Unverständliches und verkroch sich in sein Bett. Vielleicht hat er sich geschämt, ich weiß es nicht.

Aber da war ja noch meine Mama, die immer eine Lösung fand. Sie nahm mich an der Hand und lief mit mir zum „Renner”. Das war ein kleines Geschäft für Waren aller Art. Der Besitzer des Ladens, Herr Renner, war ein allseits beliebter und freundlicher Mann. Bei ihm konnte man alles kaufen, was ein Haushalt benötigte. Auch einfache Ski und Bindungen mit Seilzug und Lederriemen, wie sie zu dieser Zeit üblich waren.

Es war schon finster geworden, die Straßen waren gespenstig leer, die Geschäfte hatten längst geschlossen. Alle feierten den Heiligen Abend mit der Familie. Meine Mama hatte die Courage und klopfte den Ladenbesitzer heraus. Sie erzählte ihm irgendeine Notlüge als Entschuldigung für die Störung. Herr Renner hörte sich geduldig ihre Bitte an, dann wandte er sich an mich und sagte: „Komm Burli, wir schauen, was wir machen können”, legte seine Hand auf meine Schulter und ging mit mir in sein Magazin. Dort zog er eine einfache, aber für mich traumhafte Skibindung aus dem Regal. Dazu schenkte er mir passende Schrauben und ein Paket Skiwachs: Toko-Silver. Das war das Größte für mich. Jetzt konnte ich es nicht mehr aushalten und wollte nur noch nach Hause ~~ meine Mama musste sich für mich bedanken, ich war schon zur Tür gelaufen.

„Bezahlen?”, wiederholte Herr Renner Mamas Frage, „bezahlen geht nicht, die Kasse ist zu.”

„Wie zu …?”

„Es ist alles abgerechnet. Die Journale sind geschrieben.”

„Und jetzt?”, fragte Mama.

„Jetzt ist Weihnachten! Gehen Sie mit dem Buben nach Hause und freuen sich über ein Geschenk vom alten Renner.”

Bis spät in die Nacht habe ich unter einem winzigen Fichtenbäumchen, mit ein paar Kerzen drauf, an meinen Bretteln herumgeschraubt und dem lieben Gott gedankt, dass es mir so gut geht. Im Leben ist eben alles relativ. Auch Weihnachten.
 



 
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