Werd Müllerbursch im Koselbruch (Shakespeare Sonett in Amphybrachies)

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Schreibfan

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Werd Müllerbursch am Koselbruch
(Shakespeare Sonett in Amphybrachies)

Tritt ein in die Mühle am schwarzen Gewässer.
Ich lehre dich Müllern. Das andere auch.
Zerbrech deinen Bettelstab, hier lebst du besser.
Schlag ein mit der Linken, denn so ist es Brauch.

Ich nehme dich mit in die höheren Sphären.
In goldener Kutsche. Steig ein, sei mein Gast.
Schon bald kann ein Kurfürst dich nicht mehr entbehren.
Bedenk was dir fehlte und was du nun hast...

Nun komm schon, schliess zu die entkräfteten Augen
und fülle dir über den wässrigen Mund.
Du musst nichts mehr sehen, nichts reden, nichts glauben,
Versuch nicht zu fliehen, es gibt keinen Grund.

Du brauchst mir für nichts einen Taler zu geben.
Mir reicht schon dein Herz, dein Gewissen, dein Leben.

Hannah May (15.07.23)


Ich übe ja noch die Amphybrachies und auch Sonette, daher freue ich mich über Rückmeldungen und ggf Tipps zu diesem Text.

Dieser Text bezieht sich natürlich auf ein recht bekanntes Buch bzw. die Sage und ihr dürft dreimal raten um was für eine Geschichte es sich handelt. Vermutlich braucht man nicht dreimal zu raten...
 

rainer Genuss

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Eins meiner Lieblingsbücher, natürlich "Krabat" von Ottfried Preußler
M.M sehr gut verbunden mit dem Hauptwerk
ich bin keine Amphybrachies Kenner und Wissender
beeindruckt
Gruß Ra
 

Schreibfan

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Herzlichen Dank, Rainer, für Bewertung und Kommentar.
Ob der Text als Sonett durchflutschen kann weiß ich nicht, immerhin ist er ja doch nicht fuenfhebig in den Zeilen und auch die Silbenanzahl stimmt nicht ganz mit den klassischen Vorgaben überein.
Die Amphybrachies hat Pennwise bereits an anderer Stelle als korrekt durchgewunken und wenn's der Master of Amphybrachies sagt, wird's wohl stimmen ;-). Für die Verknüpfung zum Hauptwerk kann ich mich verbürgen, war Thema in meiner mündlichen Diplomprüfung. Krabat stimmt natürlich.
LG Schreibfan
 

Schreibfan

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An anderer Stelle schrieb man mir, dass es wichtig sei, bei Amphybrachies immer die für die Geschichte relevanten Worte zu betonen und dass es bei diesem Gedicht ein wenig Probleme gemacht hätte, es in Amphybrachies zu lesen. Ich poste hier mal nochmal das Gedicht, die markieren Stellen würde ich betonen, in meinen Ohren klingt das richtig aber ich übe ja noch und es bringt ja nichts, wenn jmd anders mich nicht laut lesen hört und dann für ihn das Gedicht holpert.
Hatte noch jmd Probleme mit der Betonung gehabt, dann würde ich tatsächlich übers überarbeiten nachdenken:


Tritt EIN in die MUEhle am SCHWARzen GeWAESSER.
Ich LEHre dich MUELlern. Das ANdere auch.
ZerBRECH deinen BEttelstab, HIER lebst du BEsser.
Schlag EIN mit der LINKen, denn SO ist es Brauch.

Ich NEHme dich MIT in die HOEheren SPHären.
In GOLdener KUTsche. Steig EIN, sei mein GAST.
Schon BALD kann ein KURfürst dich NICHT mehr entBEHren.
BeDENK was dir FEHLte und WAS du nun HAST...

Nun KOMM schon, schliess ZU die entKRAEFteten AUgen
und FUELle dir UEber den WAESSrigen MUND.
Du MUSST nichts mehr SEHen, nichts REden, nichts GLAUben,
verSUCH nicht zu FLIEhen, es GIBT keinen GRUND.

Du BRAUCHST mir für NICHTS einen TAler zu GEben.
Mir REICHT schon dein HERZ, dein GeWISSEN, dein LEben.
 

mondnein

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Im Deutschen gibt es eigentlich kein Plural-S. Die (singuläre) Amphibrachys wird im Plural zu Amphibrachyen oder Amphibrachien.
So wie Iamben und Trochäen zwei Seiten der gleichen Medaille sind, wenn man den unbetonten Anfang eines ansonsten trochäischen Verses als Auftakt (in der Musik der isolierte, im Kontext unbetonte letzte Taktschlag vor einem Taktstrich) hört und das "weibliche" (also trochäische) Ende eines ansonsten iambischen Verses als katalektischen Nachklapp hinnimmt,
so sind Amphibrachyen nur Daktylen mit Auftakt. Daktylische Verse enden in der Regel katalektisch, also ohne das Unbetontenpaar des Daktylus; in der antiken Metrik enden sie mit einem Spondeus, der als Trochäus hingenommen werden kann.

Sonette müssen nicht iambisch sein, und sie müssen nicht fünfhebig sein. Sie müssen ja auch nicht ABBA reimen, und sie müssen auch nicht in italienischer Sprache (genauer: in toskanischem Dialekt) geschrieben sein. Vielmehr gilt, wie auch sonst bei sprachlichen Regelwerken, das Prinzip der Induktion: Wem die Einordnung eines Gedichts als "Sonett" nicht paßt, der wähle einen anderen Schall und Rauch, umnebelnd Himmelsglut.

grusz, hansz
 
Sonette müssen nicht iambisch sein, und sie müssen nicht fünfhebig sein. Sie müssen ja auch nicht ABBA reimen, und sie müssen auch nicht in italienischer Sprache (genauer: in toskanischem Dialekt) geschrieben sein. Vielmehr gilt, wie auch sonst bei sprachlichen Regelwerken, das Prinzip der Induktion: Wem die Einordnung eines Gedichts als "Sonett" nicht paßt, der wähle einen anderen Schall und Rauch, umnebelnd Himmelsglut.
Hallo mondnein,

geht vielleicht nur mir so, aber ich bin jetzt verwirrt. Also alles ganz egal und Regeln braucht es nicht?

Schöne Grüße
SilberneDelfine
 

mondnein

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ein aufgezweigter Baum, mit dem Hauptast der fünfhebigen ABBA-gereimten iambischen Strophen, mit zwei Quartetten und zwei Terzetten, und da ist Shakespeare schon der "andere" Zweig, und ein dritter der daktylische Ast, und dann wieder die sechshebigen Alexandriner und die vierhebig stromlinienförmig glatten Paar Füße.

grusz, hansz
 

kakadu

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Hallo Hannah,

der Text lässt sich für mich einwandfrei amphibrachisch lesen. Da gab es keine Stolperer. Im regelmäßigen Metrum muss man auch nicht allzu sehr auf saubere Füllung achten. Da können die Lesenden sich vom Gewohnheitsmetrum treiben lassen. Anders sähe es bei freier Füllung aus. Da muss man sehr genau auf die Silbenqualität achten, damit die Betonungen deutlich zu hören sind. Gut, dass jeder zweite Vers eine männliche Kadenz hat! Die lassen zwischendurch mal aufatmen. ;)

Mir persönlich gefällt der Schunkelrhythmus nicht, wenn er vierhebig und über längere Strecken durchgezogen wird. Auch ist er für viele Themen einfach auch zu schnell. Das ordne ich mal unter Geschmackssache ein. In kürzeren Versen, z.B. beim Limerick, mag ich Amphibrachen aber sehr gerne.

Hier kann ich wirklich nicht meckern, höchstens noch auf ein paar Rechtschreib- bzw. Tippfehler hinweisen.

"Amphibrachys" wurde ja schon von Hansz angemerkt. Dann sehe ich noch "zerbrich" (Imperativ), "schließ zu" (falls du nicht Schweizerin bist) und hier

Bedenk was dir fehlte und was du nun hast...
fehlt nach "Bedenk" ein Komma und ein Leerzeichen vor den Auslassungspunkten.

Inhaltlich gefällt mir das Gedicht auch. :)

LG Claudi
 

kakadu

Mitglied
@mondnein: Dein letzter Kommentar gehört, glaube ich, in Bernds Faden?

@Schreibfan: Was ich noch vergessen hatte, zu erwähnen, sind die kurzen Sätze. Punkte schaffen sehr harte Zäsuren. Das ist nicht immer vorteilhaft, hier aber eine gute Maßnahme, das Leiern zu unterbinden. Besonders wirkungsvoll sind die Zäsuren, wenn sie im Versfuß liegen, wie z.B. hier das Komma vor "sei mein Gast":

In goldener Kutsche. Steig ein, sei mein Gast.
xXxx Xx - xX - xxX

Ich hab mal die Sinneinheiten so gebündelt, wie man sie hört. Das ist ein sehr schöner Vers! Hier klingt kein einziger Amphibrachys als Wortfuß durch. Die Versfüße schwingen nur im Hintergrund als Taktgeber mit. So soll es sein!

LG Claudi
 
Sehr musikalisch! "Es klappert die Mühle am rauschenden Bach" ist ja auch so ein amphibrachisches Amphibium. Im Sonett tanzt der Versfuß als Volkslied in elegantem Kleid.

Gern gelesen!
Rolf-Peter
 



 
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