Werte und Wahnsinn

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Ideeus

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WERTE UND WAHNSINN





Eine kurze Einführung in die Welt des Schenkens: Eines der ersten Dinge, die Eltern ihrem Kind lehren ist das unumstößliche Gebot, dass ein Geschenk von Herzen zu kommen und man sich demzufolge darüber zu freuen hat – ungeachtet dessen, ob einem Gabe und/oder Geber sympathisch sind. Als Erwachsener hat man sich danach ebenso mit einem Geschenk zu rächen, sprich zu revanchieren, dass mindestens der gleichen Preiskategorie entstammt, wenn nicht sogar noch einer höheren. Da besonders teure Gegenstände unter der Unsitte leiden eher schlicht gehalten zu sein und daher den Eindruck erwecken, der Schenker habe geknausert empfiehlt es sich auf eine umso teurer aussehende Verpackung zu achten. Besonders geübte Wohltäter beherrschen im Übrigen die Kunst den Preisaufkleber so abzurubbeln, dass es den Anschein habe, man wollte aus Bescheidenheit den Wert der Ware verschleiern, aber noch so viel stehenzulassen, dass die Zahlen bei genauerer Betrachtung noch zu identifizieren sind. Auf jeden Fall entsteht so aber ein teuflischer Kreislauf des Schenken und Beschenkt Werdens, sobald ein Geschenk erst einmal in Umlauf gebracht wurde. Das dazu.



„Vergiss nicht, dass wir noch ein Geschenk für Jörg brauchen.“ „Warum das denn?“ „Sein Geburtstag steht an. Das solltest du eigentlich besser wissen als ich. Immerhin ist er DEIN Freund.“ „Wieso nur meiner? Immerhin bin ich ja auch mit all deinen Leuten gut bekannt. Da behauptest du auch steif und fest, es handle sich um UNSERE Freunde.“ „Das ist etwas Anderes. Unsere Freunde haben Kinderstube. Jörg aber ist ein Prolet. Und er hat einen schlechten Einfluss auf dich.“ „Das kann ich nicht gerade finden. Wenn wir zusammen sind haben wir meistens eine Riesengaudi.“ „Das ist ja das Schlimme. Du merkst es nicht einmal. Mit jedem gemeinsamen Bier steigst du die Leiter der Evolution Stufe um Stufe herab, bis ihr zu geistigen Einzellern zusammengeschrumpft seid. Dann könnt ihr richtig ordinär sein. Bei Jörg eine zugegebenermaßen kaum wahrnehmbare Veränderung, aber um dich ist es schade. Wenn du dagegen mit mir ein Glas Wein trinkst wirst du mit zunehmenden Genuss beinahe schon zum Philosophen. Gut, zu einem Platon fehlt noch ein gutes Stück, aber man kann dann mit dir über die interessantesten Themen sprechen.“ „…“ „Aber lassen wir das. Zurück zum Geschenk. Hast du schon einen Einfall?“ „Na ja, den üblichen Fresskorb eben: Würstchen im Glas, einen Becher scharfen Senf und ein paar Tüten Chips und Flips. Wahrscheinlich auch noch eine Kiste Bier zum Runterspülen.“ „Typisch. Einfallsloser hast du es wohl nicht?!“ „Wie meinst du das? Es gab jedes Mal noch ein großes ‚Hallo‘, wenn wir damit bei ihm aufgeschlagen sind.“ Da gibst du es ja selbst zu. ‚Jedes Mal.‘ Als wenn uns nichts Besseres einfiele.“ „Warum ist dir das plötzlich überhaupt so wichtig? Eben hast du uns noch als ‚Einzeller‘ tituliert.“ „Leider hat uns dein Freund zu deinem Geburtstag einen brandneuen Fernseher verehrt. Da können wir uns nicht mit Banalitäten revanchieren. Auch wenn er uns den nur geschenkt hat, damit er sich bei uns mit dir eure Fußballspiele und Gewaltorgien ansehen kann, Simpel, der er ist. Zuhause darf er das ja nicht. Da herrscht Zucht und Ordnung.“ „Also, ich meine ja, dass man mit Bewährtem am besten fährt. Hauptsache, der Beschenkte freut sich. Wenn wir jetzt mit einer Biographie, einer Flasche Wein oder einem Gegenstand von künstlerischem Wert vorstellig werden, denkt er am Ende noch, wir würden unseren alten Plunder bei ihm entsorgen wollen. Und das an seinem Geburtstag.“ Darauf schwieg sie. Aber es war ein Schweigen, das mir beinahe das Trommelfell zerriss. Es ging ihr gegen den Strich, dass ich genauso ein ‚Simpel‘ war wie Jörg, aber sie hatte eingesehen, dass man mit mir in diesem Punkt keine Diskussion führen konnte. Ich würde den von mir ins Spiel gebrachten Fresskorb zusammenstellen und damit hatte es sich. Punkt. Zumindest dachte ich das in diesem Moment.



Am nächsten Tag machte ich mich im Auftrag meiner Holden zum nächstgelegenen Kiosk auf um Zigaretten zu besorgen. Gott bewahre, dass ich mein Geld auf diese Weise verbrennen würde. SIE rauchte – immer, wenn ihr etwas auf der Seele lag. Also eigentlich wegen mir und das ständig. An guten Tagen wurden es schon einmal anderthalb Packungen. Nahte ihr Geburtstag, unser Jahrestag oder eine Familienfeier erwarb ich sicherheitshalber schon die eine oder andere Stange auf Vorrat, um sie bei Laune zu halten. Mir war es lieber, es qualmten die Suchtstangen als sie selbst. Ich stand am Ende einer kurzen Schlange und hatte bereits die bestellte Marke mit dem Wüstenschiff ins Auge gefasst, da erkannte ich, dass der vordersten Packung ein seltenes Motiv innewohnte. Vor einigen Jahren war man dazu übergegangen, die Päckchen mit Bildern von zerfressenen Lungen, fauligen Gebissen und ähnlichen, vermeintlich abschreckenden Aufdrucken zum Sammeln auszustatten. Also ich zumindest sammelte sie. Wenn ich schon für ihre Sucht den Geldbeutel zu öffnen hatte, wollte ich für mein Geld auch einen Gegenwert haben, und war er noch so makaber. Im Gegensatz zu Kindern, die ihr Geld für Sammelalben und –sticker rauswarfen, konnte ich mir fehlende Motive gezielt heraussuchen lassen, auch wenn ich dafür oft Unverständnis und ärgerliche Blicke erntete. Unterbewusst hatte mich meine Ungeduld dazu verleitet unablässig mit dem Fuß auf den Boden aufzutippen, was meine Umwelt sichtlich irritierte. So unterdrückte ich meinen Trieb und versuchte meine Aufmerksamkeit von den Zigaretten auf etwas Anderes zu lenken. Dann traf es mich wie ein Blitz. Ich wusste nun was nötig war um meine Holde in punkto Jörg wieder für mich einzunehmen…



Mit einem breiten Grinsen betrat ich unser gemeinsames Zuhause. Man kann es nicht anders umschreiben, ich war einfach stolz auf meinen Einfall gewesen. „Schatz…“, so nannte ich sie von Zeit zu Zeit, „… vergiss den Fresskorb. Dieses Jahr werden wir es ganz anders machen. Sieh mal, was ich gekauft habe.“ Unsicher schaute sie mir zu, wie ich ein flaches, braunes Papiertütchen aus der Innenseite meines Mantels hervorzog und es ihr zur Einsicht übergab. Mit spitzen Fingern griff sie danach und wagte einen Blick hinein. „Rubbellose?!“ „Ganze zehn Stück mit Gewinnmöglichkeiten von zehntausend Euro bis hin zu einer ganzen halben Million. Eine Kiste Bier lege ich noch obendrauf, egal ob nun als Trostpreis oder zum Begießen eines saftigen Gewinns. Na? Was sagst du?!“



Zumindest eine kleine Anerkennung meiner Geistesgaben hatte ich mir erhofft, wenigstens aber mit einem „So etwas kann auch nur dir einfallen!“ gerechnet, aber ihr Blick ruhte starr auf dem nun wieder geschlossenen Papiertütchen. Ihr Mund blieb zu. Vorerst. Die übliche Ruhe vor dem Sturm. Sie nahm eines der von mir mitgebrachten Zigarettenpäckchen in die Hand und zog eines der weißen Stäbchen heraus. „Du bist ein Kamel.“, sagte sie noch mit ernstem Unterton, bevor sie den Glimmstängel der identen Marke in ihrem Mund entflammte. Ich dachte in dem Moment, dass es eine gute Entscheidung gewesen war ihre Bestellung instinktiv noch um einige Päckchen aufzustocken, dann ging sie mich endgültig an. „Eine halbe Million willst du einfach verschenken?! Und dann noch an Jörg?! Wegen eines Fernsehers?! Mit anderen Worten fünfhunderttausend Euro! Ich fasse es nicht.“ Eine halbe Million war wirklich viel Geld, auch wenn es ein Freund war. Dagegen ließ sich nichts sagen. Ich aber versuchte es trotzdem. „Die meisten Lose lauten ohnehin nur auf ein paar Tausender. Die waren billiger.“ „Du meinst also, dass wir ein paar tausend Euro einfach entbehren könnten. Wann waren wir eigentlich das letzte Mal im Urlaub geschweige denn im Ausland?!“ Ihre Zigarettenspitze leuchtete rotglühend auf. „Jetzt sei doch bitte realistisch. Wenn überhaupt sind die Lose ein paar Euro wert. Höchstens. Bei so etwas gewinnt man doch nie. Jörg kann froh sein, wenn die Gewinnsumme den Kaufbetrag aufwiegt. Wahrscheinlich wäre es im sowieso lieber, ich würde ihm gleich das Geld verehren anstelle dieser Dinger. Der Witz an den Scheinen ist doch, dass man einen kurzen Spannungsmoment beim Aufrubbeln empfindet und dann gemeinsam darüber lacht, wie vermeintlich nah man am Hauptgewinn dran war und dann den Frust hinunterspült. Ist entgegen aller Wahrscheinlichkeit doch einmal ein kleiner Gewinn unter der Silberschicht verborgen, stößt man darauf an. Das heißt, der Kasten Bier wird in jedem Fall gut ankommen. Bis jetzt hat noch niemand einen Hauptgewinn verschenkt. So etwas wäre doch in allen Zeitungen gestanden, vor allem in deinen Klatschblättern. Die warten doch nur auf so eine Schlagzeile. Glaub mir doch, das Ding ist narrensicher. Eher wird Jörg vom Blitz getroffen, als dass er mit unserem Geschenk das große Geld macht…“



Erneut von Stolz erfüllt lag ich an diesem Abend neben der Meinen in unserem Bett. Woher kam eigentlich die Sitte sich ein Bett zu teilen? Im Krieg machte es wohl Sinn im Falle eines Falles einen kampfbereiten Kameraden neben sich zu wissen und auch in der Gegenwart war ein wärmender Leib im Winter nicht zu verachten, aber es herrschte Sommer und der Schweiß lief in Strömen an mir herab. Zwar hatten wir in weiser Voraussicht einen Ventilator besorgt, aber unglücklicherweise reichte sein Radius gerade so aus eine Seite des Schlafzimmers zu kühlen. IHRE Seite. Aber ich schweife ab. In dieser Nacht war mein Groll diesbezüglich bei weitem nicht so stark wie sonst. Vielmehr freute ich mich darüber unsere Debatte zu meinen Gunsten entschieden haben zu können. Mein Blitzschlag-Argument war eben totsicher, da kam nichts dagegen an. Wann wurde schon einmal jemand vom Blitz getroffen? Sicher verstand es eine solche Naturgewalt in leblose, sprich unbewegliche, Objekte wie Häuser oder Bäume einzuschlagen. Jörg dagegen war ein Wendehals, der heimlich von Bett zu Bett hüpfte und von daher viel zu agil, als von einem solchen Stromschlag getroffen zu werden. Man stelle sich vor: ein Ereignis, das noch seltener eintrat als ein Blitzschlag würde meinen besten Freund ereilen. Unfassbar, unvorstellbar, unglaublich, ja einfach un… möglich?!



Die Saat der Zweifel hatte in mir gekeimt und war dabei prächtig-bunte Blüten zu treiben. Ja, es war unwahrscheinlich, dass ich mir großen Reichtum durch die Hände gleiten ließ, aber war die Statistik wirklich auf meiner Seite? Ein Siegerlos gab es schließlich und Jörg war wirklich nicht gerade die hellste Kerze im Leuchter. Das berühmte Glück der Dummen gab es schließlich auch noch. Dabei fiel mir auf, dass es einen entscheidenden Unterschied machte, ob man dumm war oder Dummes tat. Wer dumm war, den ereilten in der Regel immer wieder glückliche Momente. Wer Dummes tat war für sein eigenes Pech verantwortlich. Zudem hatte die Menschheit im Verlauf ihrer Geschichte viele dumme Entscheidungen getroffen, mehr als man in einem einzigen Menschenleben aufzuzählen im Stande wäre und ich hatte mich in eine Situation gebracht, die das Potential in sich trug mich zu deren König aufzuschwingen. Nicht wie ein gewisser Zimmermann vor zweitausend Jahren, von dem ein halbes Buch handelte, sondern zum König der Deppen, mit einer Narrenkappe auf dem Kopf.



Ich musste in jedem Fall sicherstellen, dass die Lose allerhöchstens, wenn überhaupt, ein paar Euro wert waren, bevor es zur Übergabe kam. Aber wie sollte ich dies anstellen?! Weder war ich wohl der Erste noch werde ich der Letzte gewesen sein, der feststellen musste, dass es sinnlos war die Dinger durchleuchten zu wollen. Egal mit welcher Anzahl an Watt ich es auch versuchte, sie ließen sich ihr Geheimnis nicht entreißen.



Daraufhin fragte ich das Internet um Rat, wie es alle taten, wenn sie nicht weiterwussten. Diverse „Fachleute“ hatten sich in der Vergangenheit bereits ausführlich meinem Problem gewidmet, allerdings ohne zu nennenswerten Ergebnissen zu gelangen. „Durchleuchten ist sinnlos.“, lautete der allgemeine Tenor. In Asien habe es angeblich einmal einen Fall gegeben, da man Siegerlose anhand ihrer Seriennummern herauspicken konnte, aber auch dies erwies sich als Sackgasse. Als die Lotteriegesellschaft dahinter kam wurde die ganze Serie eingestampft und durch neue Lose mit neuen Seriennummern ersetzt. Man mochte fast annehmen, dass alle Lotteriegesellschaften weltweit nicht wollen würden, den Wert ihrer Produkte ohne Kauf und Aufrubbeln derselben bestimmen zu können. (An dieser Stelle hätte ich es mir natürlich einfach machen, die Lose einfach behalten und zum ursprünglich geplanten Fresskorb zurückkehren können. Allerdings hätte dies zur Konsequenz gehabt eingestehen zu müssen, dass mein Plan doch nicht narrensicher war und schwer umkämpftes Land sang- und klanglos zurückgeben zu müssen.)



Im Endeffekt blieb mir nur übrig zu tun, was alle taten, die mit ihren zur Verfügung stehenden Mitteln an ihre Grenzen gelangt waren. Ich faltete meine Hände, schloss meine Augen und flehte mit reinem Herzen zu unserem Schöpfer, dass er meine Hände vor dem Verschenken eines größeren Geldbetrags bewahren möge. Auch wenn ich seine Geschäftsräume seit längerer Zeit nicht mehr betreten hatte und mit meiner Holden in Sünde lebte, war ich trotz allem, wenn man nicht allzu genau hinsah, ja ein guter Mensch, der es nicht verdient hatte, in einer solchen Bredouille zu stecken. Wenn er unbedingt einen größeren Geldbetrag durch meine Hände gehen sehen wollte, würde ich auch diese Prüfung über mich ergehen lassen. Zu diesem Behuf könnte er etwa beim Fußball, gemäß meinen Tipps beim Toto, hilfreich seine Kräfte walten lassen. Abschließend entschuldigte ich mich noch dafür, dass ich mich mit meinem Anliegen direkt an ihn gewandt hatte und nicht an seinen dafür zuständigen, himmlischen Vertreter, wer immer das auch sein mochte. Man weiß ja, wie beschäftigt Führungskräfte sein können, erst recht jene eines universellen Unternehmens. Ich beendete den Dialog mit einem kleinen Knicks, schlug sicherheitshalber auch noch ein Kreuz und ging wieder zu Bett. Der Schweiß lief weiterhin an mir herunter und schlafen konnte ich erst recht nicht.



Die darauffolgenden Tage verliefen recht ereignislos. Ich stand auf, wusch mich, ging zur Arbeit, kam nachhause, aß Abendbrot, legte mich ins Bett, schwitzte und verbrachte eine schlaflose Nacht. Und dann wieder von vorne. Die Gespräche zwischen meiner Holden und mir verliefen beiderseits eher maulfaul, aber unterschwellig knisterte es von Tag zu Tag mehr, manche würden sagen, es war schweres Donnergrollen. Da war er wieder, der zuvor genannte Blitzschlag. Es wäre wohl noch tagelang so weitergegangen hätte mein Abteilungsleiter mich nicht wegen einiger, gemessen am Umfang der Firma, marginaler Fehler zu sich ins Büro zitiert. Meine durch Schlafmangel müde gewordenen Augen waren nicht mehr in der Lage den Unterschied zwischen Punkt und Komma zu erkennen, wodurch sich bei der Rechnungslegung einige Diskrepanzen zu unseren Ungunsten ergaben. Aufgeflogen war ich überhaupt nur, da eine ungewöhnlich hohe Anzahl an Bestellungen für unsere teuersten Artikel einging, die ich versehentlich zu Dumpingpreisen feil bot. Langer Rede kurzer Sinn gab es eine Abmahnung und unbezahlte Freistellung, bis ich „wieder zu gebrauchen“ war.



Vor dem Tor zu meiner heimischen Hölle angekommen bot sich mir ein Bild von apokalyptischen Dimensionen. Noch bevor ich die Tür auftun konnte waren schon die infernalischen Laute unseres Rauchmelders zu vernehmen und kaum hatte ich sie einen Spalt breit geöffnet schlugen mir Rauchschwaden entgegen. Das Schlimmste befürchtend bahnte ich mir todesmutig einen Weg durch den Qualm um nach meinem Schatz zu sehen, doch alle Eile nutzte nichts, ich kam zu spät um noch rettend eingreifen zu können. Sie lag vornübergebeugt auf dem Tisch, der Kopf regungslos zwischen ihren Armen. Tränen waren ihr fahles Gesicht hinuntergelaufen und Jörgs Lose ihres Überzugs beraubt. Daneben stand der Aschenbecher, der bei Verlassen des Hauses noch völlig leer gewesen war. Jetzt war er nicht mehr in der Lage die Anzahl der aufgerauchten Stummel in sich aufzunehmen. Die Belüftung des Hauses war furchtbar und die schlecht gewordene Luft hatte unseren Melder rebellisch werden lassen. „Ich habe es nicht mehr ausgehalten.“, schluchzte sie als Erklärung, woraufhin ich sie tröstend in den Arm nahm. Seit ich sie kannte, war sie mir nie schöner, nie reiner, nie liebenswerter erschienen als in diesem Moment. Auch mir rannen Tränen des Glücks und der Erleichterung über die Wangen. „Ich liebe dich…“, konnte ich gerade noch hervorstoßen, dann versagte mir die Stimme. Wir hielten uns in den Armen und küssten uns innig. Wir boten all den Nachbarn, die uns zu Hilfe eilen wollten, ein Bild schieren Glücks. Sie waren ganz ergriffen von all der Romantik, die die rauchgeschwängerte Luft durchzog. Selbst die herbeigerufene Feuerwehr hielt sich an den Händen, nachdem sie unser Mobiliar mit Wasser zersetzt hatte. Unsere Seelen hatten ihren Frieden wiedergefunden und das war die Hauptsache.



ENDE





NACHTRAG:

An seinem Geburtstag bekam Jörg von uns den erwarteten, traditionellen Fresskorb verehrt. Wie besprochen enthielt er Würstchen, scharfen Senf, sowie Chips und Flips. Auch eine Kiste Bier hatten wir ihm zukommen lassen, was für ihn die Hauptsache war. Nicht ein Stück unserer Einrichtung war schadlos geblieben und wir mussten für teures Geld alles wieder in Stand setzen lassen.



Jörgs Geburtstagsfeier waren wir übrigens ferngeblieben. Nach all dem Stress und der Aufregung hatten wir ein wenig Ruhe bitter nötig und waren stante pede in die Karibik aufgebrochen. Das Klima ist herrlich und die Umgebung einfach traumhaft. Das Personal lässt keine Wünsche offen und die Einheimischen sind von einer Freundlichkeit beseelt, die man kaum in Worte fassen kann. Wirklich erstaunlich, was man mit fünfhunderttausend Euro so alles bewirken kann…
 



 
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