Westward Ho!

Westward Ho!

endlich ging es los mit Kurs auf die Nord-
westpassage; ausgerüstet für die Drift
durchs Eis mit Taschenmesser, Kaffeepott
und Wörterbuch; das würde in der Kälte
unabdinglich sein

steifer Wind gleich nach der Ausfahrt ließ nur
Gutes hoffen: forsch und fordernd wie ein Klüver
bauschte sich mein Flaum und flog voraus; mich dauerte
allein der weiße Wal; als ich ihn sah, blies er
sich aus und wurde Schaum

– der Proviant muss voller Maden sein –
bedachte ich beim Blick auf meine abgepackten
Schinken-Schnitten; ahnte trotz alldem, dass
Schokolade noch ein akzeptables Mittel
gegen Skorbut sei

zwei Stunden trotzte ich an Deck dem Sturm,
fand an der Reling Halt, pfiff heimlich Rolling Home,
fiel irgendwann entkräftet in die Koje und schlief
Träume-schaukelnd ein

sie scheuchten uns von Bord im nächsten
Morgendunst; mein Wunsch war Schiffbruch in
der Baffin-Bucht; doch nein, die Fähre legte an in
Newcastle upon Tyne



PS: Gemeint ist konkret die England-Fähre von Hamburg nach Newcastle;
mit der geschilderten Reise begann 1993 mein einjähriger Studien-Aufenthalt in Bradford;
die Linie wurde 2000 leider wieder eingestellt.

Moin Klaus
Nun ja, das Gedicht ist nur 'was für "echte Seebären"
Mein großer Traum war eben die Seefahrt, noch bis weit über die 20 hinaus. Bei dieser Überfahrt war das kein Thema mehr, aber ein bischen träumen darf man ja.

Stürmische Grüße
Tula

hat aber schwung und erzähllinie
man ist sofort dabei

n bisschen mehr fischgeruch und männerschweiß wären nicht schlecht
aber dafür war wohl die schipperei zu kurz

gruß
gun.

Das ist Klasse erzählt!
Glatt und geschmeidig. Finde ich bei ungereimten Werken selten.
Ja, gut gemacht.

Hallo Gunnar
Schweißgeruch wäre keine schlechte Idee, immerhin schipperte ich in der billigsten Klasse und Körperpflege war nicht unbedingt die allergrößte Sorge

Dankend lieben Gruß
Tula

Hallo Oscarchen
Auch dir ein Gruß von Seemann zu Seemann.
LG
Tula

Eine sehr schöne Verschwisterung von was und wie, der Lesende fühlt sich wie eingeladen, mitzukommen. Bei der "Schokoladenahnung" zögerte ich, aber mir kam auch keine andere Variante in den Sinn.

Gruß
Scal

Moin Tula,

ich muss gestehen: Ohne Deine Zusatzerläuterung hätte ich dieses Gedicht nicht verstehen können. Danach gefiel es mir aber sehr gut und ich musste an eigene abenteuerliche nächtliche Fährfahrten, z. B. von Holyhead nach Dun Laoghaire, denken (Schlafsessel, nicht Koje!).
Die England-Fähren waren jahrzehntelang ein gewohntes Bild auf der Elbe. Leider wurde auch die Verbindung Hamburg-Harwich 2002 eingestellt.

Sehr gerne auch ein zweites und drittes Mal gelesen!

Gruß, Ciconia