When the thrill is gone ...
Sie war gestürzt, auf diesem englischen Feldweg. Mit dem nagelneuen E-Bike für ein paar tausend Euro. Dunkelheit, Matsch, seine Idee mit der Abkürzung hatte sich als fatal erwiesen. Er fluchte, und sie hatte sich weh getan, sie lag noch immer im feuchten Dreck, ihr linker Arm verursachte ihr höllische Schmerzen.
"Pass' doch auf! Kannst du denn nicht einmal ein paar Meter fahren, ohne gleich wieder irgendeinen Mist zu verursachen? Hoffentlich ist an dem Rad nur alles in Ordnung, es war ja teuer genug! Was ist mit dir, was jammerst du?"
Vier Jahre verheiratet, das Miteinander hatte sich dramatisch verändert. Job, Job, Job. Karriere, Karriere, Karriere. Wichtig, wichtig, wichtig. Keine Kinder, nicht einmal einen Hund als Ersatz.
Keine Zeit. Beide nicht.
"Mein Arm, der tut so weh!"
"Mein Gott, stell' dich nicht so an! Steh' auf und sieh' nach, ob das Rad noch ganz ist! Ich kann dir nicht helfen, ich kann mein Rad hier nirgendwo richtig abstellen, das siehst du doch! Was musst du auch in die Furche rutschen? Pass' doch auf wo du langfährst, wie bescheuert muß man eigentlich sein, um da wegzurutschen!"
"Du bist widerlich!"
"Jetzt krieg' dich wieder ein, sieh' endlich nach, ob das Rad was abbekommen hat! Na also, du kannst ja alleine aufstehen, siehst du? Man muß nur wollen, das ist alles!"
Sie stand auf und hob dann das Rad auf. Das Vorderrad war völlig mit Schlamm bedeckt, aber es ließ sich noch bewegen. Ihr Arm schmerzte unverändert,
sie sagte aber nichts mehr.
"Na, was ist? Können wir jetzt endlich weiter?"
"Ich schiebe. Auf das Ding setze ich mich nicht mehr bei der Dunkelheit! Und wie es mir geht, interessiert dich ja nicht!"
"Du hast etwas abbekommen, Lehm und Dreck! Da, an deiner Jacke und am linken Hosenbein! Mehr ist doch nicht, oder?"
"Vergiss' es!"
"Von mir aus, dann schiebe ich mein Rad eben auch! Wir haben noch knapp zwei Kilometer vor uns, da vorne durch den Wald, dann sind wir da! Das geht schon .... !"
Stockbridge, Hampshire. In ihrem Hotel angekommen stellten sie ihre Räder an einem seitlichen Wirtschaftsgebäude ab, er sicherte beide mit mehreren teuren Spezialschlössern, während sie bereits auf ihr Zimmer gegangen war um ihre Kleidung zu reinigen und sich umzuziehen. Wenige Minuten später betrat er dann den Raum.
"Ich werde mich morgen um die Batterien kümmern, jetzt ist es bereits zu dunkel. Was meinst du, sollten wir morgen nicht mal eine Pause machen? Wir lassen die Räder stehen und fahren zum Shopping nach Bath - über Stonehenge, wenn du willst? Oder nach Winchester? Oder nach Portsmouth und besichtigen dort das Schiff von Admiral Nelson? Oder möchtest du auf die Isle of Wight, zum ehemaligen Haus von deinem geliebten Charles Dickens?"
"Mein Arm interessiert dich wohl überhaupt nicht?"
"Tut der noch immer weh? Man sieht ja überhaupt nichts, ich dachte, das sei längst wieder in Ordnung?"
"Schön, daß du mal daran gedacht hast! Er ist verstaucht, ja, und er tut immer noch sehr weh. Aber es geht schon. Lass' uns nach unten gehen und etwas essen!"
"Du hast meine Frage noch nicht beantwortet!"
"Das hat doch wohl noch Zeit, oder nicht?"
"Von mir aus ... ich wollte dir ja nur ein paar Alternativen bieten."
"Warte einfach ab, ich bin überhaupt nicht in der richtigen Stimmung, um mich jetzt damit zu beschäftigen!"
Sie gingen nach unten und nahmen an einem der für die Hotelgäste vorgesehenen Tische Platz. Aus unsichtbaren Lautsprechern ertönte leise Musik zur Untermalung.
"Welcome to our Blues-Hour, welcome, all you addicted followers! Let's start with "The thrill is gone", but this time performed by a lovely woman. Do you remember her name?"
Das Lied begann, ein klassischer Blues. Beide schwiegen, blätterten in den Speisekarten und gaben dann ihre Bestellung auf, sie zuerst. Die Bedienung notierte alles und ging zurück.
"Das Lied passt zu uns, nicht wahr?" fragte sie.
"Wenn du meinst ..."
"Siehst du das nicht so? Haben wir uns nicht auseinandergelebt? Interessierst du dich überhaupt noch für mich? Für uns? Denk' doch nur mal an meinen Sturz vorhin! Es war dir völlig egal, es hat dich genervt. Früher wärst du von deinem Rad gesprungen, um mir zu helfen! Ich registriere so etwas, es ist die Spitze eines Eisbergs, im wahrsten Sinne."
"Und was ist mit dir? Interessierst du dich denn noch für mich? Bin ich dir nicht längst völlig egal? Du machst einen Aufstand, wenn ich bei der Neuemission dieser Aktien nicht sofort einsteige. Dann hörst du, daß sich die Anlage innerhalb von fünf Monaten versechsfacht hat und machst mir eine Szene! Ich bin kein Hellseher. Und ich bin vorsichtig. Und du? Du haust drauf, mehr nicht. Danach. Aber danach sind alle schlau. Interessierst du dich für mich? Oder nur für mehr Geld?"
Sie schwieg.
Ihr Essen kam. Sie schwiegen beide.
"Hast du dich entschieden? Was möchstet du morgen machen?"
"Bath. Das Geld ausgeben, was du nicht investiert hast."
"Tolle Idee."
Sie aßen schweigend, in ihre Gedanken vertieft. Danach gingen sie zu Bett. Sie schwiegen immer noch.
"Gute Nacht."
"Gute Nacht."
Am nächsten Morgen setzten sie sich in ihren Wagen. Die Fahrräder standen noch an ihrem Platz. Er fuhr.
"Musst du nicht da links abbiegen?"
"Ich kürze ab. Wir nehmen hier die Einbahnstrasse."
"Hast du denn das Schild nicht gesehen?"
"Was für ein Schild? Was redest du da?"
"Dead End Road! Das ist eine Sackgasse!"
"Passt doch zu uns. Erst das Lied gestern abend, und jetzt das!"
"Kommen wir da wieder raus?"
"Wir müssen erst einmal unsere Batterien neu laden - wird schon!"
Sie war gestürzt, auf diesem englischen Feldweg. Mit dem nagelneuen E-Bike für ein paar tausend Euro. Dunkelheit, Matsch, seine Idee mit der Abkürzung hatte sich als fatal erwiesen. Er fluchte, und sie hatte sich weh getan, sie lag noch immer im feuchten Dreck, ihr linker Arm verursachte ihr höllische Schmerzen.
"Pass' doch auf! Kannst du denn nicht einmal ein paar Meter fahren, ohne gleich wieder irgendeinen Mist zu verursachen? Hoffentlich ist an dem Rad nur alles in Ordnung, es war ja teuer genug! Was ist mit dir, was jammerst du?"
Vier Jahre verheiratet, das Miteinander hatte sich dramatisch verändert. Job, Job, Job. Karriere, Karriere, Karriere. Wichtig, wichtig, wichtig. Keine Kinder, nicht einmal einen Hund als Ersatz.
Keine Zeit. Beide nicht.
"Mein Arm, der tut so weh!"
"Mein Gott, stell' dich nicht so an! Steh' auf und sieh' nach, ob das Rad noch ganz ist! Ich kann dir nicht helfen, ich kann mein Rad hier nirgendwo richtig abstellen, das siehst du doch! Was musst du auch in die Furche rutschen? Pass' doch auf wo du langfährst, wie bescheuert muß man eigentlich sein, um da wegzurutschen!"
"Du bist widerlich!"
"Jetzt krieg' dich wieder ein, sieh' endlich nach, ob das Rad was abbekommen hat! Na also, du kannst ja alleine aufstehen, siehst du? Man muß nur wollen, das ist alles!"
Sie stand auf und hob dann das Rad auf. Das Vorderrad war völlig mit Schlamm bedeckt, aber es ließ sich noch bewegen. Ihr Arm schmerzte unverändert,
sie sagte aber nichts mehr.
"Na, was ist? Können wir jetzt endlich weiter?"
"Ich schiebe. Auf das Ding setze ich mich nicht mehr bei der Dunkelheit! Und wie es mir geht, interessiert dich ja nicht!"
"Du hast etwas abbekommen, Lehm und Dreck! Da, an deiner Jacke und am linken Hosenbein! Mehr ist doch nicht, oder?"
"Vergiss' es!"
"Von mir aus, dann schiebe ich mein Rad eben auch! Wir haben noch knapp zwei Kilometer vor uns, da vorne durch den Wald, dann sind wir da! Das geht schon .... !"
Stockbridge, Hampshire. In ihrem Hotel angekommen stellten sie ihre Räder an einem seitlichen Wirtschaftsgebäude ab, er sicherte beide mit mehreren teuren Spezialschlössern, während sie bereits auf ihr Zimmer gegangen war um ihre Kleidung zu reinigen und sich umzuziehen. Wenige Minuten später betrat er dann den Raum.
"Ich werde mich morgen um die Batterien kümmern, jetzt ist es bereits zu dunkel. Was meinst du, sollten wir morgen nicht mal eine Pause machen? Wir lassen die Räder stehen und fahren zum Shopping nach Bath - über Stonehenge, wenn du willst? Oder nach Winchester? Oder nach Portsmouth und besichtigen dort das Schiff von Admiral Nelson? Oder möchtest du auf die Isle of Wight, zum ehemaligen Haus von deinem geliebten Charles Dickens?"
"Mein Arm interessiert dich wohl überhaupt nicht?"
"Tut der noch immer weh? Man sieht ja überhaupt nichts, ich dachte, das sei längst wieder in Ordnung?"
"Schön, daß du mal daran gedacht hast! Er ist verstaucht, ja, und er tut immer noch sehr weh. Aber es geht schon. Lass' uns nach unten gehen und etwas essen!"
"Du hast meine Frage noch nicht beantwortet!"
"Das hat doch wohl noch Zeit, oder nicht?"
"Von mir aus ... ich wollte dir ja nur ein paar Alternativen bieten."
"Warte einfach ab, ich bin überhaupt nicht in der richtigen Stimmung, um mich jetzt damit zu beschäftigen!"
Sie gingen nach unten und nahmen an einem der für die Hotelgäste vorgesehenen Tische Platz. Aus unsichtbaren Lautsprechern ertönte leise Musik zur Untermalung.
"Welcome to our Blues-Hour, welcome, all you addicted followers! Let's start with "The thrill is gone", but this time performed by a lovely woman. Do you remember her name?"
Das Lied begann, ein klassischer Blues. Beide schwiegen, blätterten in den Speisekarten und gaben dann ihre Bestellung auf, sie zuerst. Die Bedienung notierte alles und ging zurück.
"Das Lied passt zu uns, nicht wahr?" fragte sie.
"Wenn du meinst ..."
"Siehst du das nicht so? Haben wir uns nicht auseinandergelebt? Interessierst du dich überhaupt noch für mich? Für uns? Denk' doch nur mal an meinen Sturz vorhin! Es war dir völlig egal, es hat dich genervt. Früher wärst du von deinem Rad gesprungen, um mir zu helfen! Ich registriere so etwas, es ist die Spitze eines Eisbergs, im wahrsten Sinne."
"Und was ist mit dir? Interessierst du dich denn noch für mich? Bin ich dir nicht längst völlig egal? Du machst einen Aufstand, wenn ich bei der Neuemission dieser Aktien nicht sofort einsteige. Dann hörst du, daß sich die Anlage innerhalb von fünf Monaten versechsfacht hat und machst mir eine Szene! Ich bin kein Hellseher. Und ich bin vorsichtig. Und du? Du haust drauf, mehr nicht. Danach. Aber danach sind alle schlau. Interessierst du dich für mich? Oder nur für mehr Geld?"
Sie schwieg.
Ihr Essen kam. Sie schwiegen beide.
"Hast du dich entschieden? Was möchstet du morgen machen?"
"Bath. Das Geld ausgeben, was du nicht investiert hast."
"Tolle Idee."
Sie aßen schweigend, in ihre Gedanken vertieft. Danach gingen sie zu Bett. Sie schwiegen immer noch.
"Gute Nacht."
"Gute Nacht."
Am nächsten Morgen setzten sie sich in ihren Wagen. Die Fahrräder standen noch an ihrem Platz. Er fuhr.
"Musst du nicht da links abbiegen?"
"Ich kürze ab. Wir nehmen hier die Einbahnstrasse."
"Hast du denn das Schild nicht gesehen?"
"Was für ein Schild? Was redest du da?"
"Dead End Road! Das ist eine Sackgasse!"
"Passt doch zu uns. Erst das Lied gestern abend, und jetzt das!"
"Kommen wir da wieder raus?"
"Wir müssen erst einmal unsere Batterien neu laden - wird schon!"
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