Wichtig ist, was hinten rauskommt

Papiertiger

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Sich mit anderen Menschen zu vergleichen kann bekanntlich ein ergiebiger Quell von Unzufriedenheit, Neid und generell von negativen Gedanken und schlechter Laune sein. Die anderen sind schöner, besser und führen ein spannenderes Leben als man selbst. Meint man. Redet man sich ein. Diese Woche hörte ich im Home-Office nebenbei ein Hörbuch einer Domina. Sie schilderte eine BDSM-Sitzung nach der nächsten. Was erst durchaus reizvoll war, verwandelte sich nach einer halben Stunde zunehmend in quälende Langeweile. Und das Hörbuch hatte da noch eine Laufzeit von weiteren sieben Stunden. Sieben Stunden! Ich hätte natürlich einfach abbrechen können, aber ich mag es, Dinge zu Ende zu bringen, das fühlt sich einfach besser an und trainiert die Ausdauer. Jedenfalls bin ich wirklich komplett frei von Neid, Missgunst oder dem Gefühl etwas verpasst zu haben, was die Autorin dieses Hörbuchs und ihre Kundschaft so erlebt haben. Als ich gestern in meinem Stamm-Supermarkt war und zur Fleischtheke blickte, an der an dem Tag wieder eine sehr laute, sehr schrille Angestellte für „Witzischkeit“ sorgte fiel mir wieder das Hörbuch ein. Ob ich nun den ganzen Tag Schnitzel oder die Hinterteile zahlender Kunden klopfe – erfüllend und spannend ist beides nur seht bedingt. Beim Gang entlang der Supermarktregale stellte dann das markteigene „Unterhaltungsprogramm“ den neuen „lustigen“ Roman von Susanne Fröhlich vor, indem es um undankbare Kinder gibt, die ihre 67-jährige Mutter ins Altenheim abschieben möchten und schneller an ihr Erbe heranwollen. Heimvorteil ist der Titel, glaube ich. Ich sagte laut: „Oh Gott“ und es war nicht in einem fröhlichen Ton. Warum schreibt diese Frau so, so viele Bücher, die so platt und überhaupt nicht lustig sind? Radiomoderatorin sei Fröhlich, zählte die Sprecherin in einem Ton, der routiniert heiter klang – es ist halt ihr Job vorgegeben Texte möglichst positiv zu präsentieren, ob es ein Viertel Pfund Hack oder ein neuer Schmöker als Einschlafhilfe und Verlegenheits-Geschenk ist. Warum betreibe ich das Schreiben eigentlich nicht wesentlich forcierter so einen Stuss wie Susanne Fröhlich werde ich schon hinkriegen. Wie wär’s mit einer 67-jährigen Domina, die von ihren raffgierigen Kindern ins Altenheim geschickt werden soll und dann kommen ihr ein Haufen ebenfalls gealterter Freaks zur Hilfe, so mit Knebel im Mund, Ledermaske und total dicken Brillengläsern. Hach, das wird sicher ein großer Spaß!

Braucht die Welt und der Buchmarkt mehr Ernsthaftigkeit? Vermutlich nicht, das Gebiet wird bestimmt überreichlich bedient. Aber sollte es nicht deutlich mehr, wirklich lustige, aber gleichzeitig auch gehaltvoller Bücher geben? Mein Humor mag albern und abseitig sein, aber wieso habe ich schon lange nichts mehr neu entdeckt, dass mich so begeistert hat und bis heute fasziniert wie die Texte von Douglas Adams, Max Goldt oder Marc-Uwe Kling? Gibt es Romane die mir so gut gefallen würden wie TV-Serien wie „Scrubs – Die Anfänger“, „New Girl“, „Arrested Development“ oder „Silicon Valley“? Gut möglich dass es die gibt, aber mein Supermarkt wird es mir nicht mitteilen. Dem ist alles Wurst.
 



 
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