wie ein film zu drehen ist (Sonett)

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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
wie ein film zu drehen ist (sonett)

[ 4]wie ein film zu drehen ist


alles sei genau wie wirklichkeit denn alles zeigt person
zeigt den individuellen weg - du weißt wohin sie geht
alles ist entgegnung eines sperlings auf den wind der weht
und in seinen sog schlüpft er hinein hinaus der spieler schon

dreht sich alles um zur immer neu getanzten melodie
wird zum wechselwort der paare wo die freche klugheit siegt
und ihn trifft der wahrheit schatten der die lügen-spiegel trügt
doch du hast sie längst erkannt schmarotzer meiner phantasie

denn dich trifft ihr silberblick der aller nächte zwielicht malt
legte deine frage ihr geheimnis flach? ihr lachen strahlt
dentoblender blitze schmelz schlägt durch die sünden-sinfonie

traumgefüge schwimmen auf dem strom-geladnen schmerzens-fluß
gleich papiernen schiffchen leicht vielleicht bedruckt mit lockrem stuß
der aus deiner feder stammt du spatz wie dom pfaff so du mie
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Sonett strömt und windet sich mäanderförmig, das Denken zum Klingen bringend, auf seinem Weg berührt es mich sehr. Metaphern sind hineingewoben und verlangsamen den Fluss, damit die Zeit in einzelne Scheiben geschnitten wird, jede für sich starr, zusammen bewegen sie sich und erstarren erneut, die Vergangenheit bewahrend, die allmählich den Film aufrollt und in digitalen Dimensionen zerkrümeln lassen wird, wie die letzte Zeile bereits andeutet, und der Film selbst zur Wirklichkeit wird, denn die Zeit siegt.
Das Mem bleibt bestehen und noch im nächsten und übernächsten Film lässt der Regisseur Lächeln gebären.
Aber es gibt auch einen anderen Film, in dem freche Klugheit an den Klippen reinen Zufalls scheitert und nur noch rufen kann: Sie bewegt sich doch".
Die Realität wird durch den Film erzeugt, der Maskenbildner wird zu Gott und der Regisseur verkörpert Pelzebuben, die streiten.
Die Gretchenfrage aber ist im Theater, nicht auf dem Film, und der beste Faust im Film blieb stumm.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
die armen vögelchen

herzliches dankeschön, Bernd, für die fruchtbare besprechung des sonetts. fast schon besprechungswürdiger als mein vierzehnzeiler.

die letzte terzettzeile spricht (über die von dir genannten funkionen hinaus noch) den drehbuchautor an, den spatzen der feder, dessen vergleich mit einem dompfaff sich sprachlich auflöst in dem moment, wo er (oder reziprok der dompfaff) der sodomie (tier an tier?) bezichtigt wird, inflexiv reflektiert mit der im vogelpaar zerschredderten redensart "wie du mir, so ich dir".
die schon im titel ziemlich anmaßende empfehlung (von wem an wen eigentlich?) rutscht vers für vers, so beschreibst dus auch treffend, aus dem filminhalt heraus, deshalb endet es ja auch in der metasprachebene des autors, dessen werk schon als stuß nichtig und dessen schreibfeder als bloße vogelfeder gewichtelt wird, und dann im schlußriß noch aus der sprache selbst herauskippt (mit der sinnlosen silbe "mie").

the world is a stage, das theater die welt, in der wir unsere rollen spielen; der film dagegen ist in uns, unser bewußtseinsfluß; in der tat tippst du an eine denkwürdige polarität.
 



 
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