Wie im Rausch gefangen (Rubai)

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James Blond

Mitglied
Gern gebe ich es zu:

Ich hadere mit exotischen Formen, die aus einer fremden Sprache mit ihr eigenen Melodien und Rhythmen auf meine Muttersprache angewendet werden.

Das kann natürlich auch funktionieren, Klang ist schließlich Klang, Reim bleibt Reim, Betonungen, Dehnungen und Pausen strukturieren schließlich alle menschlichen Sprachen.

Auch hier sorgt der Reim für eine entsprechende Struktur, wobei allerdings bedaure, dass das Metrum dies nicht unterstützt, das sich mir etwa so darbietet:

XxXxXxXxxXxxXxXx
xXxXxxXxxXxxXx
XxxXxxXxxXxXx
xXxxxXxxxXxXxxXx

Dabei ist der Inhalt wunderbar!

"Wie im Rausch gefangen" - wohl kaum gibt es eine knappere und treffendere Bezeichnung dessen, was ein Rausch mit uns anstellt. Die Einengung des Bewussseins als Glückshaft.

"Tippe ich Verse in meine Tasten" - gefällt mir lyrisch weniger gut. Zwar stimmt die Sprachweise "in", aber sie unterstützt nicht die Konotationen des (probierenden) Tippens, des (Heran-)Tastens und des (unbeabsichtigten) Versehens, bzw. Verssehens, auch entspricht sie nicht gerade dem Bilde der Tätigkeit, wo Tasten zwar angetippt, aber nichts in sie hineingekippt wird.

Im folgenden Vers scheint mir die Kombination aus dem Zusatz "manchmal" und dem sich hier anbahnenden Konjunktiv nicht gerade plausibel, "vielleicht", "wohl" oder "vermutlich" hielte ich für geeignete Alternativen.

Im dritten Vers wird deutlich, dass der Dichter im Schaffensrausch auch durch Verstöße nicht mehr zu bremsen ist: Hier geht es vom groben Werkeln hin zur Feinarbeit.

Der letzte Vers enthält scheinbar eine ironische Wendung. Was zuvor mit Elan, Fleiß und Akribie erstellt wurde, wandert in den Kasten als Ort des Vergessens. So weist diese Zeile auf das Erlebnis des Schaffensprozesses als befriedigenden Selbstzweck hin und verliert damit an ironischer Schärfe. Dann tatsächlich liegt in der lakonischen Schilderung eine den Rausch kontrastierende nüchterne Betrachtung zugrunde, die sich zum Lebensparadigma erweitert: Schließlich wandern wir alle, mehr oder weniger bedruckt, zuletzt in den Kasten.

Bevor auch dieses Rubai in seine Kiste wandert, sollte der Dichter es vielleicht noch ein wenig weiter ziselieren.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Wie im Rausch gefangen tippe ich Verse in meinem Tasten,
selbst wenn sie manchmal nur schlecht in das Reimschema passten,
schriebe ich weiter, ich striche und ziselierte.
Dann drucke ich und lege sie auf all die andern im Kasten.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Wie im Rausch gefangen tippe ich Verse in wildem Tasten,
selbst wenn sie manchmal nur schlecht in das Reimschema passten,
schriebe ich weiter, ich striche und ziselierte.
Dann drucke ich und lege sie auf all die andern im Kasten.
 



 
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