Wie Kinder.....

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Vera-Lena

Mitglied
Wie Kinder.....

Wenn Himmelswelten sich auftun
hinter deinen geschlossenen Lidern,
bin ich immer noch bei dir
als das blaue Licht in deinem Land,
während du den Wörterbund abtastest,
das Tor hinter dem Tor zu öffnen.

Aoum flüsterst du
und ich nehme diesen Schlüssel.
In güldene Reiche treten wir ein,
einander den Honig zu reichen.
Süße zerschmilzt in Süße.
Unser beider Lippen beben,
wenn wir einander erschauen.



(Aoum ist ein Wort des Geistes.
Es erhebt die Seele bis zur göttlichen Ebene.)
 
H

Heidrun D.

Gast
(Wenn wir nicht werden) wie Kinder ...

Hier ist es dir vortrefflich gelungen, liebe Vera-Lena, den tröstlichen Gedanken an ein paradiesisches Jenseits mit der ewigen Kindheit zu verknüpfen, die dir ein Angelpunkt dieser Vorstellung zu sein scheint.

Ich mag das Gedicht, welches auf märchenhafte Weise das Sterben zu einer Reise in goldene Welten stilisiert, dem Abschied jedweden Schrecken nimmt und Hoffnung knospen lässt.

Ach, wenn es doch so wäre ...
:)
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Heidrun,

danke für Deine Interpretation! Dieser Text bietet einen breiten Spielraum für eigene Gedanken, finde ich, und so, wie Du ihn für Dich liest, dachte ich mir auch schon, dass er so aufgenommen werden wird. Da ist für mich auch völlig ok, denn der Grundtenor, dass es sich hier um etwas Erfreuliches handelt, bleibt ja erhalten.

Ich bin gespannt, ob sich noch andere Gedankenverbindungen einfinden werden.

Aber zuallererst freue ich mich, dass dieser, nicht so leicht zu lesende Text, bei Dir ein positives Echo gefunden hat.

Danke für Deinen einfühlsamen Kommentar!

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Leise Wege

Mitglied
Hallo Vera Lena,

es liest sich wunderschön, das vorab mal.
Meine Gedanken gehen in Richtung Traum. Dem von unbedarfter Freiheit.

Hm, jetzt lese ichs nochmal und dann beschreibt es mir eher die Einheit von Körper und Geist - lebendiges.

Ein leiser Ton, aber sehr ansprechend.

Lg Moni
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Moni,

danke, dass Du mir Deine Gedanken schickst! Ja, um ein Verschmelzen geht es.

Man könnte aber auch noch einen Schritt weitergehen.....

Es freut mich sehr, dass Dir der Text gefällt.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 
M

mirami

Gast
hallo vera-lena,

ich lese es als liebesgedicht. eines fernab neurotischer verliebtheiten, ohne diese leidenschaft die leiden schafft. (wobei ich das gedicht keinesfalls unleidenschaftlich finde, im gegenteil) beim lesen der ersten strophe dachte ich spontan zunächst an die art liebe, die eltern oder großeltern ihren kindern oder enkelkindern entgegenbringen und umgekehrt (im besten falle). eine reine tiefe selbstlose liebe .
da stand das blaue licht, welches das lyri verkörpert, für klarheit, etwas beständiges verlässliches, dem abtasten (des lyrischen du) des wörterbundes (in diesem zusammenhang vielleicht den lebensweisheiten der alten?) gegenüber.

oder auch hatte ich etwas in richtung agape auf dem schirm.

der letzte absatz aber, denke ich, bezieht den eros mit ein. zumindest könnte man es so auslegen. wie dem auch sei... es gibt vollkommene augenblicke. kurze, lange, lebenslange.
zwischen mann und frau, zwischen erwachsenem und kind, sogar zwischen mensch und tier. für religiöse menschen wohl auch zwischen mensch und gott. augenblicke wo man einander erkennt. dies beschreibt dein gedicht für mich.

ich find’s gelungen.

gruß
mirami
 

Rhea_Gift

Mitglied
Also liebste VL,

das könnte paradiesischer Sex sein ;)

oder geistig-seelische Erleuchtung bei der Meditation,
die entkörpert und den Geist erhebt...

beides ist nicht in Worte fassbar,
nur bildhaft beschreibbares Erleben,
das keinen tatsächlichen Namen findet,
der das Erlebte zu erfassen vermöchte...

schön zu lesen der Anfang - für meinen Geschmack das Ende zu sehr
Honigsüß - das ist aber ne Geschmacksfrage wie gesagt... ich mag auch realen Honig nicht so gern - ist mir zu süß ;)
 
Hallo Vera Lena,
auch ich habe an das Jenseits gedacht, ein Jenseits, das man sich wirklich wünscht, in das man mit dem Schlüssel Aoum eintreten kann.
Ich bin beeindruckt.

Viele Grüße
Marie-Luise

Ps. Das Wort ''Wörterbund'' passt m.E. nicht in dieses Wunderland.
 
M

mirami

Gast
hallo rhea gift,

was du über die honigsüße der letzten strophe schreibst, empfinde ich bei vielen gedichten hier in der leselupe. bei sehr vielen sogar. auch diese besagte vera-lena strophe ist sehr süß, ich weiß genau was du meinst, aber sie zieht mir hier überhaupt nicht im „zahn“. weil sie authentisch (im gedichtverlauf) rüberkommt. ich finde viele von vera-lenas gedichten haben soviel geist, dass sie auch verbalen gefühlvollen ausdruck „verkraften“ können bzw. genau das sie auch ausmacht.
es ist diese mischung... ich finde sie (bei vera-lena) faszinierend.

und es ist mutig heute so zu schreiben in dieser neuen modern lyrik (foren) welt. weißt du, viele moderne dichter heute, trauen sich nichts. vollführen die verbalakrobatischsten übungen um auf teufel komm raus bloß nicht kitschig zu wirken. das soll jetzt keine kritik an deiner kritik sein. diese find ich gut. sie macht mich gerade nur ganz allgemeinthematisch nachdenklich. :) aber das ist wohl kein thema was es unter diesem gedicht auszudiskutieren gilt. :)


lg
mirami
 

Rhea_Gift

Mitglied
Hi Mirami,

ich hab nix gegen Honigsüße allgemein und trotz subjektivem Mißfallen würds mich passend gemacht auch nicht stören - aber mir ists hier einfach to much - Honig, süß, gülden, schmelzen, erschauern, beben... wenns etwas weniger davon wäre, würde es mich nicht stören und viel stärker wirken, als dies extreme Land von Milch und Honig - es macht zwar die Fülle deutlich - aber dabei geht das Staunen, das Wunder, das himmlisch besondere irgendwie unter... aber wie gesagt, rein subjektiv...
Für guten "Kitsch" bin ich nämlich eigentlich immer zu haben... ;)
Was Vera-Lena aus der Vergangenheit aber auch weiß bzw. an früheren Bewertungen ähnlich "kitschiger" Gedichte ablesen kann ;) DRum nimmt sie es sicher nicht krumm, gell Vera-Lenchen ? :)

LG, Rhea
 

revilo

Mitglied
Hallo Mädels, ein fast schon pastorales Gedicht, dass alles andere als belehrend wirkt. Unaufdringlich und doch sehr kompakt. Sprachlich wie immer feinstens austariert und zum Schluss ein wirklich gelungenes Wortspiel! Habt Ihr gut gemacht! LG revilo
 
H

Heidrun D.

Gast
Dein Gedicht ließ mir keine Ruhe, weil ich Rätsel so mag ...

Jetzt glaube ich aber, deine Intention gefunden zu haben:

Auch während eines Denkprozesses (hier wohl Dichtens) verhält sich die Seele nicht stumm, sondern abwartend. - Hat der Poet (in einer anderen Lesart, der Gläubige) das Schlüsselwort (Aoum) gefunden, verschmelzen Körper, Geist und Seele. Das Himmelreich des Frommen ist nahe.

Ist es das?

Wenn dies nix hilft, könnte es sich immerhin um ein Liebesgedicht handeln, dessen Protagonisten anhand eines (gemeinsamen) Schlüsselwortes eine höhere Ebene betreten.

Fragende Grüße
Heidrun
 

Vera-Lena

Mitglied
All Ihr Lieben,

ich bin sehr gerührt darüber, wie Ihr Euch mit diesem Text beschäftigt habt.

Es ist ein Liebesgedicht. (und ich habe 20 Jahre lang fest geglaubt, dass ich dergleichen nie in Worte bringen kann)

Es ist ein Text der von der Liebe spricht, die sich über die physische Ebene hinaus zu erheben weiß. So wie mirami es schon bezeichnet hat "ohne das Leiden, das Leiden schafft".

Als er fertig war, habe ich schon gesehen, dass er nicht so leicht zu entschlüsseln ist und vor allem, wie ich es ja auch oben schon erwähnte, dass er einen breiten Deutungsspielraum bietet.

Hier wird nun, der Einfachheit halber, von zwei Liebenden gesprochen. Beide sind auf einem Wege, der sich über die Erfüllung im Physischen noch erhebt. Beide fühlen sich durch ihre gemeinsame Suche bereits tief miteinander verbunden, so dass sich der Eine nicht ausgeschlossen fühlt, wenn der Andere sich in seine tiefen inneren Welten hineinbegibt. "Als ein blaues Licht" vermag er sich auch in diese, eigentlich verschlossenen Zonen mit hineinzubegeben, weil das Blau Harmonie und Frieden ausstrahlt. Aber auch Deine Deutung, liebe mirami, dass es sich hier um die Zuverlässigkeit handelt, auf die Kinder in der Elternliebe zurückgreifen können, ist für mich einleuchtend.

Aber Beide wollen doch zu einem Punkt kommen, an dem sie auch im Psychischen auf einer höheren Ebene, als der irdischen, miteinander verschmelzen können. Und so sucht das Lyrdu nach dem gemeinsamen Schlüssel, der in diesem Falle ein hilfreiches, sehr machtvolles Wort ist, und deshalb, liebe Marie-Luise, will ich den "Wörterbund" auch gerne stehen lassen.

Dieser Augenblick, wenn es dann geschieht, wenn die Beiden ich sage mal hier ganz hilflos, mit ihren Seelen verschmelzen, wie soll man das beschreiben????

Normalerweise sagt man bei solchen Erlebnissen: Es ist unbeschreiblich und das dachte ich ja auch immer.

Dann kam aber dieser Text zu mir und ich sah, dass er für mich gültig ist, dass er das beschreibt, was ich dazu aussagen möchte.

Liebe Rhea, natürlich weiß ich, dass Dir andere Formulierungen lieber gewesen wären, das ist auch völlig in Ordnung. Mir stehen aber nur diese Worte zu Gebote, sie sind einfach gültig für mich.

Mit dem Titel wollte ich von vorn herein deutlich machen, dass es sich hier um ein vertrauensvolles Miteinander handelt, dass sich in solchen Augenblicken zwei Menschen einander gegenüberstehen ohne Arg und dass sie fähig sind, sich gänzlich auf den Augenblick zu konzentrieren, wie Kinder das ja immer können, weil alles noch ganz neu für sie ist.

Ich danke Euch Allen sehr, dass Ihr mich bei diesem Ausflug in das "Unsagbare" begleitet. Ich kann nicht formulieren, wieviel mir das bedeutet.......

Nehmt es mir bitte nicht übel, wenn ich nicht jede Antwort von Euch einzeln erwidert habe. Ich bin einfach sehr bewegt.

Es ist beglückend, mit einem Text ein Echo zu finden.
Danke, danke, danke....

Euch allen einen schönen Sonntag! :)

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Rhea_Gift

Mitglied
Worte für das Unbeschreibliche zu finden - das ist schon schwer - und wenn die gewählten FÜR DICH dem am nahesten kommen - kann es keine besseren dafür geben. Jeder hat andere Bilder, anderes subjektives Empfinden und Assoziieren - gerade im eigentlich Unbeschreiblichen. Drum ist mein Kommentar rein subjektiv und soll bloß nicht zu Änderungen anregen. ;)
Für mich ist Honigsüße-Verschmelzung glaub ich einfach noch zu Physisch - weswegen ich auch eher an sexuelle Exstase dachte ;)
Da passt aber das blaue Licht und das geistig-seelische am Anfang von S2 natürlich nicht ganz so rein...
Hm, mal schauen, was für Bilder ich einmal für das Unbeschreibliche haben werde - die erste Strophe bleibt für mich der Hammer, die zweite klänge bei mir wohl anders... ;)

LG, Rhea
 

Rhea_Gift

Mitglied
Muss grad Zwangspausieren - hab die 15er Grenze vergessen gehabt... :( Nächstes Mal besser einteilen ;)

LG und dir auch noch frohes Schaffen :)
Rhea
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Marie-Luiese,

unter einem "Wörterbund" verstehe ich ein Bund (wie ein Schlüsselbund) aus Wörtern, welche die Macht haben, etwas zu öffnen. "Sesam öffne dich" wäre so ein Wort, aber auch "bitte" und "danke" sind Wörter, welche etwas im Menschen öffnen können. Es gibt sicher viele solcher Wörter, so dass man sie quasi an einen Bund hängen könnte.

So habe ich das gemeint. Ich freue mich, dass Du danach gefragt hast. Es wäre ja schade, wenn ein einziges Wort letztendlich den ganzen Text kaputt macht oder unverstänlich macht.

Dir einen schönen Rosenmontag! :) Wie ich gehört habe, lassen sich die Jecken von dem kalten Wetter nicht abhalten und die Umzüge sind bereits unterwegs.

Also dann: Helau und Alaaf!!!
Liebe Grüße
Vera-Lena
 



 
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