Wie lange noch?

5,00 Stern(e) 1 Stimme

Apolonia

Mitglied


Ich habe meine Ohren geschlossen

brennende Zeiten

ich will nicht die Klagen

vom Leben Gefolterten hören

die nicht die Spitze

der Maslowschen Pyramide

erreicht haben

derer Krönung

die Selbstverwirklichung ist

die nicht mit

silbernen Löffel im Mund

geboren sind

die nicht über

das Herz brachten

die Anderen auszubeuten

die nicht von der

zeitlichen Beeinflussung

lebenslang profitieren

lieber selbst ausgebeutet werden

Generationen mit Verfallsdatum.



Ich habe meinen Mund geschlossen

die Lippen wollten

von den abscheulichen

Untaten erzählen

das wollten diejenigen nicht hören

die Uhren in der Hand halten

und an der Zeit drehen

manchmal zurück

bis in die Gefängniszellen

dort ist die Minute länger

als die ganze Wahrheit

die Sekunde schwerer

als die lastende Schuld

auf den Rücken der Gefangenen

haben SIE

die Gewichte verschoben

eine Stunde

gleicht der Ewigkeit

aus Rosenkranz wird Dornenkranz geflochten

von Menschen die keine mehr sind.



Ich habe meine Augen geöffnet

mein ICH wehrte sich lange Zeit

die Tränen konnte mir

niemand trocknen

das was ich gesehen habe

zu beschreiben

unmöglich

dafür fehlen mir noch heute

die Worte

die Grausamkeiten erlebe ich

jeder Nacht im Dunkeln

dazu brauche ich nicht

die Augen

schließen zu müssen

die Nacht ist lang und finster

die Bilder kehren immer zurück

die Zeit rieselt lahm

durch die Erlebnisse

und quält

mein Gewissen.



Eine tickende Zeit-Bombe

so erfahren wir

hunderte Jahre später

wenn die Zeit Geschichte schreibt

das Vergangenes

mit der Auswirkung auf die Zukunft

und doch uns betreffend

auch die Zeit heilt nicht

alle Wunden

die tiefsten Narben

die zum Erdulden

und zum Vergessen

verdammt sind

die Zeit ändert nichts

und jede Uhr zeigt uns

fünf Minuten vor zwölf

die Frage ist

wie lange noch

bäumt sich die Erde auf

in ihrem letzten Schrei?
 
G

Gelöschtes Mitglied 21215

Gast
Sehr gefühlsstark und dadurch beeindruckend.

Ein paar kleine sprachliche Problemchen sind mir vielleicht aufgefallen:

...
ich will nicht die Klagen

vom Leben Gefolterten (Gefolterer?) hören
...
die nicht mit

silbernen (silbernem?) Löffel im Mund
...

wenn die Zeit Geschichte schreibt

das (dass?) Vergangenes
...

Trotzdem Bravo.
 

Max Neumann

Mitglied
Liebe Apolonia,

dein Gedicht ist sehr ernst und eingängig. Mir gefallen viele Stellen, besonders die Verse


"Ich habe meinen Mund geschlossen

die Lippen wollten

von den abscheulichen

Untaten erzählen

das wollten diejenigen nicht hören

die Uhren in der Hand halten".

Danach geht es flüssig weiter in einem Sprachstil, der an Prosa grenzen mag, sich meines Erachtens jedoch in einen düstren, stürmischen Lesefluss verwandelt.

Klar, ich stimme zu, dass bestimmte Stellen korrigiert werden können. Aber das schmählert für mich gar nichts an der Qualität von "Wie lange noch".

Ein ganz tolles Gedicht.

Liebe Grüße
Tissop
 



 
Oben Unten