Wie mein Bad einmal beinahe unter Wasser gesetzt wurde

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Ich langte nach dem Badetuch, um mich nach dem Duschen abzutrocknen. Es hängt gewöhnlich über der oberen Querstange der Kabinenwand, ich muss mich nach ihm recken und dabei ging mein Blick wieder zur weißgestrichenen Decke, gedankenlos heute. Wie oft hatte ich schon misstrauisch nach oben gestarrt: ob sich etwas zeige. Der Makler hatte mir seinerzeit versichert, der Schaden sei beseitigt, die Decke absolut trocken. Und beide waren wir nacheinander auf die alte Trittleiter gestiegen und hatten uns von der Unbedenklichkeit der kinderhandgroßen Verfärbung überzeugt. Ich hatte die Stelle dann beim Renovieren übermalen lassen; drei Jahre seitdem vergangen.

Da waren jetzt wieder Flecke! Kein einzelner, sondern Flecke von verschiedener Größe, schön aufgereiht auf langer Bahn. Ob ich mich auf diese Entdeckung hin auch verfärbte, gut möglich. Ich trocknete mich hurtig ab, griff wie immer zur Flasche mit der Lotion, um sie gleich wieder zurückzustellen - keine Zeit jetzt fürs Eincremen. Noch ein Blick nach oben: wie das feucht glänzte. Wurden sie schon größer? Es schien mir fast so.

Ich hatte Glück, der Hausmeister ging gleich ans Telefon und kam sofort. „Das sieht bös aus, sieht ganz nach Leckage aus“, sagte Herr Feininger, „ich geb’ sofort oben Bescheid. Vielleicht müssen sie was abdrehen.“ Beruhigend, dass ich mich mit dem Mann so gut stehe.

Dennoch banges Warten meinerseits. Ich wollte die Flecke nicht nur hypnotisieren, ich holte die alte Leiter und stand auf dem obersten Tritt und prüfte mit dem Zeigefinger. Gewiss, es fühlte sich feucht an, wenn auch nicht gerade klatschnass. Wahrscheinlich sickerte es schon seit gestern in die Decke hinein.

„Frau Weißwasser kann nichts abdrehen, sie hat gar nichts laufen“, berichtete der Hausmeister. „Die Quelle müsste in der Decke sein. Tja, so ist das, wenn die Eigentümer die Strangsanierung immer weiter hinausschieben …“ Ich schwieg schuldbewusst. Tatsächlich besaß Herr Feininger inzwischen Routine im Umgang mit solchen Havarien und die Versicherung hatte bereits mit Haftungsbegrenzung gedroht. Er würde jetzt erst telefonisch die Kostenübernahme der Hausverwaltung einholen müssen …

Es zog sich ein bisschen hin. Mir schien, die Flecke nähmen nicht nur an Größe, sondern auch an Farbkraft zu. Spielte es nicht schon ins Bräunliche? Das sagte ich später auch dem Klempner. Er äußerte sich dazu nicht, bestieg die Leiter und nahm oben einige manuelle Abstriche.

„Es kommt mir etwas schmierig vor“, sagte der Fachmann und roch an seinem Finger. „Hm, da ist ein seltsamer Geruch, nicht das, was sie jetzt vielleicht denken – es riecht irgendwie fein. Ein Rätsel – lösen wir es oben!“ Und er verschwand für lange Zeit. Ich hörte ihn über mir immer wieder hämmern und bohren.

Sein Bescheid kam gegen Mittag. Er hatte den Fußboden aufgestemmt, die Leitungen seien trocken, nirgendwo eine Spur von Feuchtigkeit in der Decke. Ob bei mir hier unten etwas passiert sei? Mit dieser neuen Rätselaufgabe ließ er mich allein. Und ich löste sie …

Ich sah mich im Bad um. Hatte ich versehentlich beim Duschen den Wasserstrahl gegen die Decke gerichtet? Wie sollte das die Beschaffenheit der Flecke erklären, ihre Farbe, ihren Geruch? Das konnte es nicht sein. Mein Blick wanderte über alle Gegenstände im Raum und blieb endlich an der Plastikflasche mit der Lotion hängen. Auf einmal sah ich mich am Vortag mit ihr hantieren. Sie war fast leer und wie immer war ich bestrebt gewesen, das letzte Quäntchen herauszuholen und zu verwerten. Ich habe dazu mein eigenes Verfahren: umstülpen, kräftig schütteln und mehrmals hintereinander mit der flachen Hand gegen die Unterseite schlagen. Das führt zu kleinen Explosionen, die recht ergiebig sein können. Und oft spritzt und verteilt sich die Substanz dabei zum Teil auf dem Boden und an der Kachelwand. Gestern allerdings, erinnerte ich mich jetzt, war der Strahl senkrecht nach oben gegangen. Aber an der Decke waren keine Flecke zu bemerken gewesen, erst heute waren sie sichtbar. Mysterien der Oxidation? Man hätte in Chemie besser aufpassen sollen.

Nur noch schnell eine E-Mail an die Hausverwaltung schreiben! Da leider die Ursache der Durchfeuchtung nicht festzustellen sei, werde ich schreiben, sie jedoch vermutlich nicht im Gemeinschaftseigentum liege, seiest du bereit, die Kosten der Renovierung in der Nachbarswohnung zu erstatten – so ungefähr. Nicht dass aus der Leckage noch eine Blamage wird.
 
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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Arno,

ich weiß nicht, ob Du es beabsichtigt hast, aber ich musste sehr über den Text schmunzeln. Er ist so ernsthaft verfasst, dass er einer Realsatire sehr nahe kommt. :)

Folgende Stellen haben es mir besonders angetan:

„Frau Weißwasser kann nichts abdrehen, sie hat gar nichts laufen“, berichtete der Hausmeister.
Aber wenn sie Weißwasser heißt, müsste sie doch an der Quelle sitzen und alles abdrehen können!

riecht irgendwie fein.

erinnert sehr an den Herrn Feiniger ...
Man hätte in Chemie besser aufpassen sollen.
Ja! Oder vielleicht die Flasche eher entsorgen anstatt den Rest herauszuquetschen?
:)

Ich bin fast versucht, den Text zu Humor und Satire zu verschieben. Dazu bräuchte er nur noch ein paar Übertreibungen.

Sehr amüsiert grüßt Doc,

jetzt mal Flaschen kontrollierend ...
 
Danke, DocSchneider, für die für mich erfreuliche Reaktion auf meinen Text. Ja, er kann gern auch ein wenig zur Erheiterung beitragen, das habe ich mir beim Schreiben sogar gewünscht.

Freundliche Grüße
Arno Abendschön
 

John Wein

Mitglied
[
Lieber Arno

Hier fehlt mir ein bisschen der Pep. Es soll doch, wie du anmerkst eine lustige Geschichte sein. Da helfen oftmals auch kleine Schnörkel und in persönlicher Rede lustige Einsprengsel, die eine Geschichte auflockern können. Ein Zwinker, eine Übertreibung, die über eine Sache hinausschießen kann, wirken oft Wunder. Der Leser ist ja nicht dumm und versteht deine Intention, bei dem eigentümlichen Sachverhalt.

Z.B. Um mich abzutrocknen langte (fingerte)ich nach dem Badetuch. Dabei musste ich mich wie immer recken, denn es hängt (für gewöhnlich Redensart oder normalerweise) gewöhnlich über der oberen Stange. Mein Blick blieb (verfing sich) an der geweißten Decke, gedankenlos. Öfter schon waren mir Ränder (Flecke od. ähnlich) aufgefallen. Der Makler hatte mir versichert:

pers. Rede:
„Herr Abendschön gewiss, seien sie versichert, oder dafür lege ich meine Hand ins Feuer, oder bei Gott, oder meiner kranken Mutter, oder dafür verwette ich …usw. Herr Abendschön die Decke ist so trocken wie die Wüste Gobi im Sommer, oder meine Kehle in der Vorstandssitzung.

Trittleiter klingt besser als Treppenleiter. Vorbewohner interessiert nicht. Usw. Vielleicht klingt alles im Präsens besser, aber das finde ich Geschmacksache.

Nix für ungut und Frohes Neues Jahr und was auch immer!

John
 
Lieber John Wein,

auch dir zunächst ein Frohes Neues Jahr und zugleich meinen Dank fürs gründliche Lesen und die Anregungen. Ja, etwa wie von dir allgemein skizziert, so hätte man den Stoff grundsätzlich auch behandeln können, doch hätte ich mich in der autobiographischen Geschichte dann als Person weniger gut dargestellt gefunden. Dem Leser mag das egal sein, aber ich will beim Schreiben auch ein wenig Spaß haben, d.h. mich dabei mit dem IE identifizieren. Als Muster diente mir jene Art von Clownerie, bei der der Clown tiefernst bleibt, obwohl für das Publikum das Absurd-Komische allmählich immer deutlicher wird. Bei dieser Art Vorstellung gibt es auch keine ausgesprochene Konversation mit anderen Personen.

Zu den Details: Ja, "Trittleiter" ist besser, auch der "Vorbewohner" könnte entfallen. Das ändere ich noch. Dagegen werde ich keine zwischenzeitlich schon aufgefallenen Ränder einführen, denn mit ihnen wäre der Schock weniger groß gewesen. Außerdem müsste dann differenziert werden zwischen diesen alten Verfärbungen und der neuen durch die Lotion; macht es komplizierter. Präsens? Das kann ich mir gut vorstellen, ich verwende es gern, allerdings meist nur vorübergehend. Nach meinem Gefühl würde eine Geschichte von dieser Länge hier bei durchgehender Verwendung des Präsens sprachlich monotoner wirken als im Imperfekt.

Freundliche Grüße
Arno Abendschön
 



 
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