Wilde Reise, freies Herz

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kuehen

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An der dritten Brücke blieben sie stehen. Der Ältere sagte, er könne weiter, der Jüngere zweifelte und sagte: "es sollen sieben sein und schon jetzt fühlen sich meine Beine an wie Brei zum essen, nicht wie Muskeln zum gehen. Ich habe Hoffnung, aber keine Kraft mehr. So endet meine Reise. Ich und die Hoffnung bleiben hier".
Der Ältere sah, dass es dem Jüngeren ernst war und legte seine Hände zart auf dessen Gesicht. Er sagte: "Alleine soll ich gehen? ohne dich?" Der Jüngere nickte in den Händen, die sein Gesicht hielten.
"Du bist stärker. Du kannst noch gehen. Tragen könntest du mich, aber nicht über alle sieben Brücken. Ich habe Hoffnung und ein Wildes Herz. Lass hier mein Ziel sein."
So ließ der grosse Bruder seine Hände sinken und gab das zarte Gesicht frei. Am nächsten Morgen verabschiedeten sich die Brüder. Für das erste Mal würden sich ihre Wege trennen. "Wenn ich zurückkomme", begann der grosse Bruder, "wirst du mich hier finden" vollendete der kleine Bruder den Satz. Doch der grosse Bruder kam nie zurück und der kleine Bruder wartete nicht.
 

petrasmiles

Mitglied
Wieder was zum Grübeln.
'Warum' ist das erste Wort, das mir einfällt. Warum diese fast symbiotische Nähe, und dann der beiderseitige Verzicht darauf. Weil das Leben so ist? Weisheit?Umstände?
Wieder was zum Grübeln.

Liebe Grüße
Petra
 

kuehen

Mitglied
Hallo @petrasmiles ,

Ich begann mit dem ersten Satz und hatte dann das Bild der Brüder im Kopf. Ab da ließ ich mich treiben. Die Geschichte schrieb sich selber und als ich an der Stelle war, an dem der kleine Bruder den Satz vollendet, wusste ich das Ende. Keine Ahnung, was es bedeuten soll. Es hat einfach Spaß gemacht zu schreiben. Ich mag die Melodie am Text. Wahrscheinlich sagt er etwas über mich an dem jetzigen Punkt meines Lebens. Wenn er auch bei dir etwas anregt, dann ist das schön, aber letztendlich ist das ein Rätsel, dass nur ich lösen könnte. Nehme ich an.
 

Ubertas

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Hallo @kuehen ,

sehr mystisch! Für mich gibt es hier keine Brüder. Ich sehe hier ein und dieselbe Person mit unterschiedlichen Blickwinkeln auf sich selbst. Zwischen dem Ausloten der Perspektiven ergibt sich das Jetzt. Anders als geplant und bereit für einen Neuanfang auf noch nicht begangenen Wegen. Vielleicht ungewiss, aber dennoch frei von alten Prinzipien.

ubertas orakel;-)
Lieben Gruß
 

petrasmiles

Mitglied
Für mich gibt es hier keine Brüder. Ich sehe hier ein und dieselbe Person mit unterschiedlichen Blickwinkeln auf sich selbst. Zwischen dem Ausloten der Perspektiven ergibt sich das Jetzt.
Was für interessante Gedanken! Wär ich nicht drauf gekommen, sobald Brüder und Gefühle im Spiel sind, klebe ich daran. Was ich mich nur frage, ob dieser Vorgang als innerer derartige Trauer auslösen kann, die in dem Text (für mich) mitschwingt, trotz des abgeklärten Tons.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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