Willi und die zwei Kaninchen
Eines Tages klingelte es bei Willi Ruffel. Als er die Tür öffnete, stand da sein Nachbar, und er trug in beiden Händen einen großen Hasenkäfig.
„Bonjour“, sagte er, „isch bin Ihrr neuerr Nachbar, Monsieur Lacombe. Isch muss geschäftlisch verreisen. Würden Sie vielleicht währenddessen meine ’äschen pflegen?“
Willi lehnte anfangs ab: „Ich schätze, ich kann sie nicht gut pflegen.“ Er hatte noch nie ein Haustier gehabt, und wusste nicht wie man mit so etwas umging. Auf der Straße hatte er als kleines Kind immer vor Hunden Angst gehabt, und alle Katzen waren vor ihm weggelaufen, wenn er sie streicheln wollte.
„Die ’äschen sind sehr lieb“ , sagte M. Lacombe.
Willi warf einen kurzen Blick in den Käfig. Ein dunkelbraunes und ein weißes, mümmelndes Fellknäuel saßen dicht beieinander, und schauten ihn an. Willi war ganz hingerissen von ihnen.
Dann sagte er schnell: „Okay, ich versorge sie. Wie lange sind Sie fort?“
„Nur aine Wochee“, antwortete M. Lacombe. Willi nickte.
„Darf ich noch was fragen? Wie heißen sie denn?“ , fragte Willi.
„Das dungelbraune ’eißt Schrödäär, und das weiße ’eißt Stoibäär“, sagte M. Lacombe, und streichelte dabei die Häschen. „Sie müssen ihnen nur däglisch neuäs Wassär bringen, und lassen Sie sie eine ’albe Stunde am Tag im Zimmär ’oppeln.“ Dann bedankte er sich und ließ die Häschen bei Willi. Er verlieh ihnen gleich einen Ehrenplatz im Zimmer.
Am nächsten Morgen ging Willi sofort zu den Kaninchen. Beide saßen immer noch dicht beieinander, und sahen ihn traurig an. Willi griff in den Käfig, und streichelte sie. Neugierig streckte sich das Weiße, um zu schnuppern. Das Dunkelbraune blieb faul sitzen.
Willi schnappte sich das wild zappelnde Weiße. Dann setzte er sich auf einen Stuhl in der Küche, und ließ es auf seinem Schoß nieder. Es hielt ganz still und ließ sich hinter den Ohren kraulen. Er nahm auch das Dunkelbraune noch einmal heraus, aber das kratzte ständig an Willis T – Shirt am Bauch, als wollte es ein Loch hinein buddeln. Er setzte es zurück, und gab beiden frisches Wasser. Dann schmierte er sich schnell ein Käsebrot, hob seine Mütze vom Boden auf, wo sie wie immer lag und ging zur Arbeit.
Am Abend kam Willi wieder zurück. Die Häschen sahen schon ganz vereinsamt aus, und blickten ihn bedrückt an. Schnell holte er sie aus dem Käfig. Zuerst Schröder, der sich neugierig im Zimmer umguckte. Stoiber blieb anfangs nur still sitzen. Dann hoppelte er auch über den Teppichboden. Willi sah vergnügt zu. Auf einmal bemerkte er, wie Stoiber unters Bett hüpfte. „Komm da raus!“, sagte Willi. Er kroch hinterher, um ihn heraus zu scheuchen. Stoiber blieb jedoch scheu in der Ecke sitzen. Willis Arm reichte nicht bis dorthin.
Er versuchte irgendwie an ein Lineal, das hinter ihm lag zu kommen, doch er konnte es einfach nicht erreichen. Stoiber mümmelte inzwischen im Staub. Willi wedelte mit der Hand hin und her, obwohl er sich kaum bewegen konnte. „Lass das!“, rief er dabei. Stoiber rührte sich nicht vom Fleck.
Knarz!
Willi hörte plötzlich ein seltsames Knabbergeräusch. Stoiber rannte unter dem Bett hervor. Endlich konnte Willi wieder raus. Jedoch bemerkte er, dass er feststeckte. Stoiber hoppelte mit Spinnenweben an den Ohren im Zimmer herum. Schröder hatte inzwischen das Telefonkabel durch geknabbert, und versuchte jetzt in Willis Blumentopf mit einem Gummibaum ein Loch hinein zu buddeln. Willi kroch mühsam unter dem Bett heraus, der Gummibaum war schon total schief. Erst einmal richtete er ihn wieder gerade. Schröder raste im Zimmer umher. Das andere Kaninchen war nicht mehr zu sehen. Willi suchte alles ab, bis er eine offenstehende Kommodenschublade entdeckte, mit lauter Socken drin. Willi schaute hinein, dabei sah er zwischen den Socken zwei weiße Ohren herausgucken. Er versuchte Stoiber zu packen, aber der entwischte ihm ständig. Willi warf jede einzelne Socke hinter sich auf einen Haufen. Fast alle hatten ein oder mehrere Löcher. Jetzt hatte er den weißen Hasen, und brachte ihn schnell zurück zum Käfig. Schröder schnupperte währenddessen am Strumpfhaufen. Dann zuckte er angeekelt zurück und hopste auf die offenstehende Tür zu.
Willi versuchte umständlich den Käfig zu schließen. Stoiber machte sich bereits über den Futternapf her. Schleunigst drehte sich Willi um und wollte Schröder einfangen, aber dieser war nicht mehr zu sehen.
Willi durchsuchte die ganze Wohnung und schließlich auch das Bad, wo das Häschen doch gar nicht sein konnte. Aber er täuschte sich. Schröder hockte inzwischen in der Kloschüssel, und suchte verzweifelt nach dem Ausgang. Willi hätte am liebsten auf die Spülung gedrückt, doch M. Lacombe wäre sicher durchgedreht, wenn er davon erfahren hätte.
Willi packte den Hasen am Genick und setzte ihn zurück in den Käfig. Dort wo Schröder vorher gesessen hatte, waren jetzt zwei Kaffeebohnen. „Na, wenigstens sind sie stubenrein“, dachte sich Willi. Dann sagte er zu den Häschen:“ Euch lass ich nicht noch mal raus!“
Schröder und Stoiber sahen Willi ganz lieb an.
„Heute jedenfalls nicht mehr!“
© Yannika Schad (12 Jahre)